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Über die Wirksamkeit von Antibiotika in der Veterinärmedizin

Nur mit dem richtigen Antibiotikum können erkrankte Tiere rasch wieder gesund werden - aktuelle Auswertung des CVUA Stuttgart über die Wirksamkeit von Antibiotika

Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Stuttgart hat die Wirksamkeit zahlreicher Antibiotika getestet und festgestellt, dass wichtige pathogene Erreger bei Nutztieren sehr unterschiedlich empfindlich auf diverse Antibiotika reagieren. Um im Erkrankungsfall das am besten wirksamste und damit das am schnellsten reagierende Mittel einsetzen zu können, sollte der behandelnde Tierarzt einen Resistenztest machen lassen. Die vorgestellten Daten wurden 2003/2004 aus den Nutztierbeständen im Einzugsbereich des CVUA Stuttgarts gewonnen und sind für diesen Bereich als repräsentativ anzusehen. Auffallend ist, dass E.coli resistente Stämme gegenüber Florfenicol und Enrofloxacin im Vergleich mit einer Auswertung aus den Jahren 2001/2002 zugenommen haben.

 

Allgemeines

Für die Behandlung bakteriell bedingter Infektionskrankheiten sind antibakteriell wirksame Chemotherapeutika (Antibiotika) in der Human- und Veterinärmedizin unverzichtbar. Ein wirkungsvoller Einsatz von Antibiotika wird allerdings durch die Entwicklung und Verbreitung von Resistenzen bei einer Vielzahl bakterieller Erreger eingeschränkt (Ungemach, 1998). Diese Themas hat sich das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) in Berlin und die DVG- (Deutsche Veterinärmedizinische Gesellschaft) Arbeitsgruppe "Antibiotikaresistenz" sich intensiv dieses Themas angenommen. Um die Wirksamkeit von Antibiotika weiterhin auch auf längere Sicht zu gewährleisten, muss deren Einsatz verantwortungsvoll erfolgen (Helmuth, 1999; Deutsches Tierärzteblatt, 2000). Dies bedeutet, dass Antibiotika nur angewendet werden dürfen, wenn zumindest deren Wirksamkeit gegen den zu bekämpfenden Keim in vitro nachgewiesen werden kann. Die Prüfung der Wirksamkeit eines Antibiotikums ist mit Hilfe sog. Resistenzteste (Antibiogramme) möglich.

Zur Bestimmung der Wirksamkeiten von Antibiotika in vitro stehen zwei Labormethoden zu Verfügung. Das ist einerseits der Agardiffusionstest (Auflegen Antibiotika-beladener Blättchen auf ein mit dem zu testenden Keim beimpften Agarmedium) und andererseits die Messung sog. minimaler Hemmstoffkonzentrationen (MHK-Werte). Da allerdings derzeit für MHK-Werte der meisten tiermedizinisch relevanten pathogenen Keime noch keine validen Grenzwerte für Beurteilungen vorliegen (Kietzmann et al., 2004; Luhofer et al., 2004), werden im folgenden Ergebnisse des klassischen Agardiffusionstestes dargestellt. Es handelt sich hierbei um Daten aus Jahren 2003 und 2004 für Keime, die bei erkrankten Nutztieren (Rind, Schwein, Schaf, Ziege, Pferd, Kaninchen) im Einzugsgebiet des CVUA Stuttgart (nördliches Baden-Württemberg) gewonnen worden sind. Nicht einbezogen in diese Auswertung wurden Keime, die von euterkranken Tieren isoliert worden sind.

Angaben zu der Anzahl der in diese Studie einbezogenen Bakterien-Stämme sind den PDF-Dateien wirsamkeit_antib_grampos_bakt.pdf (10 KB) und wirsamkeit_antib_gramneg_bakt.pdf (15 KB) zu entnehmen.

Die aufgeführten Daten können als Anhaltspunkte für die Wirksamkeit von Antibiotika bei wichtigen pathogenen Erregern von Nutztieren dienen.

 

Methode

Die getesteten Bakterien-Stämme waren von kranken Tieren oder im Rahmen der Sektion entnommen worden. Die Durchführung der Empfindlichkeitsprüfungen erfolgte mit Hilfe des Agardiffusionstestes. Hierzu wurden die zu testenden Bakterien auf Mueller-Hinton-Agarplatten ohne Zusatz von Blut (Staphylokoken, E. coli, Salmonellen, Bordetella bronchiseptica, Klebsiellen, Pseudomonas aeruginosa) oder mit Zusatz von Blut (Streptokokken, Arcanobacterium pyogenes, Pasteurella, Mannheimia) bzw. Kochblut (Actinobacillus pleuropneumoniae, Haemophilus) ausgestrichen und anschließen wirkstoffhaltiger Blättchen auf die beimpften Agarmedien gemäß der AVID-Methode "AVID X / 1998 Resistenzbestimmung" aufgelegt. Ausgewertet wurden die Resistenzteste nach Bebrütung der Agarplatten durch Messung sichtbarer Hemmhöfe gemäß der AVID-Methode "AVID XII-1997 Resistenzbestimmungen Anhänge".

