Franziska Scharmann (CVUA KA)
Pharmakologisch wirksame Stoffe werden in der landwirtschaftlichen Nutztierproduktion in Form von zugelassenen Tierarzneimitteln eingesetzt. Die Anwendung von Tierarzneimitteln ist unerlässlich, um erkrankte Tiere zu behandeln. Tierarzneimittel leisten so einen wichtigen Beitrag zur Erhaltung der Tiergesundheit und damit zum Tierschutz sowie zur Produktion qualitativ hochwertiger tierischer Lebensmittel. Nach einer Behandlung lebensmittelliefernder Tiere muss jedoch zum vorbeugenden Schutz des Verbrauchers sichergestellt werden, dass keine Rückstände der Arzneimittel in von diesen Tieren gewonnen Produkten wie Fleisch, Fisch, Milch, Eiern oder Innereien vorhanden sind.
Die Überwachung tierischer Lebensmittel auf solche unzulässigen Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe wird europaweit nach einheitlichen Maßstäben durchgeführt. Weitere Informationen zu den Hintergründen, den rechtlichen Anforderungen und der Überwachung der Rechtsvorgaben sind hier anschaulich zusammengefasst: Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe. Die Überwachung der Einhaltung der Rechtsvorschriften zu diesen Rückständen in Lebensmitteln tierischen Ursprungs wird in Baden-Württemberg durch Untersuchung von Proben entlang der Lebensmittelkette aus Erzeugerbetrieben, Schlachtbetrieben und dem Lebensmittelhandel sichergestellt.
Für das Land Baden-Württemberg wurden im Jahr 2022 im Rahmen des NRKP insgesamt 4109 Proben lebensmittelliefernder Tiere am CVUA Karlsruhe auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe analysiert. Diese Proben wurden direkt im Erzeugerbetrieb (19 %) oder im Schlachtbetrieb (81 %) erhoben.
In Proben von 14 untersuchten Tieren (0,4 %) wurden Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe nachgewiesen. Die meisten der analysierten Stoffe stammten dabei aus der Gruppe der Antibiotika und der Gruppe der nicht steroidalen entzündungshemmenden Mittel (NSAIDs, non-steroidal anti-inflammatory drugs). Lediglich eine Probe (0,03 %) wurde beanstandet, da die rechtlichen Vorgaben nicht eingehalten wurden. Dabei handelte es sich um ein Rind, dessen Leber Rückstände des NSAIDs Meloxicam oberhalb der zulässigen Höchstmenge enthielt.
Weitere Informationen zur bundesweiten Auswertung der Ergebnisse des NRKP finden sich auch auf der Internetseite des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Hier werden auch die nationalen Jahresberichte zum NRKP veröffentlicht.
Der § 10 der nationalen Tier-LMÜV verpflichtet die zuständigen Behörden, 2 % aller Kälber und 0,5 % aller gewerblich geschlachteten Huftiere auf Rückstände zu untersuchen. Die dadurch geforderte Probenmenge geht über die Anzahl der Proben aus dem – auf europäischen Vorgaben basierenden – NRKP hinaus. Die Differenz der Proben zwischen den Vorgaben des NRKP und der Tier-LMÜV wird direkt in den Schlachtbetrieben erhoben und in der Regel zunächst mittels allgemeinem Hemmstofftest (AHT) untersucht.
Der AHT ist ein bakterieller Test, der auf der Wachstumshemmung des Testkeims Bacillus subtilis beruht. Mit dem AHT werden von einem Tier Niere und Muskulatur auf das Vorhandensein von Hemmstoffen überprüft. Der Test ist zwar unspezifisch, aber er gibt in vielen Fällen erste Hinweise auf das Vorhandensein von Tierarzneimitteln (Antibiotika) in den Probenmatrices.
In Baden-Württemberg wurden 2022 insgesamt rund 26.000 Tiere mittels AHT untersucht, davon 4.128 am CVUA Karlsruhe; die anderen Untersuchungen erfolgten zum größten Teil in den Laboren einiger Kreisbehörden mit großen Schlachtbetrieben und ein kleiner Teil wurde am STUA Aulendorf getestet.
Fällt der AHT positiv aus, wird die Probe zur chemisch-physikalischen Nachuntersuchung ans CVUA Karlsruhe gesendet, um die Wirkstoffe, die den sog. Hemmhof verursachen, zu identifizieren und zu quantifizieren.
