Dr. Anne Benkenstein
Vegane Produkte sind im Trend. Mittlerweile werden viele verschiedene Milchalternativen im Handel angeboten. Auch in den Supermärkten ist die Auswahl groß. Ob Hafer-, Soja-, Mandel-, Erbsen-, Kokos-, Dinkel- oder Reisdrink – wir haben in den letzten 6 Jahren 47 vegane Milchalternativen auf Rückstände von über 700 verschiedenen Pestiziden und Kontaminanten untersucht.
Archivbild, Foto: bit245/istockphoto.
Wir haben seit 2016 insgesamt 47 Proben unterschiedlicher Milchalternativen untersucht. Davon waren 34 Proben (72 %) aus ökologischem Anbau. In unten stehendem Diagramm wird eine Übersicht der Vielfalt der untersuchten Proben gezeigt.
Diagramm 1: Anzahl der untersuchten Proben aufgeschlüsselt nach ökologischer und konventioneller Herstellung
Dies zeigt auch deutlich, wie sich das Spektrum an unterschiedlichen Milchalternativen in den vergangenen Jahren vergrößert hat.
Der Begriff “Milch” ist der Kuhmilch vorbehalten, auch wenn umgangssprachlich die veganen Alternativen oft damit in Zusammenhang gebracht werden. Im Handel dürfen sie nur unter der Bezeichnung “Drink” oder “Getränke” verkauft werden. Lediglich die Kokosmilch darf auch als Milch bezeichnet werden, da deren Art aufgrund ihrer traditionellen Verwendung von je her etabliert ist [1, 2]. Zum Einsatz kommen die veganen Ersatzprodukte in der Küche genau wie herkömmliche Milch. Herstellung, Geschmack und Nährwert machen hier aber den Unterschied aus [1].
Haferdrinks werden auf Grundlage des Getreides Hafer hergestellt. Der Geschack ist leicht süßlich und nussig. Verwendbar ist der Haferdrink ähnlich wie Kuhmilch, obwohl die leicht süßliche Note bei der Verwendung in herzhaften Gerichten eventuell nicht gewünscht ist. Für die Herstellung des Haferdrinks wird der gemahlene Hafer gekocht und mit Enzymen versetzt. Das gewonnene Filtrat ist wässrig und wird mit Pflanzenöl versetzt, dadurch entsteht die weißliche Farbe. Dadurch, dass der Hafer regional angebaut wird, können lange Transportwege entfallen [1].
Einen Mandeldrink kann sich jeder auch zu Hause herstellen. Dazu werden die Mandeln ohne Schale gemahlen und mit kochendem Wasser übergossen. Die aufgefangene Flüssigkeit wird filtriert. Der Rückstand kann zu einem Brotaufstrich weiter verarbeitet werden. Der Geschmack ist nussig mild und süßlich [1].
Aus der nährstoffreichen Sojabohne werden die Sojadrinks hergestellt. Soja enthält in natura 36,8 % Eiweiß, deshalb hat der daraus gewonnene Drink auch zw. 3 bis 4 % Eiweiß und kommt damit dem Eiweißgehalt in Milch nahe (siehe Tabelle 1). Für die Herstellung von Sojadrinks werden die Sojabohnen eingeweicht, gemahlen, gekocht und anschließend filtriert. Der Calciumgehalt ist wesentlich geringer als in Kuhmilch, so dass dem Sojadrink häufig Calcium zugesetzt wird [1].
Ein weiterer Getreidedrink basiert auf der Grundlage von Reiskörnern. Der Geschmack ist leicht süßlich. Zur Herstellung der Reisdrinks werden die gemahlenen Vollkornreiskörner gekocht und mit Enzymen versetzt. Das gewonnene Filtrat ist wässrig und wird wie beim Haferdrink mit Pflanzenöl versetzt, wodurch es seine weiße Farbe erhält. Da der Reisdrink wenig Nährstoffe enthält, werden diesem meist Calcium und Vitamine zugesetzt [1].
