Jens Kleefeldt
Esskastanien sind die Früchte der Edelkastanie (Castanea sativa). Botanisch handelt es sich um echte Nüsse. Die Esskastanie ist aber nicht mit der Rosskastanie (Aesculus hippocastanum) verwandt, auch wenn die Früchte ähnlich aussehen. Die Esskastanie gehört zu den Buchengewächsen, die Rosskastanie zu den Seifenbaumgewächsen. Die Nussfrüchte beider Gattungen werden gemeinhin als Kastanien bezeichnet. Esskastanien sind essbar, die Früchte der Rosskastanie sind für den Menschen nicht genießbar. Es gibt die europäische, chinesische und japanische Esskastanie. Die Marone ist eine Esskastanie, aber nicht jede Esskastanie ist eine Marone, auch wenn beide Begriffe häufig synonym verwendet werden. Erst durch Züchtung wurde aus der Esskastanie eine Marone. Sie ist demnach eine Unterart der Esskastanie. Maronen unterscheiden sich von anderen herkömmlichen Nüssen (z. B. Haselnüssen, Walnüssen, Paranüssen etc.) insbesondere durch ihren niedrigen Fettgehalt von ca. 1,9 %. Der Kohlenhydratanteil der Früchte macht ca. 40 % aus. Der Wasseranteil liegt bei 45 %. Der Eiweißgehalt liegt im Mittel bei knapp unter 3 %. Maronen enthalten insbesondere die Mineralstoffe Kalium, Magnesium, Calcium und Phosphor. Zudem liefern sie
B-Vitamine. Der Energiewert von 100 g Kastanien liegt bei 813 kJ (192 kcal). Sie sind glutenfrei und eignen sich als Nahrungsmittel bei Zöliakie. Anders als herkömmliche Nüsse, sind Maronen eher kalorienarm.
Für die Römer und Griechen der Antike war die Esskastanie eine Spezialität. Karl der Große sorgte dafür, dass die Esskastanie gezielt als Nutzpflanze angebaut wurde. Vom Mittelalter bis gegen Ende des 19. Jahrhunderts war die Nussfrucht im Bergland Südeuropas ein beliebtes Grundnahrungsmittel. Heutzutage bereichern Maronen in den verschiedensten Variationen die Küche: geröstet und nur mit Butter und Salz gewürzt, als Beilage zu Gans und Wild und ebenso zu Rotkohl und vegetarischen Gerichten.
Ebenso in getrockneter, fermentierter Form oder zu Mehl gemahlen (s. Bild) sowie kandiert bzw. süß eingelegt als Süßspeise oder als süßer Brotaufstrich. In Frankreich und Italien wird Likör hergestellt, auf Korsika und in der Schweiz Bier. Große Beliebtheit erfahren die Früchte heutzutage als „Heiße Maroni“ auf Advents- und Weihnachtsmärkten.
Trotz ihrer dicken Schale, sind Maronen sehr leicht verderbliche Früchte. Aufgrund des hohen Wassergehaltes im Mehlkörper, neigen sie dazu, schnell zu verschimmeln. Der Schimmelbefall ist oft von außen nicht sichtbar. Erst beim Aufschneiden oder Schälen der Früchte ist der Verderb zu erkennen. Auch werden die Früchte von verschiedenen Schädlingen befallen, z.B. von bestimmten Falterarten wie dem Kastanienwickler (Cydia splendana) oder Käferarten wie dem Rüsselkäfer (Curculio elephas).
Der Befall an noch geschlossenen Früchten ist äußerlich nicht zu erkennen. Ausbohrlöcher an der Schale zeigen an, dass sie betroffen sind. Im Inneren sind die Maronen von den Larven der Schädlinge zerfressen. Ebenso führt Pilzbefall, wie die schwarze Kastanienfäule (Ciboria batschiana), erheblich zu Verderb. Die Pilzinfektion der Früchte erfolgt am Boden durch Verletzungen beim Herabfallen oder durch die Fraßlöcher der Schädlinge.
Schädlinge und Schimmel kommen in der Natur vor und können generell Maronen befallen. Für die lebensmittelrechtliche Entscheidung, ob Maronen verkehrsfähig sind oder nicht, ist das Ausmaß und die Gewichtung der einzelnen festgestellten Fehler ausschlaggebend. Für die Bewertung der im Rahmen der Untersuchung festgestellten Qualitätsbeeinträchtigung gilt es, sich dann an bestehenden Kriterien zu orientieren. Die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen, abgekürzt UNECE, legt mit der Norm für die Vermarktung und Qualitätskontrolle von Esskastanien (UNECE Standard FFV-39) Mindestanforderungen für Maronen fest. Beispielsweise müssen Maronen gesund und intakt sein. Da bei Maronen als Naturprodukt Fehler vorkommen können, werden in der Norm auch Qualitätstoleranzen aufgeführt. Die Norm akzeptiert damit Qualitätsbeeinträchtigungen in bestimmtem Maß. Beispielsweise dürfen bei Maronen der Güteklasse II 5 % der Maronen durch Schimmel und Fäulnis verdorben sein. Außerdem können maximal 7 von 100 Maronen durch Schädlinge beschädigt sein. Diese Qualitätstoleranzen werden als objektiver Maßstab genutzt und als Kriterien für die lebensmittelrechtliche Beurteilung der Maronenproben herangezogen.
