Baden-Württemberg

Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Karlsruhe

Sind Arzneimittel von hohen Ethylenoxid-Gehalten betroffen?

Untersuchungen von Ethylenoxid in Arzneimitteln mit unterschiedlichen Darreichungsformen

Das Arzneimittel-Team des CVUA Karlsruhe, Leonie Moser (CVUA Stuttgart)

 

In den Jahren 2020 und 2021 wurden durch die Lebensmittelüberwachung vermehrt Lebensmittel mit hohen Gehalten an Ethylenoxid aufgefunden. Auch in Baden-Württemberg konnte der Stoff unter anderem in verschiedenen Nahrungsergänzungsmitteln, sowie teilweise in deren leeren Kapselhüllen, in erhöhten Mengen nachgewiesen werden. Daraufhin untersuchte auch die Arzneimitteluntersuchungsstelle des CVUA Karlsruhe in Kooperation mit dem CVUA Stuttgart eine Reihe unterschiedlicher Arzneimittel-Proben auf Ethylenoxid. Die ersten Untersuchungen konnten zeigen, dass es im Bereich Arzneimittel bislang keinen Grund zur Besorgnis gibt.

Auf dem Bild ist ein umgekipptes Schraubglas zu sehen, aus welchem verschiedene Arten an Arzneimitteln gefallen sind.

Abb. 1: Auswahl verschiedener Arzneimittel

 

Bei den Untersuchungen des CVUA Stuttgart zu Ethylenoxid in Nahrungsergänzungsmitteln wurden neben einigen anderen Darreichungsformen auch Leerkapseln aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC) untersucht. Auch in diesen konnte in einzelnen Proben ein erhöhter Gehalt an Ethylenoxid nachgewiesen werden [1]. Da einige Arzneimittel ebenfalls in derartigen Kapseln angeboten werden, stellte sich natürlich die Frage, ob auch Arzneimittel von dieser Problematik betroffen sind. Neben Kapselhüllen waren auch andere Darreichungsformen von Nahrungsergänzungsmitteln, wie z. B. Tabletten, betroffen. Aufgrund dessen ist es bei den Arzneimitteln ebenfalls sinnvoll eine möglichst große Produktpalette an unterschiedlichen Arzneimittel-Formen zu untersuchen.

Ethylenoxid - Was ist das eigentlich?

Bei Ethylenoxid handelt es sich um ein Gas, welches desinfizierend wirken kann, da es in der Lage ist Bakterien und Pilze abzutöten [2]. Aus diesem Grund wird Ethylenoxid unter anderem zur Sterilisation von z. B. Medizinprodukten eingesetzt. Ethylenoxid wird aber beispielweise auch zur Synthese von pharmazeutischen Ausgangsstoffen verwendet.

Limitierend für den Einsatz von Ethylenoxid sind dessen erbgutverändernden und krebserzeugenden Eigenschaften. Aufgrund dieser gefährlichen Eigenschaften sind Rückstände dieses Stoffs also grundsätzlich unerwünscht. In der EU gibt es deshalb z. B. ein vollständiges Anwendungsverbot für Ethylenoxid in Pflanzenschutzmitteln [3].

Für die Untersuchungen ist neben Ethylenoxid selbst auch dessen Metabolit 2-Chlorethanol entscheidend. In Sesamproben konnte gezeigt werden, dass Ethylenoxid praktisch vollständig in 2-Chlorethanol umgewandelt wurde. Für 2-Chlorethanol liegen derzeit noch zu wenig Informationen vor, es gibt jedoch erste Hinweise auf erbgutverändernde Eigenschaften. Aufgrund dessen wurde die Rückstandsdefinition der Summe aus Ethylenoxid und 2-Chlorethanol, ausgedrückt als Ethylenoxid, festgelegt [3].

 

Rechtliche Grundlage

Bei der Sterilisation von Arzneimitteln, Wirkstoffen, Hilfsstoffen und Primärverpackungen ist die Verwendung von Ethylenoxid nur akzeptabel, wenn keine andere Sterilisationsmethode möglich ist. Die Rückstände dürfen 1 µg/g für Ethylenoxid und 50 µg/g für 2-Chlorethanol oder andere halogenierte Ethylenhydrine nicht überschreiten [4].

Für erbgutverändernde Verunreinigungen aus der Herstellung von Arzneimitteln gibt es Empfehlungen des International Council for Harmonisation of Technical Requirements for Pharmaceuticals for Human Use (ICH). Nach der ICH Guideline M7 werden derartige Verunreinigungen akzeptiert, wenn das zusätzliche theoretische Krebsrisiko 1:100 000 nicht übersteigt [5]. Für 2-Chlorethanol liegen im Gegensatz zu Ethylenoxid für diese Berechnung aktuell keine hinreichenden Daten für eine sichere Aussage zu den krebserregenden Eigenschaften vor. Um einen höchstmöglichen gesundheitlichen Schutz zu gewährleisten orientiert sich das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) daher bei der Bewertung von 2-Chlorethanol an den Toxizitätsdaten zu Ethylenoxid [3].

