Dr. Daniela Noack, Marcel Kuntz, CVUA Karlsruhe; Dr. Jens Begemann, Max Rubner-Institut (Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, Detmold)
Ob in Erde, Staub oder auf Pflanzen und in abblätterndem Putz, Bazillen können überall vorkommen. Eine besondere Fähigkeit dieser Mikroorganismen ist die Verwandlung in eine andere Zellform, die sogenannte Spore, die eine hohe Widerstandsfähigkeit gegenüber äußeren Einflüssen aufweist. Ist das Bakterium beispielsweise durch große Hitze oder Trockenheit gefährdet, wird der Gestaltwechsel ausgelöst, das Überleben ist gesichert.
Einige Bazillenarten sind wahre Spezialisten: Sie können in Sporenform den Backprozess überleben. Kühlt das Brot langsam ab, nutzen sie die vorhandenen Nährstoffe und vermehren sich. Stoffwechselprodukte entstehen, die schlussendlich zu auffälligen Veränderungen der Brotkrume führen [1]. Die Bazillen können auch durch abgeriebene Erde, wie z. B. bei der Verarbeitung von Kartoffeln in der Küche, in den Teig gelangen.
Über Bacillus subtilis-Stämme wird zudem berichtet, dass sie in Lebensmitteln das hitzestabile Toxin Amylosin produzieren können, das zu Magen-Darm-Erkrankungen führt [2].
Vorsicht: Die Bakteriensporen sind nicht mit Schimmelpilzsporen zu verwechseln, die der Verbreitung dienen und nicht widerstandsfähiger sind als alle andere Zellarten eines Pilzgeflechts.
Konservierungsmittel sind gemäß Anhang I der europäischen Zusatzstoff-Verordnung Stoffe, die die Haltbarkeit von Lebensmitteln verlängern, indem sie sie vor den schädlichen Auswirkungen von Mikroorganismen schützen, und/oder vor dem Wachstum pathogener Mikroorganismen schützen.
Unser Ziel war es, die im Brotteig, beim Backen, während des Abkühlens und der Aufbewahrung beim Verbraucher ablaufenden Prozesse möglichst realitätsnah abzubilden. Wie rasch würde es zu Veränderungen kommen?
Folgendes Szenario sollte nachgestellt werden:
Das Max Rubner-Institut (Institut für Sicherheit und Qualität bei Getreide, Detmold) stellte uns für den Versuch aus Brot isolierte Bacillus-Stämme zur Verfügung. Nach mehreren Vorversuchen wählten wir zwei Stämme aus: einen Bacillus subtilis- Stamm und einen Bacillus licheniformis- Stamm.
Für die Zeit zwischen dem Backen und dem Verkauf des Brotes nahmen wir 20 Stunden an. Bei einer Verdopplungszeit von 45 Minuten (gilt für Bacillus subtilis [3]) muss unsere Nährlösung somit 108 Bakterien pro Milliliter enthalten.
Abb. 3: Versuchsplan
Die beiden Bacillus-Stämme wurden in einer Nährlösung angezüchtet und auf die angestrebte Keimzahl eingestellt. Anschließend wurde verschiedenen Broten je ein Milliliter der Lösung mit der Pipette tief in die Krume eingeimpft.
Für den Versuch (siehe Bild 3) wurden vier Brotsorten eingesetzt, die unter Verwendung unterschiedlicher Anteile von Sauerteig hergestellt wurden: Roggenbrot (45 %), Weizenmischbrot (15 %), Fränkisches Brot (12 %) sowie Sechskornbrot (unter 10 %).
Jedes Brot wurde geteilt und jeweils eine Hälfte mit einem der ausgewählten Bazillenstämme beimpft; somit ergaben sich acht Proben. Am Schluss wurde jede beimpfte Brothälfte in einen Kunststoffbeutel verpackt und unter kontrollierten Bedingungen bei 30 °C gelagert.
Zusätzlich wurde eine nicht für den Versuch bestimmte Menge von 10 g der vier Brotsorten auf das Vorhandensein der Konservierungsmittel Sorbin- und Benzoesäure geprüft. Das Ergebnis war jeweils negativ, ein Einfluss auf unseren Beimpfungsversuch konnte ausgeschlossen werden.
In allen Roggen- und Weizenmischbrothälften traten weder nach 24, 48 oder 72 Stunden Veränderungen auf. Ganz anders sah es hingegen beim Fränkischen Brot und beim Sechskornbrot aus.
Bei beiden fiel bereits nach 24 Stunden ein unangenehmer, untypisch-säuerlicher Geruch der Brotkrume auf. Um die Einstichstelle der Pipette herum waren zum Teil gelbe Verfärbungen zu sehen.
