Tomke Asendorf, Dr. Stephanie Krüger, Dr. Elke Müller-Hohe, Dr. Christine Wind
„Insekten und Würmer haben in Backwaren nichts zu suchen“ (Wochenblatt Biberach vom 06.02.2023 (Kohler)). So oder so ähnlich wetterten einige Medien gegen Insekten in Lebensmitteln, nachdem Anfang des Jahres neue Zulassungen veröffentlicht wurden. Doch was ist dran an der Angst vor diesen neuen Lebensmitteln? Wie sieht die amtliche Lebensmitteluntersuchung für diese Produkte aktuell aus? Wir geben einen Überblick über den derzeitigen Stand:
Schon seit 2015 beschäftigen wir uns im CVUA Freiburg intensiv mit der Untersuchung von Speiseinsekten und Lebensmitteln, die Speiseinsekten enthalten. In dieser Zeit haben sich auch die rechtlichen Bedingungen für Speiseinsekten europaweit geändert.
Seit dem 1. Januar 2018 gelten ganze Insekten, Teile und aus ihnen gewonnene Inhaltsstoffe (z. B. Insektenmehl) als „neuartige Lebensmittel“. Damit können sie nicht mehr ohne weiteres auf den europäischen Markt gebracht werden. Für jede neue Insektenart und Verarbeitungsform bedarf es seit diesem Zeitpunkt einer Zulassung nach der europäischen Novel-Food-Verordnung (VO 2015/2283). Alle bis dato auf dem Markt erhältlichen Insekten dürfen nur weiterverkauft werden, wenn bis Anfang 2019 ein Zulassungsantrag bei der Europäischen Kommission eingegangen ist (Schiel et al. 2020).
Die EU-Zulassung der Larven des Getreideschimmelkäfers - Alphitobius diaperinus (Abb. 4) als Lebensmittel hat großes öffentliches Interesse am Thema Speiseinsekten geweckt. Neben dieser Art sind die Larven des Mehlkäfers – Tenebrio molitor (Abb. 1), besser bekannt als „Mehlwürmer“, Wanderheuschrecken – Locusta migratoria (Abb. 2) sowie Heimchen – Acheta domesticus (Abb. 3) in unterschiedlichen Verarbeitungsformen von der EU-Kommission als Speiseinsekten zugelassen.
Der Zulassungsprozess beinhaltet eine umfassende Prüfung durch die Europäische Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA). Geprüft wird dabei z.B. die Belastung der Insekten mit Schwermetallen, Toxinen oder auch humanen Krankheitserregern (Turck et al. 2021).
Am Ende eines erfolgreich bestandenen Zulassungsprozesses stehen dann zum einen ganz klare Grenzwerte z. B. für die mikrobiologische Belastung oder auch Rückstände von Toxinen und zum anderen Vorgaben, wie das Insekt zu verarbeiten ist (Europäische Kommission (EC) 02.06.2021). Geregelt ist dabei natürlich auch, wie das Insekt auf dem Lebensmittel gekennzeichnet werden muss. Diese Vorgaben werden von der Europäischen Kommission in einer Durchführungsverordnung veröffentlicht, wie hier am Beispiel des Getreideschimmelkäfers (Stand 05.01.2023).
Wie für alle Lebensmittel gelten auch für Lebensmittel, die Speiseinsekten enthalten, die Kennzeichnungsvorschriften des Artikel 9 der Lebensmittel-Informationsverordnung. Danach soll der Verbraucher bereits aus der Bezeichnung eines Lebensmittels die Art des Produktes erkennen und es von verwechselbaren Erzeugnissen unterscheiden können (Sosnitza/Meisterernst, 2022). Weiterhin zählt dazu z.B. das Zutatenverzeichnis, in dem sämtliche Zutaten des Lebensmittels - und somit auch die verarbeiteten Speiseinsekten - aufgezählt werden müssen.
Zusätzlich gelten spezifische Kennzeichnungsvorschriften, die im Rahmen der Zulassung von der EU festgelegt werden. Am Beispiel des Getreideschimmelkäfers - Alphitobius diaperinus sind dies u.a.:
All diese Vorgaben überprüfen wir, indem wir regelmäßig die im Handel angebotenen speiseinsektenhaltigen Lebensmittel unter die Lupe nehmen. Zwischen den Jahren 2020 und 2022 waren dies 62 Proben, darunter 24 Proben, die wir im Rahmen eines Projekts in Zusammenarbeit mit dem CVUA Karlsruhe aus dem Internet bezogen haben. Die Produktvielfalt ist dabei groß. Sie reicht von ganzen Insekten über Insektenmüsliriegel bis hin zu Insektenproteinpulver (Abb. 5).
Abb. 5: Untersuchte Insekten-basierte Lebensmittel 2020-2022
Ebenso vielfältig ist unser Untersuchungsspektrum (Abb. 6). Ein Großteil der Untersuchungen findet bei uns am CVUA Freiburg statt. Dabei passen wir die für die „üblichen“ Lebensmittel etablierten Untersuchungsmethoden laufend für das Produkt „Speiseinsekten“ an und verfeinern die Analytik (Schiel et al. 2022; Asendorf et al. 2021). Weitere Untersuchungen führen wir in Kooperation mit anderen CVUAs in Baden-Württemberg durch, z.T. befindet sich diese Spezialanalytik aktuell noch im Validierungsprozess.
Abb. 6: Eine breite Palette an amtlichen Untersuchungsmöglichkeiten trägt zur Sicherheit von Insekten als Lebensmittel bei
Auffällige Untersuchungsergebnisse stellten wir bei knapp der Hälfte der 62 untersuchten Proben fest (30 Proben). Dies betraf hauptsächlich Mängel bei der Kennzeichnung der Produkte. In Einzelfällen zeigten sich mikrobiologische Abweichungen und Spuren von Antibiotikarückständen. Zwei der von uns im Internet gekauften Proben wurden dort unrechtmäßig zum Kauf angeboten, da es sich um Insektenarten handelte, die nach der Novel-Food-Verordnung nicht zugelassen waren (Abb. 7).
Abb. 7: Art und Häufigkeit der festgestellten Auffälligkeiten (z.T. mehrere Abweichungen je Probe)
Speiseinsekten bewegen sich keinesfalls im rechtsfreien Raum. Ihre Sicherheit als Lebensmittel wird laufend kontrolliert. Beim Kauf von Backwaren ist die „versteckte“ Beimengung von Insektenmehl aufgrund des hohen Preises aktuell äußerst unwahrscheinlich. Durch die EU-weiten „Spielregeln“ zur Kennzeichnung können Verbraucher*innen außerdem mit einem Blick auf die Verpackung erkennen, ob und welche Insekten sich in ihren Lebensmitteln befinden. Je nach persönlichen Vorlieben und Experimentierfreudigkeit ist somit die Basis geschaffen für einen entspannten und sicheren Genuss dieses zukunftweisenden Lebensmittels. Mehr zum Lesen: Wie nachhaltig die Tiere dabei sind, fasst etwa die Heinrich Böll Stiftung in ihrem 2018 veröffentlichten Fleischatlas anschaulich zusammen.
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