Im Berichtsjahr ergaben sich in Baden-Württemberg bei Proben von 26 Tieren (0,1 %) positive Hemmstoffbefunde. Bei den anschließenden chemisch-physikalischen Bestätigungsanalysen wurden in den Proben von 10 Tieren (0,04 % aller untersuchten AHT-Proben) Rückstände an pharmakologisch wirksamen Stoffen identifiziert. Eine Auflistung dieser Befunde enthält Tabelle 1. Häufig werden in einer Probe auch mehrere Wirkstoffe nachgewiesen. Bei 5 Tieren (0,02 %) überschritten die festgestellten Rückstände die zulässigen Höchstmengen und sie wurden aus diesem Grund beanstandet.
Tabelle 1: Proben mit positivem AHT und anschließendem Rückstandsbefund.
Dargestellt ist jeweils die Gesamtzahl an Muskel- bzw. Nieren-Proben pro identifiziertem Wirkstoff (gesamt) sowie die Anzahl, bei welcher es bei bestimmten Wirkstoffen zu einer Höchstmengenüberschreitung kam (>HM). Mehrfachzählungen sind möglich.
Wirkstoff |
Muskel |
Niere |
||
---|---|---|---|---|
gesamt |
>HM |
gesamt |
>HM |
|
Amoxicillin | 0 | 0 | 2 | 2 |
Benzylpenicillin | 1 | 0 | 3 | 1 |
Chlortetracyclin | 1 | 0 | 1 | 0 |
Enrofloxacin/Ciprofloxacin (Summe) | 1 | 1 | 1 | 1 |
Flunixin | 0 | 0 | 1 | 0 |
Ketoprofen | 2 | 0 | 2 | 0 |
Marbofloxacin | 1 | 1 | 1 | 1 |
Meloxicam | 0 | 0 | 1 | 1 |
Neomycin | 0 | 0 | 1 | 0 |
Tildipirosin | 0 | 0 | 1 | 0 |
Bei Ketoprofen handelt es sich um ein nicht steroidales entzündungshemmendes Mittel, das unter anderem zur Behandlung von entzündlichen und schmerzhaften Erkrankungen der Knochen und Gelenke eingesetzt wird. Es wird im tierischen Körper schnell verstoffwechselt und über den Urin ausgeschieden.
Ketoprofen ist für Rinder, Schweine und Equiden zugelassen und als pharmakologisch wirksamer Stoff ohne Erfordernis einer Rückstandshöchstmenge eingestuft (nach VO (EG) 470/2009 und VO (EU) 37/2010). Grund für diese Einstufung war die schnelle Entgiftung und Ausscheidung, der seltene Einsatz und das damit einhergehend als gering eingeschätzte Risiko für Verbraucher (EMEA-Report, 1995).
Jedoch ist bei der Anwendung von Ketoprofen für essbare Gewebe eine Wartezeit in Abhängigkeit des verwendeten Präparats einzuhalten. Wartezeiten werden im Rahmen der Zulassung eines Tierarzneimittels festgelegt und bezeichnen die Zeit von der letzten Verabreichung eines Arzneimittels an ein Tier bis zum Zeitpunkt der Gewinnung von Lebensmitteln, die von diesem Tier stammen.
In der Regel sollten bei Einhaltung der Wartezeiten die Lebensmittel von den betroffenen Tieren keine Rückstände mit Konzentrationen oberhalb der entsprechenden Höchstmengen enthalten bzw. auch Stoffe ohne Rückstandshöchstmenge, wie Ketoprofen, sollten nicht mehr oder nur noch in sehr geringen Konzentrationen nachweisbar sein.
Da es in den letzten Jahren immer häufiger zu Ketoprofen-Befunden kommt, wird über eine Neubewertung des Stoffes und gegebenenfalls die Einführung einer Rückstandshöchstmenge diskutiert.
Aus lebensmittelrechtlicher Sicht sind Befunde von Ketoprofen bislang unabhängig vom gefundenen Gehalt nicht zu beanstanden, dennoch erfolgt in diesen Fällen ein Hinweis an die zuständige Veterinärbehörde, um vor Ort zu überprüfen, ob die tierarzneimittelrechtlichen Bestimmungen eingehalten wurden.
