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Chrom(VI) in Lederprodukten: ein immer noch zentrales Thema

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Gabriele Steiner

 

Untersuchungsergebnisse an 380 Proben aus den Jahren 2015 und 2016 zeigen, dass Erzeugnisse für den Körperkontakt (z.B. Bekleidung, Schuhe, Schmuckaccessoires) noch immer mit Chrom(VI)-Verbindungen belastet sind. Auch in Zukunft müssen diese Erzeugnisse geprüft werden, da bis zu 12 % der Lederprodukte aufgrund nachweisbarer Chrom(VI)-Konzentrationen als gesundheitsschädlich zu beurteilen waren.

 

Abbildung: Probenbeispiele.

Abbildung: Probenbeispiele

 

Warum ist Chrom(VI) gefährlich?

Als Reinchemikalien sind Chrom(VI)-Verbindungen als Gefahrstoffe eingestuft und müssen mit den Hinweisen „Kann bei Einatmen Krebs erzeugen“ sowie „Kann allergische Hautreaktionen verursachen“ gekennzeichnet werden. Chrom(VI)-Verbindungen können akut Reizungen bis Verätzungen von Schleimhäuten und Haut sowie die Schädigung von Nieren, Blut und Leber bewirken. Chronisch wirken diese durch Reizung/Schädigung der Haut und der Schleimhäute, insbesondere im Nasen-Rachen-Raum. In Kontakt mit der Haut können Chrom(VI)-Verbindungen, z. B. enthalten in gegerbtem Leder, durch Sensibilisierung zu allergischen Hauterkrankungen führen [1]. Schon vor 10 Jahren hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfohlen, Allergie auslösendes Chrom(VI) in Lederprodukten streng zu begrenzen [2].

 

Warum können Chrom(VI)-Verbindungen in Leder enthalten sein?

Der wichtigste Schritt bei der Lederherstellung ist die Gerbung, d.h. die Haltbarmachung der Tierhäute. Hier gibt es verschiedene Verfahren, wobei die Chromgerbung vor allem bei Leder für Bekleidung immer noch die häufigste Konservierungsart darstellt [3]. Dazu werden Chrom(III)-Verbindungen/Salze eingesetzt, die zwar selbst als gesundheitlich unproblematisch gelten, jedoch Chrom(VI)-Verbindungen als Verunreinigungen enthalten aber auch beim Verarbeitungsprozess zu Chrom(VI) oxidiert werden können [2]. Der Einsatz von Reduktionsmitteln, also von Stoffen, die diese Oxidation verhindern, würde die Gerbung verteuern. Alternativen zur Chromgerbung gibt es zwar, allerdings gelten die erhaltenen Ledermaterialien als weniger haltbar bzw. strapazierfähig.

 

Welche rechtlichen Vorgaben gibt es?

Gemessen an der Häufigkeit des Auftretens von Sensibilisierungen zählt Chrom(VI) zu den wichtigsten Allergenen. Aufgrund dieser gesundheitlichen Relevanz hat der Gesetzgeber für Chrom(VI) folgende Grenzwerte festgelegt:

National gelten die Anforderungen der Bedarfsgegenständeverordnung (BedGgstV) für Erzeugnisse, die erstmalig vor dem 1. Mai 2015 in den Verkehr gebracht wurden: demnach dürfen bei der Herstellung von Bedarfsgegenständen aus Leder keine Verfahren angewendet werden, die bewirken, dass Chrom(VI) nachweisbar ist [4].

Für Erzeugnisse, die erstmalig nach dem 1. Mai 2015 in den Verkehr gebracht wurden, gelten die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH-VO): danach dürfen Ledererzeugnisse und Erzeugnisse, die Leder enthalten und die mit der Haut in Berührung kommen, nicht in Verkehr gebracht werden, wenn sie einen Chrom(VI)-Gehalt von 3 mg/kg (0,0003 Gewichtsprozent) oder mehr des gesamten Trockengewichts des Leders aufweisen [5].

Nach Einschätzung des BfR liegt bei einer Grenzwertüberschreitung zudem ein "ernstes" gesundheitliches Risiko insbesondere in Bezug auf allergene Effekte vor [6]. Das BfR führt weiter aus, dass auch bei Einhaltung gesetzlich festgelegter Grenzwerte für sensibilisierende Substanzen in der Regel nicht alle sensibilisierten Personen ausreichend vor der Exposition und dem Auslösen eines Kontaktekzems geschützt werden können, da große Unterschiede in der Empfindlichkeit dieser Personen bestehen. Aufgrund der lebenslang bestehenden Sensibilisierung und der erheblichen Beeinträchtigung der Lebensqualität betroffener Personen stellt nach Ansicht des BfR eine Grenzwertüberschreitung ein ernstes gesundheitliches Risiko dar. Das BfR kommt zu dem Schluss, dass bei einer Grenzwertüberschreitung eine Eignung zur Schädigung der Gesundheit gegeben ist.

