Dr. Stephanie Vick, Anna Büttner, Tomke Asendorf (alle CVUA Freiburg), Dr. Laura Schiel (LGL Bayern)
Das CVUA Freiburg ist ständig bestrebt, mit möglichst effizienten und leistungsfähigen Untersuchungsverfahren zu arbeiten. Wir passen unsere Methoden daher regelmäßig an den Stand der Technik an. Bei besonders schwierigen und komplexen Fragestellungen werden neue Verfahren auch in Forschungsprojekten erarbeitet. So führen wir beispielsweise in Kooperation mit Universitäten auch Projekte mit dem Ziel einer Promotion durch. Die erarbeiteten Methoden können oftmals direkt in die Praxis der Lebensmittelüberwachung oder der Tiergesundheitsdiagnostik einführt werden.
Im Jahr 2023 haben zwei Tierärztinnen am CVUA Freiburg ihre Dissertationen erfolgreich abgeschlossen. Die Arbeit von Stephanie Vick beschäftigte sich mit dem in Fisch und Meeresfrüchten vorkommenden Krankheitserreger Vibrio cholerae und seinem nahen Verwandten Vibrio mimicus. Zur Identifizierung dieser Bakterienarten wurde die Analysenmethode MALDI-TOF-MS (Matrix-assisted-laser-desorption-ionisation Time-of Flight) eingesetzt. Das Forschungsthema von Laura Schiel drehte sich um Speiseinsekten, wobei zum einen die rechtlichen Regelungen und zum anderen deren chemisch-analytische Beschaffenheit betrachtet wurden. Wir gratulieren zum Titel Doctor medicinae veterinariae (Dr. med. vet.) und bedanken uns für die wissenschaftlichen Erkenntnisse, die auch für die Optimierung der amtlichen Untersuchungs- und Beurteilungsroutinen wertvoll sind.
Auch im Bereich der lebensmittelchemischen bzw. molekularbiologischen Analytik wird am CVUA Freiburg derzeit geforscht. In Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Karl Speer (TU Dresden) widmet sich Anna Büttner in ihrer Promotion der Entwicklung und Optimierung automatisierter Methoden für die Pestizidanalyse. Tomke Asendorf arbeitet in ihrer ebenfalls noch laufenden Promotionsarbeit an der Erweiterung der Untersuchungsmöglichkeiten von Speiseinsekten in der amtlichen Lebensmittelüberwachung.
Stephanie Vick promovierte unter dem Titel „Evaluierung und Etablierung von Analyseverfahren zur Differenzierung der Spezies V. cholerae Non-O1/-O139 und V. mimicus mittels MALDI-TOF MS in einem Routinelabor der amtlichen Lebensmittelüberwachung“ als externe Doktorandin am Institut für Lebensmittelsicherheit und -hygiene am Fachbereich Veterinärmedizin der Freien Universität Berlin.
Das Ziel war es, die nah verwandten Bakterien V. cholerae und V. mimicus mit MALDI-TOF MS und verschiedenen Softwares und Datenbanken schnell und sicher zu unterscheiden, da dies zuvor kaum möglich war. Die hier verwendete Subtyping Methode sieht vor, spezifische Peaks zur Unterscheidung von z.B. eng verwandten Bakterien oder sogar Isolaten derselben Spezies zu finden. Es wurden für jede Spezies zehn Isolate intensiv auf auffällige Peaks untersucht. Diese Peaks wurden anschließend an weiteren 53 Isolaten validiert. Dabei ergab sich für V. cholerae eine Sensitivität von 97 % und eine Spezifität von 100 %, für V. mimicus waren es 93 % und 97 %. Für die Suche nach spezifischen Peaks waren die Softwares flexAnalysis und ClinPro Tools am geeignetsten, sie konnten ihre jeweiligen Vor- und Nachteile gegenseitig aufheben (schnell und einfach vs. langsam und genau).
Die zu Beginn der Testläufe noch recht unbekannte Spezies V. metoecus konnte mit dieser Methode jedoch nicht differenziert werden, da zu wenige Isolate vorlagen. Dennoch kann ein erfahrener Anwender die Andersartigkeit dieser Spektren im Vergleich zu V. cholerae- und V. mimicus-Spektren erkennen.
Um künftig Routineisolate zügig zu differenzieren, wurde folgender Workflow erarbeitet:
V. cholerae-mimicus-fragliche Isolate werden zuerst mit dem Direkttransfer aufgearbeitet und mit speziellen Datenbanken z.B. VibrioBase abgeglichen. Stehen keine solcher Datenbanken zur Verfügung, werden eigene Modelle in ClinPro Tools mit den spezifischen Peaks für V. cholerae und für V. mimicus erstellt, um viele Isolate in kurzer Zeit zu klassifizieren. Andernfalls können diese Peaks visuell in flexAnalysis aufgesucht werden, nachdem die Spektren intern kalibriert wurden.
