Inge Eversberg und die anderen Mitglieder der ALUA-AG Fleisch und Fisch
Die Verbraucher in Deutschland haben 2013 so viel Geflügelfleisch gegessen wie noch nie. Wie die Marktinfo Eier & Geflügel (MEG) mitteilte, nahm der durchschnittliche Pro-Kopf-Verbrauch im Vergleich zum Vorjahr auf 19,4 kg zu. Weil sich gleichzeitig der Fleischverbrauch insgesamt verringerte, stieg der Anteil des Geflügelfleisches am Gesamtverzehr auf die neue Rekordmarke von 22 %.(1)
Wegen der steigenden Beliebtheit haben die CVUAs im Rahmen eines landesweiten Projekts Geflügelerzeugnisse auf Phosphat- und Wasserzusätze untersucht. Hierbei wurden 30 rohe Geflügelfleischproben (Hähnchenbrustfilet, Entenbrustfilet, Putenkeule und Putenbrust) sowie 39 gegarte Geflügelerzeugnisse wie z.B. gegarte Putenbrust auf Phosphatzusätze mittels P-Zahl sowie Fremdwasserzusätze über den Wasser-Eiweiß-Quotienten überprüft.
Phosphate und P-Zahl
Phosphate sind im kondensierten Zustand als Di-, Tri-, oder Polyphosphate in Analogie zum Adenosintriphosphat (ATP) in der Lage, den Aktomyosin-Komplex zu dissoziieren und somit myofibrilläres Eiweiß zu quellen. Die Wirkung ist analog der physiologischen Verhältnisse in der Skelettmuskulatur bis zum Eintritt des Rigor mortis.
Die Verwendung von Phosphaten als Zusatzstoff in Fleisch und Fleischerzeugnissen, z.B. zur Erhöhung des Wasserbindevermögens, ist durch die Verordnung (EG) Nr. 1333/2008 geregelt. Danach dürfen lediglich Fleischerzeugnissen Phosphorsäure – Phosphate - Di-, Tri- und Polyphosphate (E 338 - E 452) bis zu einer Höchstmenge von 5 g/kg unter ausreichender Kenntlichmachung zugesetzt werden.
Die sogenannte P-Zahl berücksichtigt natürliche Phosphatgehalte. Sie ist eine empirische Kennzahl, der das im Fleisch relativ konstante Verhältnis Phosphatgehalt zu Rohproteingehalt zugrunde liegt.
Die durchschnittliche P-Zahl bei Fleisch und Fleischerzeugnissen von Rind- und Schweinefleisch liegt bei 2,2. Ein Phosphatzusatz gilt als erwiesen, wenn die P-Zahl über 2,4 liegt.
Es sind nur wenig Untersuchungen zu P-Zahlen von frischem Geflügelfleisch veröffentlich. Bertram et al. (2) stellten bei frischen Putenbrustfilets eine mittlere P-Zahl von 2,25 fest. Dieser Wert konnte auch im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen bestätigt werden. Bei den unterschiedlichen Teilstücken und Tierarten wurden folgende P-Zahlen festgestellt:
Produkt |
Probenanzahl |
P-Zahl |
||
Min. |
Max. |
Mittelwert |
||
Hähnchenbrustfilet |
14 |
2,21 |
2,48 |
2,40 |
Putenbrustfilet |
11 |
2,11 |
2,38 |
2,26 |
Putenkeule |
2 |
2,26 |
2,33 |
2,30 |
Entenbrust |
3 |
2,54 |
2,80 |
2,69 |
Die P-Zahlen sind im Mittel bei roher Putenbrust bei 2,26 und bei Putenkeule bei 2,30. Bei Hähnchenbrust liegt sie mit 2,40 etwas höher; die Entenbrust weist die höchsten P-Zahlen auf. Die Werte bei Putenkeule und Entenbrust resultieren jedoch aus nur wenigen Proben.
Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse liegt es nahe, bei der Beurteilung von rohem Geflügelfleisch auch erst bei einer höheren P-Zahl als bei Schweine- und Rindfleischprodukten (Putenbrusterzeugnisse P-Zahl über 2,5; Hähnchenbrusterzeugnisse P-Zahl über 2,6) von einem Phosphatnachweis auszugehen.
Etwa die Hälfte der 39 untersuchten gegarten Putenbrusterzeugnisse weist eine über das Verhältnis von 2,5 erhöhte P-Zahl auf, enthält also offensichtlich zugesetztes Phosphat, das jedoch nur in einem Fall per Dünnschichtchromatographie nachgewiesen werden konnte. Vermutlich werden die kondensierten Phosphate während der Herstellung durch die fleischeigenen Enzyme gespalten und liegen dann nur noch als ortho-Phosphate vor, lassen sich somit vom fleischeigenen Phosphat nicht mehr qualitativ unterscheiden. Die erforderliche Angabe der phosphathaltigen Zusatzstoffe lässt sich somit nur über die P-Zahl und kaum über die spezifische Dünnschichtchromatographie überprüfen.
Die unzulässige Zugabe von Fremdwasser führt zu einem höheren Fleischgewicht. Mit Hilfe des Wasser-Eiweiß-Quotienten ist es möglich eine Zugabe von Fremdwasser zu erkennen. In der Verordnung (EG) Nr. 543/2008 sind Durchschnittswerte und Höchstwerte für das Verhältnis von Gesamtwassergehalt zu Proteingehalt für die unterschiedlichen Fleischstücke von Puten- und Hähnchenfleisch abhängig vom Herstellungsverfahren festgelegt. Die Mittelwerte entsprachen bei den Teilstücken Hähnchenbrustfilet, Putenbrustfilet und Putenkeule im Rahmen der statistischen Abweichungen den in der VO (EG) Nr. 543/2008 festgelegten Durchschnittswerten.
Bei einem Zusatz von Fremdwasser, z.B. als Flüssigwürze, handelt es sich um ein Erzeugnis welches von der allgemeinen Verkehrsauffassung abweicht. Diese Abweichung ist durch eine beschreibende Verkehrsbezeichnung i.S. des § 4 LMKV kenntlich zu machen. Keine der Proben war wegen Fremdwasserzusatz zu beanstanden.
Produkt |
Probenanzahl |
Wasser-Eiweiß-Quotient |
durchschnittliches W/RP-Verhältnis nach VO (EG) Nr. 543/2008 |
||
Min. |
Max. |
Mittelwert |
|||
Hähnchenbrustfilet |
14 |
3,01 |
3,45 |
3,27 |
3,19 ± 0,12 |
Putenbrustfilet |
11 |
2,95 |
3,24 |
3,07 |
3,05 ± 0,15 |
Putenkeule |
2 |
3,55 |
3,90 |
3,73 |
3,58 ± 0,15 bzw. |
Entenbrust |
3 |
3,61 |
4,05 |
3,78 |
nicht festgelegt |
*) Putenschenkel bzw. entbeintes Fleisch von Putenschenkeln
Die untersuchten Entenbrustproben wiesen im Mittel einen Wasser-Eiweiß-Quotienten von 3,78 auf. Diese Produktgruppe ist jedoch nicht in der EU-Verordnung geregelt, auch sind uns hierzu bisher keine veröffentlichten Werte bekannt.
(1) Pressemeldung der MEG (Marktinfo Eier & Geflügel) vom 25.04.2014: Der Konsum von Geflügelfleisch in Deutschland steigt weiter an
(2) Studie zur Ermittlung der P-Zahl in roher Putenbrustmuskulatur und ihre Veränderung durch definierte Phosphatzusätze, Bertram, B., Soika, B und Timmermann, D.(1996): Fleischwirtschaft 76 (9), 904 - 906