Imke Gockel und Bettina Bastius mit Unterstützung der Sachverständigen des Bereichs kosmetische Mittel am CVUA Karlsruhe
Abbildung 1: Nagellack und Wimpernfärbemittel
„Nur für gewerbliche/professionelle Verwendung“ – Kosmetikprodukte mit diesem Hinweis lassen oft den Eindruck entstehen, dass mit ihnen Zuhause ein „professionelleres“ Ergebnis erzielt werden kann. Doch die entsprechenden Produkte besitzen keine „besseren“ Eigenschaften oder eine höhere Wirksamkeit als vergleichbare Produkte ohne diesen Hinweis.
Tatsächlich ist die Angabe „nur für gewerbliche Verwendung“ als Warnhinweis zu verstehen und soll den Verbraucher*innen klarmachen, dass das kosmetische Mittel nur durch eine ausgebildete Fachkraft bei der Ausübung ihres Berufs sicher angewendet werden kann. Produkte für eine gewerbliche Verwendung unterscheiden sich von Kosmetikprodukten für die allgemeine Anwendung in ihrer Zusammensetzung, der Konzentration einzelner Inhaltsstoffe sowie dem vorgesehenen Anwendungsort am Körper. Bestimmte Inhaltsstoffe in Kosmetikprodukten für eine gewerbliche Anwendung besitzen das Risiko für eine Sensibilisierung oder eine Haut- oder Augenreizung und erfordern deswegen besondere Vorsicht bei der Anwendung, vor allem im Bereich der Schleimhäute der Augen. Eine Sensibilisierung ist eine erste Immunreaktion des Körpers aufgrund des allergenen Potentials einer Substanz. Kommt es nach der Sensibilisierung zu einem erneuten Kontakt mit dieser Substanz können allergische Symptome also übersteigerte Reaktionen des Immunsystems auftreten und man spricht von einer Allergie.
Gewerbliche Anwender*innen kosmetischer Mittel sind u.a. in Friseursalons und Kosmetikstudios tätig. Aufgrund ihrer Ausbildung besitzen sie eine höhere Fachkompetenz und wenden Kosmetikprodukte sachgemäß und sicher an. Ein gesundheitliches Risiko ist daher bei einer geübten und präzisen Arbeitsweise durch Fachkräfte nicht zu erwarten.
Auf dem Markt bereitgestellte kosmetische Produkte müssen insbesondere unter Berücksichtigung der Aufmachung, Kennzeichnung, Gebrauchs- und Entsorgungsanweisungen sowie allen sonstigen Angaben oder Informationen „bei normaler oder vernünftigerweise vorhersehbarer Verwendung für die menschliche Gesundheit sicher sein“ (Art. 3 EU-Kosmetikverordnung). Die Kennzeichnung sowie allgemein die Vermittlung von Informationen an die Verbraucher*innen über das jeweilige Produkt sind somit ein fester Bestandteil bei der Beurteilung, ob ein kosmetisches Mittel als sicher eingestuft werden kann.
Um eine sichere Verwendung für die Verbraucher*innen zu ermöglichen, wird in Art. 19 Abs. 1 d) der EU-Kosmetikverordnung geregelt, dass „kosmetische Mittel nur auf dem Markt bereitgestellt werden dürfen, wenn die Behältnisse und Verpackungen kosmetischer Mittel unverwischbar, leicht lesbar und deutlich sichtbar“ u.a. „die besonderen Vorsichtsmaßnahmen für den Gebrauch, mindestens die in den Anhängen III bis VI aufgeführten Angaben und etwaige besondere Vorsichtshinweise bei kosmetischen Mitteln, die zum gewerblichen Gebrauch bestimmt sind“ tragen.
In Anhang III der EU-Kosmetikverordnung sind die Stoffe aufgelistet, die in kosmetischen Mitteln nur unter Einhaltung der dort angegebenen Einschränkungen enthalten sein dürfen. Hier ist auch festgelegt, ob ein kosmetisches Mittel, das einen dieser Stoffe enthält, den Hinweis „nur für gewerbliche Verwendung“ als Teil der Kennzeichnung enthalten muss.