Die Dissertation steht auf dem Refubium der Freien Universität Berlin zur Verfügung: http://dx.doi.org/10.17169/refubium-40337
Abbildung: Peakshift zwischen den Massenspektren von V. cholerae (rot) und V. mimicus (schwarz)
Abbildung: Peakshift in der Gelview-Ansicht, oben V. mimicus-Spektren, unten V. cholerae-Spektren
Laura Schiel promovierte unter dem Titel „Speiseinsekten: Rechtliche Regelungen und Eignung von Untersuchungsmethoden zur Nährwertbestimmung“ als externe Doktorandin am Institut für Lebensmittelhygiene der Veterinärmedizinischen Fakultät der Universität Leipzig.
Hintergrund ihrer Arbeit war die Feststellung, dass Insekten zwar das Potenzial besitzen, als alternative Nahrungsquelle einen Beitrag zur Sicherstellung der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung zu leisten, sie allerdings als wirbellose Tiere bisher aus dem Anwendungsbereich vieler Vorgaben herausfallen. Aus diesem Grund stellten die rechtliche Beurteilung sowie eine vergleichbare Ergebnisgenerierung im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung besondere Herausforderungen dar.
Die Dissertation liefert Produzenten, Unternehmern, gesetzgebenden Institutionen und überwachenden Behörden einen Überblick, welche Vorgaben aktuell in Bezug auf Insekten als Lebensmittel gelten. Die Ergebnisse veranschaulichen, dass der gesetzliche Rahmen des Inverkehrbringens von Speiseinsekten bisher nicht mit dem von Lebensmitteln anderer Kategorien vergleichbar ist. Die Notwendigkeit der Anpassungen der gültigen Vorgaben vor allem in den Bereichen Kennzeichnung, allgemeinen Hygienevorschriften, tierseuchen-, tierschutz- sowie umweltrechtlichen Aspekten wurde herausgestellt.
Außerdem konnte die Anwendbarkeit der Methoden der Amtlichen Sammlung von Untersuchungsverfahren für die Parameter Wasser, Asche, Rohprotein, Fett und Natrium als standardisierte Methoden zur Bestimmung der Nährwerte von Insekten nachgewiesen werden. Damit wurde mit Hilfe der neuen Erkenntnisse die Beurteilung von Insektenproben nicht nur vereinfacht, sondern auch vereinheitlicht und damit vergleichbar gemacht.
Drohnenbrut-Müsli
Ein besonderes Augenmerk wurde im Rahmen der Arbeit auch auf die Verwendung von Honigbienen-Drohnenbrut als Lebensmittel gelegt. Da bisher keine Gefahren ausgehend von Drohnenbrut als Lebensmittel festgestellt werden konnten, wurde der ökologische und ernährungsphysiologische Nutzen dieser Spezies als Lebensmittel herausgestellt.
Die Dissertation steht auf dem Publikationsserver der Universität Leipzig zur Verfügung: https://nbn-resolving.org/urn:nbn:de:bsz:15-qucosa2-855522
Anna Büttner widmet sich in ihrer noch laufenden Promotionsarbeit der Entwicklung und Optimierung automatisierter Methoden für die Pestizidanalyse.
Am CVUA Freiburg werden tierische Proben aus der amtlichen Lebensmittelüberwachung routinemäßig mittels der Multimethoden DFG S19 auf Pestizide untersucht. Diese herkömmliche Methode ist jedoch durch einen hohen Zeitaufwand und Lösungsmittelverbrauch gekennzeichnet. Im Rahmen ihrer Arbeit strebt Frau Anna Büttner daher die Implementierung eines automatisierten Workflows an, der diese Herausforderungen löst und auf ein breites Spektrum tierischer Proben – von Milch über Fleisch und Eiern bis hin zu Insekten – anwendbar ist. Das Untersuchungsspektrum konzentriert sich in der Arbeit auf die unpolaren Pestizide, die mittels Gaschromatographie gemessen werden.
Ein Workflow umfasst eine Fettextraktion mittels eines Extraktionssystems mit Tubes, wodurch die sich im Fett befindlichen Pestizide aus der tierischen Matrix extrahiert werden. Im Vergleich zu konventionellen Fettextraktionsmethoden wie z.B. Soxhlet dauert die Fettextraktion nur 40 Minuten statt 4 Stunden. Zusätzliche Vorteile dieser Extraktion sind, dass aus dem Extrakt nicht nur eine Fettbestimmung erfolgen kann, sondern auch ein weiteres Aliquot von dem Extraktionsansatz für das weitere Clean-Up verwendet werden kann. Das Clean-Up mittels Gelchromatographie (GPC) und Festphasenextraktion (SPE) wird durch eine Robotikeinheit initialisiert. Die Aufreinigung vom Extrakt läuft bis hin zum fertigen Messextrakt automatisiert ab.