Kokosmilch wird durch pressen des geriebenen Fruchtfleischs gewonnen und ist nicht zu verwechseln mit dem in der Kokosnuss enthaltenen Kokoswasser. Der Fettgehalt in Kokosmilch ist höher als in den anderen Pflanzendrinks und besteht hauptsächlich aus gesättigten Fettsäuren. Relativ neu auf dem Markt sind die Kokosdrinks. Im Kokosdrink ist der Wasseranteil wesentlich höher als in der Kokosmilch. Es sind lediglich 5 bis 10 % Kokosmilch enthalten. Die Zusammensetzung kann sehr unterschiedlich sein. So werden zum Beispiel Kokoswasser, Salz, Vitaminzusätze, Stärke, Aroma, Farbstoffe, Stabilisatoren und Emulgatoren zugesetzt. [2].
Dagegen hat der Hanfdrink einen relativ hohen Gehalt an ungesättigten Omega-3-Fettsäuren. Dieser wird aus Hanfsamen hergestellt und hat ebenfalls einen nussigen Geschmack.
Im Handel sind mittlerweile auch Drinks aus Quinoa, Buchweizen, Amaranth, Lupinen und Nüssen wie Macadamia, Cashewkenen und Haselnüssen erhältlich [1]. In der Tabelle 1 sind die Nährwertangaben im Vergleich für Milch, sowie Hafer-, Mandel-, Soja- und Reisdrinks aufgelistet.
Kuhmilch/ 3,5 %
100 ml* |
Kuhmilch/ 1,5 %
100 ml* |
Haferdrink
100 ml** |
Mandeldrink
100 ml** |
Sojadrink
100 ml** |
Reisdrink
100 ml** |
|
---|---|---|---|---|---|---|
Wasser (g) |
87,4
|
89,3
|
90
|
94
|
92,6
|
89
|
Kohlenhydrate (g) |
4,7
|
4,8
|
6,8
|
2,4
|
1,6
|
9,5
|
Fett (g) |
3,6
|
1,6
|
1,5
|
2,5
|
0,7
|
1
|
Eiweiß (g) |
3,4
|
3,4
|
0,6
|
1
|
3,5
|
0,1
|
Calcium (mg) |
120
|
118
|
keine Angabe
|
120 (zugesetzt)
|
13
|
120 (zugesetzt)
|
Kalorien (kcal) |
65
|
48
|
44
|
38
|
29
|
47
|
Erfreulicherweise ist die Pestizidbelastung in den 47 untersuchten Milchalternativen überschaubar. Die Auswertung der Anzahl der gefundenen Rückstände je Probe zeigt deutlich, dass nur einige wenige Proben mit Rückständen belastet sind. Der Großteil der Proben (42) enthält entweder keinen oder nur einen Rückstand (siehe Diagramm 2).
Diagramm 2: Mehrfachrückstände in den verschiedenen veganen Drinks
In Tabelle 2 sind die Ergebnisse nach der jeweiligen Probenart aufgeschlüsselt. In den 15 untersuchten Haferdrinks waren 60 % mit Rückständen festgestellt worden. Auch von den 9 untersuchten Mandeldrinks wiesen 5 Proben Pestizidrückstände auf. Knapp die Hälfte der untersuchten Sojadrinks wies dagegen keine Rückstände auf. Die 3 untersuchten aus Dinkel hergestellten Pflanzendrinks waren unauffällig.
Matrix |
Anzahl der Proben
|
Proben mit Rückständen > 0,01 mg/kg
|
---|---|---|
Hafer |
15
|
9 (60 %)
|
Mandel |
9
|
5 (56 %)
|
Soja |
9
|
5 (56 %)
|
Hafer/Mandel |
4
|
1
|
Dinkel |
3
|
-
|
Andere |
7
|
7 (100 %)
|
SUMME |
47
|
23 (49 %)
|
Auffällig ist, dass in den untersuchten Pflanzendrinks in 23 der 47 Proben (49 %) Chlorat nachweisbar war (siehe Diagramm 3). Weitere Informationen zur Einschätzung der nachgewiesenen Rückstandsgehalte an Chlorat folgt im nächsten Abschnitt.
