Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe

Do-it-yourself Hefe – Birgt die eigene Hefeherstellung ein Gefahrenpotential?

Sensorische und mikrobiologische Untersuchung selbst hergestellter Hefewässer

Verena Bock, Dr. Daniela Noack, Jana Rothfuß, Dr. Dirk W. Lachenmeier, CVUA Karlsruhe

 

Während der Corona-Zeit kann es immer wieder zu Hamsterkäufen und leeren Heferegalen kommen. Abhilfe sollen laut Internet und diverser Zeitungsartikel selbst hergestellte Hefewässer schaffen. Ob der Do-it-yourself Ansatz funktioniert und wie dieser aus gesundheitlicher Sicht zu bewerten ist, hat das CVUA Karlsruhe in einer Versuchsreihe untersucht. Das Ergebnis ist ernüchternd, in fast allen Hefewässern waren hohe Zahlen an Verderbniserregern nachweisbar und die zum Backen nötige Höhe an Hefen konnte nicht immer erreicht werden. Das CVUA Karlsruhe empfiehlt daher auf selbstgemachte Hefe zu verzichten.

Drei dicht verschlossene Bügelverschlussflaschen gefüllt mit trüber Hefewasser-Flüssigkeit und darin schwimmenden Früchten. Vor den Flaschen liegt Trockenobst. Bild 1: Selbst hergestellte Hefewässer mit Trockenfrüchten 
Bild 2: Leeres Heferegal in einem Karlsruher Supermarkt (April 2020)

 

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HINTERGRUND

Hefen sind einzellige Pilze, die in der Umwelt allgegenwärtig sind. Ihre Fähigkeit, unter Gasbildung Zucker zu Alkohol abzubauen, machte man sich schon vor langer Zeit zunutze, zum Beispiel um Bier herzustellen. Mit der Zeit wurden Hefestämme an die jeweilige industrielle Anwendung angepasst und entsprechende Kulturhefen als Reinkulturen gezüchtet. Unerwünschte Hefen werden als Wildhefen bezeichnet. Zum Züchten von zum Backen geeigneter Hefe (im Allgemeinen handelt es sich dabei um Saccharomyces cerevisiae) wird in einschlägigen Rezepten meist Folgendes empfohlen:

  • lauwarmes Wasser
  • Zucker
  • Trockenfrüchte (z. B. Datteln/Feigen/Aprikosen/Pflaumen/ Sultaninen) oder
  • alle anderen essbaren Früchte

 

Zutaten in ein verschließbares Gefäß (Flasche oder ähnliches) füllen; schütteln, bis sich der Zucker gelöst hat und bei Raumtemperatur bis zu acht Tage stehen lassen. Die Flasche soll jeden Tag zweimal geschüttelt und entlüftet werden. Als Gründe dafür gelten die Vermeidung von Schimmelbildung und die Aktivierung der Hefe. Das selbst hergestellte Hefewasser, das laut Anleitung vergoren, aber trotzdem lecker riechen sollte, kann dann zum Backen dienen. Es ersetzt gleichzeitig die Flüssigkeit in den Rezepten. Da die Triebkraft schwächer ist als bei Hefe aus dem Supermarkt, haben die Teige eine längere Gehzeit. Diese „ganz natürliche Methode“ soll zudem für eine bessere Verträglichkeit der damit hergestellten Backwaren sorgen. Das Hefewasser soll über mehrere Monate im Kühlschrank lagerfähig sein. Um die Wartezeit zu verkürzen, wird auch Folgendes empfohlen:

  • zimmerwarmes Bier
  • Zucker
  • Mehl

 

Zutaten in ein Gefäß füllen, verschließen und kräftig schütteln, bis Zucker und Mehl gelöst sind. Über Nacht stehen lassen. Dieser Ansatz kann dann zum Backen verwendet werden. Auch hier ergibt sich eine längere Gehzeit des Teiges.

 

VERSUCHSAUFBAU UND DURCHFÜHRUNG

In einer Versuchsreihe (siehe Bild 3) wurden am CVUA Karlsruhe verschiedene Hefeansätze direkt nach Herstellung und nach verschiedenen Standzeiten mikrobiologisch auf die Anwesenheit einer zum Backen ausreichenden Anzahl an Hefen sowie auf Kontamination mit folgenden Keimen untersucht:

  • Verderbniserregern (Enterobakterien, Pseudomonaden, Bacillus cereus, Schimmelpilze),
  • Fäkalindikatoren (Escherichia coli) und
  • Krankheitserregern (Salmonellen, Listeria monocytogenes) Zusätzlich wurden alle Ansätze sensorisch beurteilt und teilweise Backversuche durchgeführt.