Bei der Herstellung von Arzneimitteln, die aus Pflanzen oder Pflanzenteilen bestehen, ist die Verwendung von Ethylenoxid gemäß der deutschen Ethylenoxid-Verordnung grundsätzlich verboten [6].

 

Welche Art von Proben wurden untersucht?

Um einen Überblick zu bekommen in welchen Arzneimittel-Darreichungsformen Ethylenoxid möglicherweise gefunden werden kann, wurden unterschiedliche Probenarten zur Untersuchung ausgewählt. Unter den insgesamt 14 Proben befanden sich 10 Fertigarzneimittel (darunter Tabletten, Granulate, Kapseln), 2 Ausgangsstoffe und 2 verschiedene Leerkapseln (siehe auch Abbildung 2). Es wurden sowohl pflanzliche als auch synthetisch hergestellte Arzneimittel untersucht. Die dafür notwendigen Untersuchungen wurden am CVUA Stuttgart durch die Abteilung Rückstände und Kontaminanten durchgeführt. Die Proben wurden mit der QuEChERS-Methode aufgearbeitet und die Gehalte mittels GC-MS bestimmt.

 

Tabelle 1: Untersuchte Proben
                            Art der Probe                                                 Anzahl                          
Tabletten

7

Granulate

1

Kapseln 2
Ausgangsstoffe

2

Leerkapseln

2

Gesamtzahl

14

 

Ergebnisse der Untersuchungen:

Erfreulicherweise konnten in 93 % der untersuchten Proben (13) weder Ethylenoxid noch 2-Chlorethanol nachgewiesen werden.

In einer der 14 untersuchten Proben (Fertigarzneimittel in Kapseln) konnte der Metabolit 2-Chlorethanol nachgewiesen werden. Die gemessene Konzentration lag aber unterhalb der analytischen Bestimmungsgrenze. Bei der Bestimmungsgrenze handelt es sich in der Analytik um die kleinste Konzentration, welche noch zuverlässig quantifiziert werden kann. Aufgrund dieser sehr geringen Menge konnte also auch bei dieser Probe Entwarnung gegeben werden.

Die Ergebnisse sind noch einmal zusammenfassend in der Tabelle 2 dargestellt.

 

Tabelle 2: Untersuchungsergebnisse

           Untersuchungsergebnisse         

              Ethylenoxid (Summe)

           Proben-Anzahl            

nicht nachweisbar*

13

nicht bestimmbar** 1
bestimmbar 0

* Messergebnis liegt unterhalb der Nachweisgrenze
** Messergebnis liegt unterhalb der Bestimmungsgrenze

Fazit

Aufgrund der ersten Untersuchungsergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass das Risiko eines erhöhten Ethylenoxid-Gehalts in Arzneimitteln vergleichsweise gering ist. Es gibt derzeit also im Bereich der Arzneimittel keinen belegten Grund zur Beunruhigung über einen erhöhten Gehalt an Ethylenoxid. Jedoch wird das CVUA Karlsruhe diesen Parameter, auch aufgrund der hohen Gehalte in einzelnen Nahrungsergänzungsmitteln, weiter im Blick behalten, um das Risiko zukünftig noch besser abschätzen zu können.

Bildernachweis

vlad – stock.adobe.com

 

Literatur

[1] CVUA Stuttgart: Lieber "Kemie" statt Keime? – In der EU ist beides nicht zulässig, erschienen am 28.07.2021. Link: https://www.cvuas.de/pub/beitrag.asp?subid=1&Thema_ID=5&ID=3424

[2] Verbraucherzentrale Niedersachsen: Ethylenoxid in Lebensmitteln, Stand 02.02.2021 Link: https://www.verbraucherzentrale-niedersachsen.de/themen/ernaehrung-lebensmittel/ethylenoxid-lebensmitteln

[3] Gesundheitliche Bewertung von Ethylenoxid-Rückständen in Sesamsamen, aktualisierte Stellungnahme Nr. 024/2021 des BfR vom 01. September 2021 Link: https://www.bfr.bund.de/cm/343/gesundheitliche-bewertung-von-ethylenoxid-rueckstaenden-in-sesamsamen_final.pdf

[4] EMA: Guideline on the sterilisation of the medicinal product, active substance, excipient and primary container. Procedure number: EMA/CHMP/CVMP/QWP/850374/2015; 6. März 2019

[5] EMA: ICH M7 Assessment and control of DNA reactive (mutagenic) impurities in pharmaceuticals to limit potential carcinogenic risk, Procedure Number EMA/CHMP/ICH/83812/2013, Stand: 03/02/2018.

[6] Verordnung über ein Verbot der Verwendung von Ethylenoxid bei Arzneimitteln vom 11. August 1988 (BGBl. I S. 1586), die zuletzt durch Artikel 9 des Gesetzes vom 17. Juli 2009 (BGBl. I S. 1990) geändert worden ist.

 

Artikel erstmals erschienen am 02.03.2022 13:38:23

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