Diagramm 3: Nachweishäufigkeit der gefundenen Wirkstoffe für vegane Drinks
Desweiteren wurde in 4 Fällen der Summenparameter Fosetyl nachgewiesen. Die Summe Fosetyl setzt sich aus dem Wirkstoffen Fosetyl und Phosphonsäure zusammen. Sowohl Fosetyl als auch Phosphonsäure sind in der EU zugelassene fungizide Wirkstoffe, die unabhängig vom Eintragsweg unter den Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 396/2005 fallen [3]. Neben der Anwendung als Fungizid ist ferner ein Eintrag durch Düngemittel (sog. Blattdünger), die Phosphonate (Salze der Phosphonsäure) enthalten, denkbar. Diese Anwendung ist jedoch durch die Einstufung der Phosphonate als Fungizide seit dem Erntejahr 2014 nicht mehr möglich. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass Pflanzen Phosphonsäure speichern und erst im Laufe der Zeit abgeben, so dass auch Jahre später noch Befunde auf eine früher zulässige Blattdüngung zurückgehen können. Desweiteren ist Phosphonsäure im Mandelanbau in den USA zugelassen.
Chlormequat ist ein in der EU zugelassener Pflanzenschutzmittelwirkstoff, welcher im konventionellen Getreideanbau zugelassen ist. Die Befunde sind 3 Haferdrinkproben zuzuordnen.
Die Morpholinrückstände können auf viele Ursachen zurückzuführen sein, über die bei den veganen Drinks keine Details vorliegen. Vermutlich ist Morpholin zurückzuführen auf Fungizide, die im Getreideanbau angewendet werden und welche die gleiche chemische Grundstruktur aufweisen. Auch wird die Substanz als Beistoff von anderen Pflanzenschutzmittelwirkstoffen angewand.
Zusammenfassend betrachtet sind sehr wenige und hauptsächlich wasserlösliche Pestizide, die auch während des Verarbeitungsprozesses eingetragen werden können, in den verarbeiteten Pflanzendrinks nachweisbar.
Chloratrückstände in pflanzlichen Lebensmitteln können neben der Anwendung als Herbizid verschiedene weitere Ursachen haben (siehe aktuelle Internetbeiträge zum Thema Rückstände und Kontaminanten in Frischobst oder Frischgemüse). Die nachgewiesenen Chloratbefunde sind erfahrungsgemäß wahrscheinlich eher auf den Zusatz von Wasser zurückzuführen. Denn Grundsätzlich kann Chlorat als Nebenprodukt bei der Trinkwasser-/Brauchwasserdesinfektion mit Chlorgas, Hypochlorit oder Chlordioxid entstehen.
Im letzten Jahr wurde in einer konventionellen Erbsendrinkprobe ein Rückstandsgehalt an Chlorat in Höhe von 2,4 mg/kg nachgewiesen. Der Erbsendrink ist ein verarbeitetes Erzeugnis, das unter anderem aus 4 % Erbsenprotein und Wasser besteht. Der in der VO (EG) Nr. 396/2005 festgelegte Rückstandshöchstgehalt für Chlorat in Erbsen kann hier aufgrund der Verarbeitung nicht angewendet werden. Weiterhin kann ohne eine Untersuchung der einzelnen Zutaten nicht geklärt werden, woher der nachgewiesene Gehalt an Chlorat ursprünglich stammt [3]. Zur Abschätzung möglicher akuter toxischer Risiken bei kurzzeitiger Exposition wird die beim Verzehr eines Lebensmittels aufgenommene Rückstandsmenge der sogenannten akuten Referenzdosis (ARfD) gegenübergestellt (siehe Infokasten zur akuten Referenzdosis). Hierzu wird das von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) zur Verfügung gestellte EFSA PRIMO-Modell verwendet. Im vorliegenden Fall ergab sich für Kleinkinder eine Aussschöpfung der akuten Referenzdosis für Chlorat von 191,5 % für eine Verzehrsmenge von 250 mL. Deshalb kann eine gesundheitliche Beeinträchtigung insbesondere bei Kleinkindern mit hohem Erbsendrinkverzehr nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden. Aufgrunddessen wurde die Probe als nicht sicher im Sinne des Artikel 14 Abs. 2 Buchstabe b in Verbindung mit Abs. 5 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 beurteilt und darf gemäß Art. 14 Abs. 1 der Verordnung nicht in den Verkehr gebracht werden [4].