 

Grafische Darstellung des Versuchsplans. Es wurden die zwei Rezepte herangezogen, die oben im Text beschrieben sind. Die Ansätze wurden nach der Standzeit von einem bzw. sieben Tagen sensorisch und mikrobiologisch untersucht.

Bild 3: Darstellung des Versuchsplans

 

Insgesamt wurden 17 Ansätze nach oben genannten Rezepten hergestellt:

  • Fünf Hefewässer mit verschiedenen Bieren,
  • elf mit unterschiedlichen Trockenfrüchten (Datteln, Pflaumen, Aprikosen, Feigen, Sultaninen zum Teil konserviert oder zumindest pasteurisiert, zum Teil gänzlich unbehandelt) und
  • eines mit einem aufgeschnittenen Apfel

 

Zu Vergleichszwecken wurden teilweise sterile Gefäße und teilweise haushaltsüblich gespülte Gefäße verwendet. Die Bieransätze ruhten bei 22 bis 25 Grad Celsius für 24 Stunden, die Fruchtansätze für sieben Tage. Die Gefäße wurden jeweils morgens und abends geschüttelt und entlüftet. Zusätzlich wurden in einem Worst-Case-Szenario vier Trockenobst-Ansätze in nicht gespülten Gefäßen (direkt aus dem Handel) ohne Schütteln und Entlüften bei Raumtemperatur für zehn Tage stehen gelassen.

 

 

ERGEBNISSE

Die gute Nachricht vorweg: In keinem der Ansätze ließen sich Krankheitserreger nachweisen und alle Ergebnisse der direkt nach Herstellung durchgeführten mikrobiologischen Untersuchungen waren unauffällig. In der überwiegenden Zahl der Fruchtansätze war nach der Standzeit jedoch eine hohe bis sehr hohe Zahl an Verderbniserregern vorhanden (siehe Bild 4). Dies führte dazu, dass diese Ansätze spätestens bei Ablauf der Standzeit nicht mehr verwendbar waren.

 

Drei Gussplatten, davon zwei mit sichtbaren Kolonien von Schimmelpilzen, eine mit verschiedenen Hefegattungen.

Bild 4: Erwünschte und unerwünschte Pilzkolonien: links und rechts Ausstriche von Schimmelpilzen (Mucor spp. bzw. Penicillium spp.), mittig verschiedene Hefegattungen

 

HEFE AUS BIER

Die Bieransätze waren zwar frei von Verderbniserregern, jedoch nach einem Tag auch nahezu frei von Hefen (siehe Diagramm 1). Die Hefenzahl erreicht bei Weitem nicht die erwartete und für einen Hefeteig notwendige Höhe, was auch ein Backversuch bestätigte. Für die Versuchsreihe wurden dabei verschiedene naturtrübe/unfiltrierte Biere und auch Hefeweizenbiere verwendet, auf denen eine Flaschengärung ausgelobt war. Kenner würden bei solchen Bieren vermuten, dass sie für Hefewässer besonders geeignet seien. Doch dem war nicht so: In der Versuchsreihe waren lebende Hefen nicht in ausreichender Zahl vorhanden.

 

 

HEFE AUS FRÜCHTEN

In sieben von zwölf Fruchtansätzen (58 %) wurden nach einer Woche sehr hohe Zahlen an Verderbniserregern gemessen (bei fünf Ansätzen Enterobakteriaceae – zwei davon zusätzlich mit Schimmelpilzen, siehe Diagramm 1). In zwei Ansätzen wurden Bacillus cereus-Keime in einer Menge nachgewiesen, die nicht nur zum Verderb geführt hatte, sondern unter Umständen auch zur Bildung von Toxinen ausgereicht hätte. Diese Fragestellung wurde jedoch nicht weiterverfolgt. In jedem dritten Ansatz hatten sich nach der Standzeit Schimmelpilze gebildet, die zum Teil als sichtbare Konglomerate in der Flüssigkeit schwammen, teilweise aber auch nicht mit dem Auge erkennbar waren. In sechs Ansätzen (50 %) wäre der Hefegehalt ausreichend gewesen, um einen Teig aufgehen zu lassen. Diese Ansätze enthielten jedoch zum Teil auch hohe Zahlen an Verderbniserregern, nur zwei Ansätze waren völlig frei von anderen Keimen (siehe Diagramm 1).