Entscheidend dafür, ob das Produkt den Hinweis tragen muss, ist neben der enthaltenen Konzentration entsprechender Stoffe auch das bestehende gesundheitliche Risiko bei einer Selbstanwendung.
Thioglycolsäure (INCI: Thioglycolic Acid) ist einer der Stoffe, welcher nur eingeschränkt in kosmetischen Mitteln verwendet werden darf. Als Reduktionsmittel ist Thioglycolsäure dazu in der Lage, die Disulfidbrücken im Keratin der Haare zu spalten und so eine Formänderung der Haare zu ermöglichen. Eingesetzt wird der Stoff deswegen in kosmetischen Mitteln zum Wellen oder Glätten der Haare, in Wimpernwellmitteln aber auch in Enthaarungsmitteln.
Thioglycolsäure ist als haut- und augenreizender Stoff bekannt [1]. Produkte mit einer geringen Thioglycolsäure-Konzentration sind bei einer normalen oder vernünftigerweise vorhersehbaren Verwendung sicher und können zur allgemeinen Verwendung eingesetzt werden. Beispiele dafür sind Mittel zum Glätten oder Wellen der Haare mit maximal 8 % Thioglycolsäure und Enthaarungsmittel mit maximal 5 % Thioglycolsäure.
Mittel zum Wellen der Wimpern mit einer Thioglycolsäure-Konzentration bis 11 % sind jedoch nur für die gewerbliche Verwendung vorgesehen und müssen daher den entsprechenden Warnhinweis tragen. Der Grund dafür ist, dass bei einer Selbstanwendung von Wimpernwellmitteln mit Thioglycolsäure das Risiko einer Augenreizung nicht vollständig ausgeschlossen werden kann. Die Anwendung des Mittels in unmittelbarer Nähe der Augen erfordert eine hohe Genauigkeit und besondere Vorsicht. Bei einer Verwendung durch eine ausgebildete und geübte Fachkraft besteht hingegen ein geringeres Risiko für einen direkten Augenkontakt. Durch präzises Arbeiten und den Einsatz von geeigneten Hilfsmitteln, wie zum Beispiel Silikonpads zum Schutz des Augenlids, kann der Kontakt mit der Haut oder den Augen verhindert werden.
Abbildung 2: Warnhinweis "nur für gewerbliche Ver-
wendung" auf einem Augenbrauen/Wimpernfärbemittel
Ähnlich verhält es sich bei Stoffen, die zum Färben der Wimpern eingesetzt werden. Beispiele dafür sind m-Aminophenol, p-Phenylendiamine und Resorcin. In Haarfärbemitteln zur allgemeinen Verwendung dürfen diese Stoffe eingesetzt werden. Wimpernfärbemittel, die diese Stoffe enthalten, sind nur für eine gewerbliche Verwendung vorgesehen. Grund dafür ist das höhere Sensibilisierungsrisiko bei einer Selbstanwendung.
Eine weitere Produktkategorie, bei der häufig der Warnhinweis „nur für gewerbliche Verwendung“ zu finden ist, sind Nagelmittel, insbesondere UV-Nagellacke und Mittel zur Nagelmodellage. Hier ist beispielsweise 2-Hydroxyethylmethacrylat (INCI: HEMA) enthalten. Beim Aushärten entsteht aus dem Acrylat-Monomer HEMA durch eine Polymerisationsreaktion ein Acrylharz. Seit dem 03. Juni 2021 müssen kosmetische Mittel, die diesen Stoff enthalten, mit entsprechenden Warnhinweisen gekennzeichnet sein.