 

Besprechung der Ergebnisse

Die aufgeführten Daten zeigen die Notwendigkeit der Durchführung von Prüfungen der Wirksamkeit von Antibiotika (Resistenztest, Antibiogramme) bei den meisten der aufgeführten Keime. Mit wenigen Ausnahmen sind die Bakterienstämme der einzelnen getesteten Bakterien-Spezies unterschiedlich empfindlich gegenüber verschiedenen Antibiotika:

  • Nahezu uneingeschränkte Wirksamkeit zeigen Penicillin G, Amoxicillin, Ampicillin und Florfenicol bei den gram-positiven Keimen Streptokokken und Arcanobacterium (A.) (Actinomyces, Corynebacterium) pyogenes (Diagramm 1).
    Diese Antibiotika erwiesen sich außerdem als wirksam gegen Pasteurella, Mannheimia, Actinobacillus und Haemophilus (Diagramm 4 und Diagramm 5).
  • Bei Staphylococcus aureus und Stapylococcus hyicus sind vor allem Florfenicol aber auch Enrofloxacin und Sulfonamid (Sulfamethoxazol) / Trimethoprim wirksam. Auffallend ist die gute Wirksamkeit von Neomycin (Diagramm 1).
  • Bei E. coli-Keimen war die Wirksamkeit fast aller getesteten Antibiotika deutlich geringer als bei Salmonellen (Diagramm 2).
  • Gegen Bordetella bronchiseptica wirken Tulathromycin, Florfenicol, Gentamycin, Neomycin und Tetracyclin (Diagramm 3).
  • Gegen Pasteurella- und Mannheimia-Keime zeigen zusätzlich zu den oben aufgeführten Antibiotika Tulathromycin, Enrofloxacin, Florfenicol und Tetracyclin sowie Cefquinom (M. haemolytica) gute Wirksamkeit (Diagramm 4).
  • Auffallend ist mit wenigen Ausnahmen die gute Wirksamkeit der getesteten Antibiotika bei den vom Schwein isolierten Actinobacillus spp und Haemophilus spp. (Diagramm 5).

Eine vergleichbare Studie war von Weisser (2003) für Isolate von Tieren desselben Einzugsbereichs für die Jahre 2001 und 2002 durchgeführt worden. Gute Übereinstimmungen der Ergebnisse dieser und der vorliegenden Studie zeichnet sich für gram-positive Bakterien ab. Dem entgegen ergaben sich bei gram-negativen Bakterien deutlich größere Abweichungen der Anzahl resistenter Keime. Betroffen hiervon war beispielsweise E. coli mit einer Zunahme gegen Florfenicol resistenter Stämme um 16%. Eine Zunahme resistenter E. coli-Stämme zeichnet sich auch für Enrofloxacin ab, dessen Werte vom BgVV noch mit 6% (BgVV, 1995), in dieser Studie und der von Weisser (2003) jedoch bereits mit 14-17% beschrieben sind. Günstiger erwiesen sich die Daten der Prüfungen von Sulfonamid (Sulfamethoxazol) / Trimethoprim gegen Salmonellen mit einem Rückgang resistenter Stämme von 28%.

Für Erreger respiratorischer Erkrankungen vom Schwein (Actinobacillus, Haemophilus und Pasteurellen) stellt sich in dieser Studie die Situation für Penicillin und dessen Derivate Ampicillin und Amoxicillin sowie Sulfonamid (Sulfomethoxazol) / Trimethoprim und Tetracyclin und für Ampicillin in einer Studie des BgVV (1995) sehr viel günstiger dar als von Weisser (2003) beschrieben.