Abb. 4: gelbe Verfärbungen der Brotkrume 24 Stunden nach einimpfen eines Bacillus subtilis-Stammes
Nach 48 Stunden war sowohl beim Sechskornbrot als auch beim Fränkischen Brot unabhängig vom eingesetzten Bakterienstamm der Verderb voll ausgebildet:
Ein süßlich-gäriger Geruch wie nach faulendem Obst schlug uns beim Öffnen der Packungen entgegen. Die gelben Verfärbungen der Krume waren bei allen vier Proben zu sehen und teilweise bis ins Bräunliche verdunkelt; außerdem war die Krume insgesamt sehr weich und stellenweise klebrig geworden.
Noch etwas fiel auf, wenn man die Krume an den klebrig gewordenen Stellen etwas aufbrach und aus nächster Nähe betrachtete: Feine Fäden spannten sich in den Hohlräumen. Handelte es sich um Schimmelpilzmycel?
Wir betrachteten die Stellen bei einer Vergrößerung von 1,6 unter dem Mikroskop. Sowohl typisches Mycel - an den köpfchenförmigen Verdickungen am Ende kurzer Stiele zu erkennen - als auch dünne Fäden unterschiedlicher Länge waren zu finden, die nicht Teil des Mycels waren.
Diese Fäden waren durch Bazillen entstanden. Brot enthält reichlich Amylose, einen Bestandteil der natürlichen, pflanzlichen Stärke, wie sie z. B. in Weizen vorkommt. Die Bakterien besitzen ein Enzym, das die Stärke aufspaltet und zu einer Auflösung der Brotkrume führt. In den so entstandenen Hohlräumen bilden sich Schleimfäden [4] [5].
In keinem der Brote konnten die untersuchten Konservierungsstoffe nachgewiesen werden. Mit einem Modellversuch, der von einer äußerst geringen Menge vorhandener Fadenzieher-Bakterien nach dem Backen im Brot ausging, konnten bei sommerlich-warmer Lagerung bereits nach 24 Stunden in zwei Broten typische Verderbserscheinungen demonstriert werden. Es handelte sich um Brotsorten mit Sauerteiggehalten von 12 % bzw. unter 10 %. Nach 48 Stunden war das Verderbsbild dort voll ausgeprägt.
Dies gilt auch, falls das Brot noch unauffällig riecht. Kommt der typische obstartige Geruch hinzu, ist der Verderb stark ausgeprägt und es besteht das Risiko der Bildung von Toxinen.
Zusätzlich gilt: Je feuchter und lockerer die Brotkrume ist, umso besser können sich die Bakterien vermehren.
Dieser könnte während der Lagerung im Haushalt – z. B. durch Erde von Kartoffelschalen – verunreinigt worden sein. Liegt bereits im rohen Teig eine hohe Zahl an Mikroorganismen vor, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass mehr Keime den Backprozess überleben und der Verderb schneller eintritt.
In der Literatur wird berichtet, dass sich bei 15 % Zugabe das Auftreten von Veränderungen um mehrere Tage nach hinten verschiebt [1]. Das Brot ist zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich längst aufgegessen.
Eine Temperatur von 95-98 °C muss zuverlässig erreicht werden; die Dauer richtet sich nach der Brotsorte.
Besonders an heißen Tagen ist eine schnelle Abkühlung des Brotes unter 25 °C empfehlenswert. Eine längere Lagerung bei darüberliegenden Temperaturen sollte nicht stattfinden.
Bestimmte Bakterien können die beim Brotbacken herrschenden Temperaturen überleben und zum Verderb führen. Die Anzeichen dafür sind jedoch sensorisch, also durch Aussehen und Geruch, sehr gut zu erkennen. Beim Selberbacken gibt es genügend Möglichkeiten, das Risiko gering zu halten. Man braucht auf den Genuss keineswegs zu verzichten.
Denn vorgewarnt ist bekanntlich gewappnet…
[1] Prof. Dr. Corinne Gantenbein-Demarchi, Vortrag 57. Tagung für Bäckerei-Technologie, Detmold, 3006.
[2] Apetroaie‐Constantin, Camelia, et al. "Bacillus subtilis and B. mojavensis strains connected to food poisoning produce the heat stable toxin amylosin." Journal of Applied Microbiology 106.6 (2009): 1976-1985. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/1922825545/
[3] Bacillus subtilis (Ehrenberg, 1835) Cohn, 1872 in Döring M (2021). German Wikipedia - Species Pages. Wikimedia Foundation. https://doi.org/10.15468/4wn9dt accessed via GBIF.org on 2021-12-09.
[4] Baumgart et al., Mikrobiologische Untersuchung von Lebensmitteln, Kap. VII, Punkt 18.3, Behr’s Verlag (2021).
[5] https://de.wikipedia.org/wiki/Fadenziehen