Abbildung 3: Nagellack in Gebrauch
HEMA besitzt leichtes bis mittelgradiges Sensibilisierungspotential [2]. Bei der Anwendung von HEMA-haltigen Nagelmitteln auf der Nagelplatte besteht nach Auffassung des Scientific Committee On Consumer Products (SCCS) jedoch kein Risiko für eine Sensibilisierung, sofern das Auftragen auf die Nagelplatte beschränkt wird und kein Kontakt mit der angrenzenden Haut stattfindet [2]. Unsachgemäß durchgeführte Anwendungen oder die unbeabsichtigte Kontamination der Haut, die bei einer Selbstanwendung durch ungeübte Verbraucher*innen im Allgemeinen zu erwarten ist, bergen hingegen ein höheres Risiko.
Gewerbliche Anwender*innen besitzen mehr Kenntnisse und Fähigkeiten bei der Verwendung von kosmetischen Mitteln. Die Anwendung von Nagelmitteln mit HEMA durch Fachkräfte wird aus diesem Grund als sicher bewertet.
Die Abgabe von kosmetischen Mitteln, die für eine gewerbliche Verwendung vorgesehen sind, ist nicht eingeschränkt. Die Hersteller sind zudem nicht verpflichtet, die Abgabe an gewerbliche Verwender zu kontrollieren. Lediglich die Kennzeichnung mit dem Warnhinweis „nur für gewerbliche Verwendung“ ist in der EU-Kosmetikverordnung vorgeschrieben. So entschied auch das OLG Stuttgart (Urt. vom 15.03.1996 - 2 U 141/95), dass der Vertrieb von Kräuselungsmitteln mit einem Thioglykolsäuregehalt von mehr als 8 bis 11 % nicht zu beanstanden ist, wenn neben dem schon bei der allgemeinen Verwendung zu gebenden Hinweis auch noch der Hinweis "nur für gewerbliche Verwendung" auf Behältnis und Verpackung angegeben wird. Eine Vorschrift, dass bestimmte kosmetische Mittel wegen ihres höheren Gefährdungspotentials nur an bestimmte konkret benannte Abnehmerkreise abgegeben werden dürfen, fehlt.
Besondere Aufmerksamkeit sollte beim Kauf von kosmetischen Mitteln über das Internet geboten sein: Die Bereitstellung der Kennzeichnung vor dem Kaufabschluss im Fernabsatz ist derzeit durch die EU-Kosmetikverordnung nicht vorgeschrieben. Das schließt auch den Hinweis „nur für gewerbliche Verwendung“ ein.
Allerdings ist es nach § 5a Abs. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) unlauteres Handeln, wenn den Verbraucher*innen eine wesentliche Information für eine informierte Kaufentscheidung vorenthalten wird. Den Hinweis darauf, dass die Verwendung eines kosmetischen Mittels möglicherweise nur bei Anwendung durch Fachkräfte sicher ist, sehen wir daher als erforderlich an.
Vor dem Kauf eines kosmetischen Mittels sollten Sie als Verbraucher*in ohne Fachkenntnisse überprüfen, ob das gewünschte Produkt nur für eine gewerbliche Verwendung vorgesehen ist. Entscheiden Sie sich bewusst für den Kauf dieser Produkte, ist es wichtig für Sie zu wissen, dass bei einer Selbstanwendung des Produktes ein höheres gesundheitliches Risiko besteht, als bei einer Verwendung durch eine Fachkraft.
EU-Kosmetikverordnung: Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342 S. 59, ber. ABl. 2012 L 318 S. 74, ABl. 2013 L 72 S. 16), zuletzt geändert durch Art. 1 VO (EU) 2020/1684 vom 12.11.2020 (ABl. L 379 S. 42)
UWG: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. März 2010 (BGBl. I S. BGBL Jahr 2010 I S. 254), zuletzt geändert durch Art. 1 Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs vom 26.11.2020 (BGBl. I S. 2568)
[1] Scientific Committee On Consumer Products (SCCP), SCCP/1520/13, Opinion on Thioglycolic acid and its salts, 11.11.2013
[2] Scientific Committee On Consumer Products (SCCP), SCCP/1592/17, Opinion on the safety of cosmetic ingredients HEMA and Di-HEMA Trimethylhexyl Dicarbamate Submission I (Sensitisation only), 22.06.2018
Laura Riedel/CVUA Karlsruhe