Insgesamt gesehen können trotzdem die Empfehlungen von Weisser (2003) für tierpathogene Keime aus dem Einzugsgebiet des CVUA Stuttgart (nördliches Baden-Württemberg) mit Hilfe dieser Studie bestätigt werden:

  • b-Lactame (Penicillin G, Ampicillin, Amoxicillin) zeigen nach wie vor Wirksamkeit gegen Streptokokken, Arcanobacterium pyogenes und Pasteurella, Actinobacillus und Haemophilus.
  • Florfenicol, Enrofloxacin, Gentamycin und Neomycin können gegen gram-negative Keime, Apramycin und Colistin beschränkt auf Enterobacteriaceae eingesetzt werden.
  • Tetracyclin wirkt überwiegend gegen Pasteurella, Mannheimia, Actinobacillus, Haemophilus und Bordetella und findet somit Anwendung bei respiratorischen Erkrankungen.
  • Ergänzt werden kann zu dem oben genannten die Anwendbarkeit von
  • Florfenicol bei Staphylokokken-, Streptokokken- und Arcanobacterium pyogenes-Infektionen sowie Enrofloxacin bei Staphylokokken- und Actinomyces pyogenes-Infektionen (Diagramm 1)
  • Neomycin und Sufomethoxazol/Trimethorpim bei Staphylokokken-, und Salmonellen- und eingeschränkt für E. coli-Infektionen (Diagramm 1 und Diagramm 2)
  • Tulathromycin bei Bordetellen-, Pasteurellen und Haemophilus-Infektionen (Diagramm 3, Diagramm 4 und Diagramm 5)
  • Cefquinom vor allem bei Mannheimia-, aber auch bei Pasteurellen-Infektionen (Diagramm 4)

 

Diagramme

Vorschaubild Diagramm 1.
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Diagramm 1: Wirksamkeit von Antibiotika (% sensibel) bei Staphylococus (S.) aureus, Staphylococcus (S.) hyicus, Streptococus spp und Arcanobacterium (Actinomyces) (A.) pyogenes.

 

Vorschaubild Diagramm 2.
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Diagramm 2: Wirksamkeit von Antibiotika (% sensibel) bei E. coli und Salmonellen.

 

Vorschaubild Diagramm 3.
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Diagramm 3: Wirksamkeit von Antibiotika (% sensibel) bei Bordetella (B.) bronchiseptica.

 

Vorschaubild Diagramm 4.
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Diagramm 4: Wirksamkeit von Antibiotika (% sensibel) bei Pasteurella (P.) multocida und Mannheimia (M.) haemolytica.

 

Vorschaubild Diagramm 5.
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Diagramm 5: Wirksamkeit von Antibiotika (% sensibel) bei Actinobacillus und Haemophilus.

 

Die den Diagramm-Übersichten zu Grunde liegenden Einzelwerte sind in den Tabellen der PDF-Dateienwirsamkeit_antib_grampos_bakt.pdf (10 KB) und wirsamkeit_antib_gramneg_bakt.pdf (15 KB) zusammengefasst.

 

Literatur

Kietzmann, M., A. Böttner, H.M. Hafez, C. Kehrenberg, D. Klarmann, P. Krabisch, T. Kühn, G. Luhofer, A. Richter, S. Schwarz, W. Traeder, K.-H. Waldmann, J. Wallmann, C. Werckenthin (2004): Empfindlichkeitsprüfung bakterieller Infektionserreger von Tieren gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen: Überlegungen zur Festlegung von Grenzwertkonzentrationen (breakpoints) aus klinisch-pharmakologischer Sicht.
Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 117, 81-87.

Deutsches Tierärzteblatt (1997): Resistenzsituation 1995, Teil 1 Ampicillin/Amoxicillin.
Deutsches Tierärzteblatt 1, 84.

Deutsches Tierärzteblatt (2000): Leitlinien für den sorgfältigen Umgang mit antimikrobiell wirksamen Tierarzneimitteln,
Beilage zum Deutschen Tierärzteblatt 48, 11.

Helmuth, R. (1999): Einsatz antimikrobiell wirksamer Substanzen in der Veterinärmedizin.
Bundesgesundheitsblatt 42, 26-34.

Luhofer, G., A. Böttner, H.M. Hafez, M. Kaske, C. Kehrenberg, M. Kietzmann, D. Klarmann, G. Klein, P. Krabsich, T. Kühn, A. Richter, C. Sigge, W. Traeder, K.-H. Waldmann, J. Wallmann, C. Werckenthin, S. Schwarz (2004): Vorschläge der Arbeitsgrupe "Antibiotikaresistenz" für die Belegung von Mikrotiterplatten zur Empfindlichkeitsprüfung von Bakterien gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen in der Routinediagnostik – Mastitis und Großtierlayouts.
Berl. Münch. Tierärztl. Wschr. 117, 245-251.

Ungemach, F.R. (1998): Antibiotika und Resistenzproblematik.
Deutsches Tierärzteblatt, 3, 224-226.

Weisser, W. (2003): Bakterielle Resistenzen beim Schwein: Aktuelle Resistenzlage relevanter Erreger im Einzugsgebiet des CVUA Stuttgart, unter besonderer Berücksichtigung der E. coli-Problematik.
Praktischer Tierarzt 84, 864-872.

 

Artikel erstmals erschienen am 15.06.2005 07:27:37

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