In fünf weiteren Fällen wurde aufgrund der auffälligen Rückstandsgehalte an Chlorat ein Hinweisgutachten erstellt. Es handelt sich dabei um drei Haferdrinks, einen Hanfdrink und einen Mandeldrink.
Zur Bewertung von Pflanzenschutzmittelwirkstoffen, die eine hohe akute Toxizität aufweisen und schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Aufnahme gesundheitsschädliche Wirkungen auslösen können, eignet sich der ADI-Wert (acceptable daily intake) nur eingeschränkt. Da er aus längerfristigen Studien abgeleitet wird, charakterisiert er eine akute Gefährdung durch Rückstände in der Nahrung möglicherweise unzureichend. Deshalb wurde neben dem ADI-Wert ein weiterer Expositionsgrenzwert eingeführt, die sogenannte akute Referenzdosis (acute reference dose, ARfD). Die Weltgesundheitsorganisation hat die ARfD als diejenige Substanzmenge definiert, die über die Nahrung innerhalb eines Tages oder mit einer Mahlzeit aufgenommen werden kann, ohne dass daraus ein erkennbares Gesundheitsrisiko für den Verbraucher resultiert. Anders als der ADI- wird der ARfD-Wert nicht für jedes Pflanzenschutzmittel festgelegt, sondern nur für solche Wirkstoffe, die in ausreichender Menge geeignet sind, schon bei einmaliger Exposition die Gesundheit zu schädigen.
» EFSA calculation model Pesticide Residue Intake Model “PRIMo”– revision 3.1
Insgesamt sind die 47 untersuchten veganen Milchalternativen hinsichtlich ihrer Rückstandsbefunde bis auf eine Ausnahme unauffällig. Nur sehr wenige wasserlösliche Pestizide setzen sich durch bis in das endverarbeitete Erzeugnis. Dies belegt die geringe Anzahl an 4 Wirkstoffen, die nachgewiesen wurden. Jedoch zeigt der beschriebene Chloratbefund in der konventionellen Erbsendrinkprobe, sowie die 5 Hinweisgutachten, die aufgrund auffällig hoher Rückstandsgehalte an Chlorat und die hohe Anzahl an Chloratbefunden insgesamt, dass es sich lohnt hier weitere Untersuchungen durch zuführen. In den veganen Milchersatzprodukten zeigt sich das BIO Proben besser abschneiden als konventionelle Produkte. Auch in diesem Jahr ist die Untersuchung von Pflanzendrinks auf Rückstände fest eingeplant.
[1] Milchalternativen - Landeszentrum für Ernährung (landeszentrum-bw.de) (zuletzt aufgerufen am 06.02.23)
[2] Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (2019): Unterschied zwischen Kokosmilch und Kokosdrink | Lebensmittelklarheit (zuletzt aufgerufen am 6.2.2023)
[3] VO (EG) 396/2005: Verordnung (EG) Nr. 396/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Februar 2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs und zur Änderung der Richtlinie 91/414/EWG des Rates (ABl. L 70/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2022/566 vom 7. April 2022 (ABl. L 109/35)
[4] VO (EG) 178/2002: Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31/1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2019/1381 vom 20. Juni 2019 (ABl. L 231/1)