Maike Hettmannsperger (FU Berlin), Dr. Anja Kruschwitz (Geflügelgesundheitsdienst Freiburg, Tierseuchenkasse Baden-Württemberg), Dr. Manuel Tritschler, Dr. Michael Suntz (CVUA Freiburg)
Kaum ein Geflügelhalter kennt sie nicht: Dermanyssus gallinae, die rote Vogelmilbe. In europäischen Hühnerbeständen gilt sie mittlerweile als schädlichster Ektoparasit (1) und ruft enorme wirtschaftliche Verluste hervor. Die Tiere leiden massiv unter Stress, Schlafmangel, Ruhelosigkeit, Federpicken, Aggression und Blutarmut, die bis hin zum Tod führen kann. Puten, Fasane, Wachteln sowie Wassergeflügel können ebenfalls betroffen sein. Säugetiere stellen dagegen Fehlwirte dar und es können in Einzelfällen lokale Hautirritationen auftreten.
Die blutsaugenden Milben sind im gesamten Stall an geschützten Stellen zu finden (Kotgruben, Nestabdeckungen, in den Elektronikschränken etc.). Nachts befallen sie die Hühner, um Blut zu saugen. Der Reproduktionszyklus dauert unter sommerlichen Bedingungen ca. 7 Tage und kann so zu einem explosionsartigen Anstieg der Population führen (2). Nach dem Schlupf aus dem Ei durchläuft die rote Vogelmilbe ein Larvenstadium (nicht blutsaugend) und zwei Nymphenstadien (blutsaugend), bevor sie zum adulten Tier heranwächst.
Der Blutverlust kann bei massivem Milbenbefall gravierend werden, da drei blutsaugende Stadien existieren. Unter 9°C findet der temperaturabhängige Entwicklungszyklus nicht mehr statt. Der Parasit wird meist passiv über Geräte, Personal, Säugetiere oder bei Einstallung neuer Tiere in den Bestand eingebracht. Bei Verschlechterung der Lebensbedingungen (Kälte, Ausstallung der Althennen etc.), zieht sich D. gallinae in die Stalleinrichtung zurück. Geschlechtsreife Milben und Eier können hier bis zu einem Jahr ohne Blutmahlzeit überleben und dadurch zu einem dauerhaften Problem werden.
Neben der direkten Schädigung der Vögel kann die Rote Vogelmilbe auch als Überträger für verschiedene Krankheiten fungieren (siehe Infokasten). Daher ist eine gezielte, multi-taktische Bekämpfung des Schädlings, beispielsweise mit Milbenfallen, Repellentien und Silikatstäuben unerlässlich.
Hochgradiger Befall mit Roten Vogelmilben kann bei der Untersuchung der Tiere häufig mit dem bloßen Auge erkannt werden. In diesem Fall sitzen zahlreiche Milben, erkennbar als schwarze Punkte auf der Flügelunterseite.
Rote Vogelmilbe nach erfolgter Blutmahlzeit (Bildmitte). Rechts unten ein Larvenstadium der Milbe.
Neue Studien haben ergeben, dass eine spezielle Salmonelleninfektion Salmonella enterica enterica serovar Gallinarum biovar Gallinarum und die dadurch ausgelöste Erkrankung FT (Fowl typhoid) in D. gallinae persistieren kann und von der Milbe übertragen wird. Dies könnte die fehlende Effizienz gängiger Antibiotika und Hygienemaßnahmen im Vorgehen gegen die FT erklären. Eine effektive Bekämpfung der FT erfordert also eine effektive Bekämpfung der roten Vogelmilbe (3). Es wird zudem angenommen, dass D. gallinae als Vektor für weitere Viren und Bakterien fungiert, zum Beispiel Pasteurella multocida, Borrelia burgdorferi (2) und diverse Salmonellen-Serovare (4). Aufgrund der wachsenden Resistenzlage der roten Vogelmilbe gegen die meisten gängigen Mittel, ist die alleinige Anwendung chemischer Pestizide als nicht nachhaltig anzusehen (1). Das sogenannte Integrated Pest Management (IPM) stellt eine acht-schrittige, multi-taktische Bekämpfungsstrategie mit Fokus auf Prävention und Monitoring des Schädlings dar (2) und könnte zukünftig, neben Lock- und Duftstoffen, eine nachhaltigere Möglichkeit zur Bekämpfung der roten Vogelmilbe erschaffen (1).
Ausführliche Information zur Vorbeugung und Bekämpfung des gefährlichen Aussenparasiten finden Sie in unserer Fachinformation.
Maike Hettmannsperger, "Huhn mit Küken"
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