 

Infokasten

Sensibilisierung

Wenn Fremdstoffe in den Körper eindringen, kommt es zur Stimulation des Immunsystems und zur Bildung von Antikörpern. Bei erneutem Kontakt werden diese Fremdstoffe von den Rezeptoren erkannt und es kommt zu allergischen Reaktionen.

Allergie

Eine Allergie ist eine überempfindliche Reaktion des Immunsystems gegenüber körperfremden Stoffen [7].

 

Untersuchungsergebnisse

Vor diesem o.a. Hintergrund wurden in den Jahren 2015 und 2016 die Untersuchungen auf Chrom(VI) intensiviert und insgesamt 380 Lederwaren (z.B. Handschuhe, Gürtel, Hosen, Schuhe, Accessoires, Geldbörsen, Handtaschen) unter die Lupe genommen.

Die Erzeugnisse sind häufig aus verschiedenen Lederstücken zusammengesetzt, die voneinander getrennt und separat untersucht werden. So ergaben im Untersuchungszeitraum 380 Lederwarenproben insgesamt 513 Analysen. Die Ergebnisse von 58 Proben waren auffällig und lagen über der Nachweisgrenze von 3 mg Chrom(VI) pro Kilogramm Ledermaterial.

 

Abbildung: Kinderschuh aus 10 verschiedenen Lederteilen.

Abbildung: Kinderschuh aus 10 verschiedenen Lederteilen

 

Untersuchungsbefunde 2015/2016
Probenart
Proben
untersuchte
Lederteile
der Proben
Lederteile
> Grenzwert
Proben
beanstandet
Beanstandungs-
quote in %
Babyfelle
4
4
--
--
--
Geldbörsen
28
34
--
--
--
Schuhe/Einlagen
71
102
9
5
7
Handtaschen
26
31
2
2
8
Fahrradhandschuhe
12
11
4
1
8
Lauflernschuhe
30
84
3
3
10
Handschuhe
79
75
9
8
10
Arbeitshandschuhe
26
28
4
4
15
Gürtel
52
78
19
13
25
Lederhosen
8
11
6
3
38

 

Die Untersuchungsbefunde für die einzelnen Produktgruppen (s. Tabelle) zeigen, dass es vor allem bei Lederhosen (sehr beliebt als sogenanntes Wasen-Outfit), aber auch bei Gürteln vergleichsweise häufig zu Auffälligkeiten bzgl. der Chrom(VI)-Belastung kommt. Die Untersuchungen haben außerdem gezeigt, dass auch bei Lauflernschuhen ein Problem in Bezug auf den Chrom(VI)-Gehalt bestehen kann. Dies ist insbesondere deshalb dramatisch, weil schon beim Baby bzw. Kleinkind eine Sensibilisierung stattfinden kann, was zur Folge hat , dass diese ihr ganzes Leben lang allergisch auf Chrom(VI)-Verbindungen reagieren.

Klassische Lederprodukte wie Schuhe bzw. Einlegesohlen sind nur zu einem verhältnismäßig geringen Anteil belastet.

 

Fazit

Da der Verbraucher nicht erkennen kann, ob die Lederwaren mit Chrom(VI) belastet sind, kann nur eine konsequente Qualitätssicherung des Herstellers helfen, die Belastung von Lederwaren mit Körperkontakt durch Chrom(VI)-Verbindungen zu minimieren. Eine Fortführung der Überwachung dieser Erzeugnisse ist unerlässlich.

 

Quellen

[1] Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen, Stand: 19. Juli 2016

[2] Stellungnahme Nr. 017/2007 des BfR vom 15. September 2006 (aktualisiert am 24. Mai 2007)

[3] Chromgerbung – Lederzentrum: Lederlexikon

[4] BedGgstVO: Bedarfsgegenständeverordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. Dezember 1997 (BGBl. 1998 I S. 5), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 15. Februar 2016 (BGBl. I S. 198)

[5] Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Dezember 2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), Stand: 09. Februar 2017

[6] BfR-Stellungnahme vom 06.03.2014, Anlage 7-3727-7760803: Gesundheitliche Bewertung von Chrom(VI)-Verbindungen in Lederwaren

[7] Frank Zuther, Dr. Birgit Marschner „Zum Einfluss chromgegerbter Lederhandschuhe auf Personen mit Maurerkrätze“, Juli 2004

 

Artikel erstmals erschienen am 23.03.2017 12:32:54

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