 

Balkendiagramm der Untersuchungsergebnisse der Hefeherstellung, farblich aufgegliedert nach Bier- und Fruchtansätzen, weiter aufgegliedert nach kontrollierten und Worst-Case Bedingungen. Sieben von 12 Fruchtansätzen, die unter kontrollierten Bedingungen durchgeführt wurden, waren mit Verderbniserregern belastet. Eine ausreichende Zahl an Hefen zum Backen war zwar bei sechs Trockenfrüchte-Ansätzen vorhanden; nur zwei davon waren jedoch völlig frei von anderen Keimen. Die übrigen Erkenntnisse der Grafik ergeben sich aus dem Fließtext.

Diagramm: Vergleich der Untersuchungsergebnisse je nach Herstellungsart der Ansätze

 

FAZIT

Auch eine ausreichende Zahl an Hefen kann das Wachstum von Schimmelpilzen und anderen Verderbniserregern nicht unterdrücken. Je länger die Ansätze stehen, desto stärker wachsen unerwünschte Verderbniskeime.

 

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HINWEISE FÜR DIE PRAXIS

Saubere, frisch gespülte Gefäße verwenden

Mikrobiologisch konnten keine Unterschiede zwischen der Verwendung von haushaltsüblich gespülten und sterilisierten Gefäßen festgestellt werden. Einzig die ungespülten Gefäße des Worst-Case-Szenarios waren hier erwartungsgemäß auffälliger.

 

Gefäße nicht druckdicht verschließen, regelmäßig schütteln und entlüften

Im Worst-Case-Szenario zerplatzte eine Flasche. Je nach Gefäß besteht eine erhebliche Gefahr durch Glasscherben. Der Druckaufbau durch Hefetätigkeit ist nicht zu unterschätzen!

 

Unbehandelte/nicht konservierte Trockenfrüchte verwenden

Es empfiehlt sich, auf das Zutatenverzeichnis zu achten, da Trockenfrüchte mit Kaliumsorbat oder Schwefeldioxid konserviert sein können. Oft werden die Früchte auch mit Wasserdampf pasteurisiert. Das zeigt die Bezeichnung auf der Verpackung.

 

Genau hinsehen

Schimmelpilz-Konglomerate können gegebenenfalls auf der Oberfläche der Flüssigkeit aufschwimmen. Diese Wässer wegschütten!

 

Riechprobe durchführen

Besonders hohe Zahlen an Verderbniserregern machen sich zum Beispiel durch fäkalischen, unreinen, dumpfen, milchsauren oder stechenden Geruch bemerkbar. Diese Wässer ebenfalls wegschütten!

 

Hefewässer und damit hergestellte Teige keinesfalls roh verzehren

Vollständiges Durchbacken tötet die unerwünschten Verderbniserreger zwar ab. Falls jedoch Toxine gebildet wurden, die sehr widerstandsfähig gegenüber Hitze sind, könnten sich diese noch im Endprodukt befinden.

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN UND EMPFEHLUNGEN:

Auch unter Einhaltung hygienischer Bedingungen und regelmäßigem Schütteln der Gefäße lässt sich die Bildung von Schimmelpilzen und anderen Verderbniserregern in Frucht-Hefewässern nicht sicher verhindern. Zudem entstehen häufig nicht genügend Hefen, um ein zufriedenstellendes Backergebnis zu erreichen. Am sichersten erscheint es daher, auf das Selbstbacken von Hefegebäck bei Fehlen von Hefe zu verzichten. Ohnehin ist es in den beiden bisherigen Corona-Wellen nicht zu einer eingeschränkten Versorgung mit Fertigbackwaren gekommen. Gegebenenfalls sollte man sich in der Bäckerei seines Vertrauens nach Hefe erkundigen oder abwarten, bis die Supermarktregale wieder mit Hefe gefüllt sind.

 

Dieser Artikel wurde veröffentlicht in einem Online-Spezial der Ernährung im Fokus, abrufbar unter https://www.bzfe.de/ernaehrung-im-fokus/online-spezial/

 

Artikel erstmals erschienen am 09.04.2021 12:57:14

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