Neben den NRKP- und den Hemmstoff-Proben werden in Baden-Württemberg auch Lebensmittel tierischer Herkunft aus dem Handel (amtliche Proben nach dem Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch, LFGB) stichprobenartig auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe überprüft. Das Augenmerk liegt hierbei z. B. auf Proben aus Drittstaaten, da in Nicht-EU-Staaten häufig andere gesetzliche Anforderungen gelten, oder auf Lebensmitteln, die in der Vergangenheit schon einmal auffällig waren. Im Jahr 2022 wurden am CVUA Karlsruhe in diesem Zuge insgesamt 1019 Proben untersucht. Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe wurden in 12 Proben (1,2 %) nachgewiesen. Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Rückstandsbefunde in den Proben aus dem Lebensmittelhandel.
Tabelle 2: LFGB-Proben mit Rückstandsbefunden
Aufgelistet sind alle Proben, in welchen ein oder mehrere pharmakologisch wirksame Stoffe nachgewiesen wurden, sortiert nach Lebensmittelgruppen. Erläuterung zur Bewertung:
"unter
Proben |
Herkunft |
Rückstandsbefunde |
Beanstandung |
||
---|---|---|---|---|---|
Wirkstoff |
Wirkstoffgruppe |
Bewertung |
|||
Fleischstücke Huhn |
Gesamtprobenzahl: 98 |
||||
Hähnchenfleisch |
ohne Angabe |
Doxycyclin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Fleischstücke Pute |
Gesamtprobenzahl: 89 | ||||
Putenbrust |
Polen |
Enrofloxacin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Putenbrust |
Deutschland |
Doxycyclin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Fleischerzeugnisse |
Gesamtprobenzahl: 17 | ||||
Corned Beef |
Brasilien |
Doramectin |
Antiparasitika |
über HM |
ja |
Corned Beef |
Brasilien |
Ivermectin |
Antiparasitika |
über HM |
ja |
Corned Beef |
Brasilien |
Ivermectin |
Antiparasitika |
unter HM |
nein |
Corned Beef |
Brasilien |
Ivermectin, Doramectin |
Antiparasitika |
unter HM |
nein |
Fischerzeugnisse |
Gesamtprobenzahl: 15 | ||||
Saiblingskaviar |
Deutschland |
Leukomalachitgrün |
Farbstoffe (mit antiparasitärer und antibiotischer Wirkung) |
unter RWM |
nein |
Krebstiere |
Gesamtprobenzahl: 78 |
||||
White Tiger-Garnelen |
Vietnam |
Oxytetracyclin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Eier |
Gesamtprobenzahl: 149 | ||||
Gekochte Eier |
Deutschland |
Oxfendazol, Oxyfendazonsulfon |
Antiparasitika |
unter HM |
nein |
Frische Eier (Bodenhaltung) |
Deutschland |
Tylosin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Honig |
Gesamtprobenzahl: 168 | ||||
Wiesenblütenhonig |
Deutschland |
Ciprofloxacin |
Antibiotika |
unter HM |
nein |
Insgesamt wurden 2 Proben (0,2 %) beanstandet, da die gesetzlichen Anforderungen nicht eingehalten wurden. Bei beiden beanstandeten Proben handelte es sich um Corned Beef aus Brasilien, in welchen antiparasitär wirkende Stoffe (Doramectin bzw. Ivermectin) in Konzentrationen oberhalb der jeweils festgelegten Höchstmengen nachgewiesen wurden.
Corned Beef und andere Rindfleischprodukte aus Südamerika liefern immer wieder Befunde hinsichtlich enthaltener Antiparasitika, v. a. aus der Gruppe der Avermectine (siehe hierzu auch unseren Internetartikel zu Antiparasitika in südamerikanischen Rindfleischerzeugnissen (2021)). Der Einsatz dieser Stoffe ist insbesondere bei sehr extensiver Weidehaltung, wie sie z. B. in südamerikanischen Ländern betrieben wird, verbreitet. Die Gehalte an den nachgewiesenen Stoffen befinden sich aber zum Großteil unterhalb der gesetzlichen Grenzwerte. Derartige Produkte bleiben dennoch weiterhin ein fester Bestandteil der von uns auf pharmakologisch wirksame Stoffe überprüften Lebensmittel.
Wie in den Jahren zuvor wurden auch im Jahr 2022 die gesetzlichen Vorschriften im Hinblick auf pharmakologisch wirksame Stoffe bei den am CVUA Karlsruhe untersuchten Proben weitgehend eingehalten.
Internetseite CVUA KA Abt.3 PWS