Dr. Birte Strobel, CVUA Karlsruhe
Bei einer Schneeeule aus Rheinland-Pfalz (Beispielfoto) wurde das West-Nil-Virus nachgewiesen. Foto: B. Strobel
Am 1. September 2023 wurde eine Schneeeule aus einem Vogelpark in Rheinland-Pfalz an das CVUA Karlsruhe übergeben, um die Todesursache des Tieres zu klären. Der Jungvogel und ein weiteres Geschwistertier waren zwei Tage zuvor ohne vorherige Krankheitsanzeichen verstorben.
Bereits während der Sektion ergab sich ein starker Verdacht auf das Vorliegen einer Infektionskrankheit. So zeigte das Tier eine hochgradige Schwellung von Milz und Leber sowie feine Blutungen in der Darmwand. Darüber hinaus war eine starke Gefäßzeichnung der Hirnhäute erkennbar. Dies war hinweisend dafür, dass auch eine Infektion des zentralen Nervensystems vorlag.
In einer weiterführenden molekularbiologischen Untersuchung wurde im Gehirn der Eule das West-Nil-Virus nachgewiesen. Dieses Ergebnis bestätigte nachfolgend das Nationale Referenzlabor für West-Nil-Virus am Friedrich-Loeffler-Institut. Es handelt sich dabei um den ersten Nachweis der anzeigepflichtigen Tierseuche durch das CVUA Karlsruhe.
Ursprünglich aus der West-Nil-Provinz in Uganda stammend, ist das zu den Flaviviren gehörende West-Nil-Virus mittlerweile nahezu weltweit von Bedeutung. Es zirkuliert hauptsächlich in einem Kreislauf zwischen Stechmücken und bestimmten Wildvogelarten. Infektionen bei letzteren verlaufen zumeist subklinisch, das heißt es treten keine Anzeichen einer Erkrankung auf. Manche Singvögel (vor allem Rabenvögel), aber auch Greifvögel und Eulen erkranken jedoch häufig schwer. Bei diesen kommt es zu schweren Organschäden insbesondere an Herz, Leber und Milz bis hin zu tödlich verlaufenden Hirnentzündungen. Diese führten in der Vergangenheit – insbesondere in den Vereinigten Staaten von Amerika – zum Teil zu epidemieartigen Todesfällen bei Vögeln.
Das Virus ist darüber hinaus in der Lage, Pferde und Menschen zu infizieren. Beide sind Fehlwirte, so genannte dead-end hosts. Das bedeutet, dass sie zwar erkranken können, eine Weitergabe des Virus jedoch nicht erfolgt: In den Fehlwirten zirkulieren zu geringe Mengen Virus, um eine Infektion der übertragenden Stechmücken zu bewirken.
Klinische Symptome und damit eine Erkrankung sind sowohl bei Pferden als auch bei Menschen selten. Einige Pferde entwickeln jedoch neurologische Symptome wie Ataxien, Tremor und Schwäche bis zum Festliegen. Nur bei etwa 20% der Menschen äußert sich die Infektion mit Symptomen eines grippalen Infektes. Äußerst selten treten Hirnhaut- oder Gehirnentzündungen auf, die insbesondere bei älteren Menschen tödlich verlaufen können. Das Robert-Koch-Institut stellt auf seiner Webseite Informationen zum West-Nil-Fieber beim Menschen zur Verfügung.
Pferde können gegen das West-Nil-Virus geimpft werden. Ein zugelassener Impfstoff für Menschen ist nicht verfügbar. Zu beachten ist, dass eine Impfung das Pferd nicht vor einer Infektion, wohl aber vor schweren Krankheitsverläufen schützen kann. Die entsprechenden Empfehlungen der StiKo Vet können hier eingesehen werden.
In Deutschland traten Infektionen mit dem West-Nil-Virus erstmalig 2018 auf. Seither werden regelmäßig Fälle von West-Nil-Fieber bei Vögeln und Pferden insbesondere aus den östlichen Bundesländern Berlin, Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt berichtet. Zudem traten Einzelfälle in Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Thüringen auf. Andere Teile der Bundesrepublik waren bisher nicht von der Krankheit betroffen. Mit dem hier vorgestellten Fall wurde nun ein neues Kapitel des West-Nil-Virus im Südwesten Deutschlands aufgeschlagen.
Unabhängig vom aktuellen Geschehen gilt weiterhin: Sollten Sie einen toten Wildvogel finden, berühren Sie diesen bitte nicht. Gehäufte Todesfälle bei Wildvögeln sind immer den Veterinärämtern zu melden. Vor allem bei tot aufgefundenen Greif-, Sperlings- oder Rabenvögeln sollte eine Untersuchung auf West-Nil-Virus erfolgen, auch wenn Sie nur ein einzelnes Tier finden. Setzen Sie sich dazu bitte mit Ihrem zuständigen Veterinär- oder Untersuchungsamt in Verbindung und besprechen Sie das weitere Vorgehen mit diesen Fachleuten. Die entsprechenden Untersuchungen werden von allen Untersuchungsämtern in Baden-Württemberg durchgeführt.