Maronen werden am CVUA Sigmaringen regelmäßig intensiv geprüft. Bei der Untersuchung einer Probe wird zuerst die Schale jeder Marone untersucht. Der Anteil an Maronen mit äußeren Fehlern (z. B. Fraßschäden, Schimmelbefall, Verschmutzungen) wird ermittelt. Im Anschluss daran wird jede Marone geschält, aufgeschnitten und im Inneren untersucht. Der Anteil an fehlerhafter Maronenkerne (z. B. Fraßschäden, Schimmelbefall, Verdorbenheit) wird ebenfalls festgehalten. Darüber hinaus werden die mit lebenden bzw. toten Raupen befallenen Maronen ausgezählt. Sämtliche Fehlerquoten gehen dann in die Gesamtbeurteilung der Probe mit ein.
Über Jahre hinweg sind bei unseren Überprüfungen von Maronen fortwährend hohe Beanstandungsquoten (zwischen 35 % und knapp 60 %) festzustellen:
Im Jahr 2024 wurden insgesamt 17 Proben untersucht. Für eine möglichst repräsentative Stichprobe werden ca. 1 kg bis 1,5 kg Maronen untersucht. Die Maronen stammten u. a. aus Spanien, Italien, Frankreich und Deutschland. Sie wurden im Einzelhandel, im Großhandel oder auf Märkten entnommen. Von den 17 Proben waren 6 Proben (=35 %) zu beanstanden. Zwar lag damit die Beanstandungsquote im Vergleich zum Vorjahr (2023: 57 %) deutlich geringer, jedoch war immer noch jede dritte Probe so umfänglich verdorben bzw. schädlingsbefallen, dass sie für den Verbraucher nicht mehr zum Verzehr geeignet war. Beispielsweise waren bei einer aus 89 Maronen bestehenden Probe insgesamt 37 Früchte (= 42 %) fehlerhaft. Im Einzelnen waren hier 15 Maronen verschimmelt, 11 Maronen verdorben, 8 Maronen äußerlich beschädigt und 3 Maronen wiesen Fraßgänge von Schädlingen auf. Bei einer anderen Probe waren von 123 Maronen insgesamt 43 Früchte (= 35 %) fehlerhaft. Allein 26 Maronen (= 21 %) waren in diesem Fall im Inneren verschimmelt. Für den Verbraucher war diese Ware ein Glücksspiel: ist die nächste Marone in Ordnung oder verschimmelt? Eine weitere Probe umfasste insgesamt 58 Maronen. Zwar waren hier „nur“ 8 Maronen (=14%) verdorben, dafür fanden sich aber auch 3 lebende und 3 tote Larven von Schädlingen. Sie waren dick genug, um problemlos identifiziert werden zu können. Der Anblick der Raupen, deren Fraßgänge und Hinterlassenschaften verschlugen einem den Appetit.
Von den bisher hier untersuchten Maronenerzeugnissen, wie z.B. Maronenmehl, eingelegte Maronen, Maronenpüree oder gekochte, essfertige Maronen war keine Probe zu beanstanden.
Larvenbefall:
Verschimmelte bzw. pilzbefallene Maronen:
Bohrlöcher an der Schale:
Maronen können innerhalb kürzester Zeit verderben. Um den Verderb zu verlangsamen, ist eine sachgerechte Lagerung besonders wichtig. Maronen sind möglichst luftig z.B. in Körben, Netzen oder Papiertüten aufzubewahren. Sie in Kunststofftüten luftdicht zu verpacken, ist dagegen besonders schlecht. Sie können darin in kürzester Zeit verschimmeln. Legt man Maronen in einen Topf mit Wasser, schwimmen die verdorbenen Maronen oben. Diese sind dann auszusortieren. Ältere Maronen erkennt man daran, dass sie sich eindrücken lassen. Löchrige Schalen deuten auf Schädlingsbefall hin. Schimmelige Maronen sind nicht mehr genießbar. Eine regelmäßige Sichtkontrolle ist notwendig, um schadhafte Früchte rechtzeitig auszusortieren.
Georg-August-Universität Göttingen, „Im Reich der Bäume, Castanie Sativa“;
Bayerisches Landesamt für Wald- und Forstwirtschaft, „Waldschutz“;
Hogapage, „eine kurze Geschichte der Esskastanie“;
Souci Fachmann Kraut „Die Zusammensetzung der Lebensmittel Nährwert-Tabellen“.
CVUA Sigmaringen