Abbildung: Automatisiertes Clean-Up mit einer SPE-Kartusche
Zusätzlich wird eine µ-SPE (Mikro-Solid-Phase) Methode getestet, die eine erhebliche Zeitersparnis verspricht. Dabei handelt es sich um eine mini-SPE Kartusche, die das Extrakt von Matrixbestandteilen reinigen soll. Daraufhin kann die Bestimmung der Pestizide direkt mittels Gaschromatographie erfolgen. Die Herausforderungen bestehen in der wachsenden Anzahl der zu analysierenden Pestizide und der komplexen Matrix tierischer Lebensmittel. Insbesondere bei unpolaren Pestiziden, die sich im Fettgewebe anreichern, macht die Trennung von Lipidkomponenten in der Analyse zu einer anspruchsvollen Aufgabe. Triglyceride und Phospholipide können Messsysteme kontaminieren, was zu schlechten Signalen in der Messung führt.
Daher werden beide automatisierten Methoden auf ihre Effizienz in Bezug auf Reinheit und Rückgewinnung der Pestizide verglichen und beurteilt.
Aufgrund ihrer guten ökotrophologischen, ökonomischen und ökolgischen Bilanz werden Speiseinsekten seit einiger Zeit als eine mögliche Teillösung zur Deckung der Proteinversorgung der stetig wachsenden Weltbevölkerung gehandelt. Mit ca. 2000 für den Menschen essbaren Arten ist die Vielfalt für neue Produkte dabei riesig (Stand 2017) (Jongema 2017). Mit dem Inkrafttreten der neuen Novel-Food-Verordnung (VO 2015/2283) wurde 2018 der rechtliche Rahmen zur Vermarktung von Speiseinsekten auf dem eurpäischen Markt gegeben. Die Menge an Speiseinsektenprodukten auch auf dem deutschen Markt nimmt entsprechend zu und die amtliche Lebensmittelüberwachung ist dabei, sich auf diese innovative Produktsparte einzustellen.
Tomke Asendorf arbeitet in ihrer ebenfalls noch laufenden Promotionsarbeit an der Erweiterung der Untersuchungsmöglichkeiten von Speiseinsekten in der amtlichen Lebensmittelüberwachung.
Im Rahmen eines Projekts von Dr. Laura Schiel im Jahr 2021, bei dem Speiseinsektenprodukte aus dem Internet in allen vier CVUAs in Baden-Württemberg untersucht worden sind, ergaben sich einige spannende neue Untersuchungsziele:
Abbildung: Nachweis von DNA vom Schwein (Sus scrofa) in Mehl- würmern mittels DNA biochip (nach 24 stündiger Fastenperiode nach Schweinfleischfütterung).
In zwei Produkten auf Insektenbasis konnte innerhalb des oben erwähnten Projekts Huhn (Gallus gallus) DNA nachgewiesen werden. Eine unsachgemäße Fütterung der Insekten stand hierbei als Verdacht im Raum. So fallen in der EU gezüchtete Speiseinsekten in die Kategorie der ”Nutztiere“ (Artikel 3(6) der VO 1069/2009) und dürfen entsprechend nur mit Fütterungsmaterial des für diese Gruppe zugelassenen Ursprungs gefüttert werden. Die Verfütterung von verarbeitetem tierischen Proteinen ist hier verboten (VO 999/2001 Artikel 7 Abs. 2). Ziel der Promotionsarbeit von Frau Asendorf ist somit der Vergleich verschiedener Methoden zum Nachweis von Wirbeltier-DNA in Speiseinsektenprodukten und die Erarbeitung eines aus dem Vergleich resultierenden Workflows für diese Fragestellung. Zum Einsatz kamen verschiedene DNA-basierte Methoden, etwa die konventionelle PCR kombiniert mit einer Sangersequenzierung, eine Real-Time PCR zur direkten Detektion bestimmter Wirbeltier-Spezies, ein DNA Biochip (s. Bild), aber auch Methoden des Next Generation Sequencings (NGS).
Im Zuge des oben beschriebenen Projekts wurden außerdem Spuren des häufig in der Geflügelzucht verwendeten Antibiotikums Tiamulin nachgewiesen (Sun, Feifei et al. 2017), ein weiteres Indiz für eine mögliche, rechtswidrige Fütterung der Speiseinsekten mit Proteinen tierischen Ursprungs, wie etwa Geflügel. Der Nachweis von Antibiotikarückständen in Speiseinsekten ist mit den amtlichen Methoden noch nicht verifiziert. Diese Fragestellung wird daher in Zusammenarbeit mit dem Zentrallabor für Arzneimittelrückstände am CVUA Karlsruhe bearbeitet. Geplant ist ein Fütterungsversuch, in dem Mehlwürmer (Tenebrio molitor) verschiedenen Antibiotika ausgesetzt werden. Anschließend gilt es zu ermitteln, ob die bereits bestehenden Methoden für den Nachweis dieser Antibiotika in Speiseinsekten geeignet sind oder ob für diese spezielle Matrix die Methoden angepasst werden müssen. Darüber hinaus können innnerhalb des Experiments Erfahrungen gesammelt werden, wie die verschiedenen Antibiotika die Mehlwürmer beeinflussen und ob und inwiefern eine Antibiotikagabe für Züchter von Nutzen sein kann.
alle CVUA Freiburg