Baden-Württemberg

Die Untersuchungsämter für
Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit

Neuartige Lebensmittel – Novel Food

Rechtliche Grundlagen, Konsultations-, Zulassungs- und Meldeverfahren

Tábata Rajcic de Rezende, Kelly Geist (CVUA Karlsruhe)

 

Unter "neuartigen Lebensmitteln" versteht man bestimmte Lebensmittel, die bisher noch nicht in nennenswertem Umfang in der Europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden.

 

Die sogenannten „neuartigen Lebensmittel“ oder „Novel Food“ sind Lebensmittel und/oder Lebensmittelzutaten, die noch relativ neu auf dem europäischen Markt sind und somit keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel für den menschlichen Verzehr haben. Aufgrund ihrer exotischen Herkunft oder der Anwendung innovativer Herstellungsverfahren sowie ihrer speziellen Zusammensetzung bedürfen diese Produkte vor ihrer Verwendung einer Zulassung und werden während des Verfahrens einer Sicherheitsbewertung unterzogen.

 

Die Regelungen in der Verordnung über neuartige Lebensmittel dienen daher als Schutz der Gesundheit des Menschen und ermöglichen gleichzeitig ein reibungsloses Funktionieren des Binnenmarkts.

 

 

Geltungsbereich:

Die europäische Novel Food-Verordnung (VO (EU) Nr. 2015/2283) ist am 31.12.2015 in Kraft getreten, sie gilt jedoch vollumfänglich erst seit dem 01.01.2018 (Ablösung der bisher geltenden VO (EG) Nr. 258/97).

 

Durch die EU Novel Food-Verordnung sind auch weitere Durchführungsverordnungen der europäischen Union verabschiedet worden.

 

  • Unionsliste zugelassener neuartiger Lebensmittel (DVO (EU) Nr. 2017/2470)
  • Zulassungsanträge (DVO (EU) Nr. 2017/2469)
  • Traditionelle Lebensmittel aus Drittstaaten (DVO (EU) Nr. 2017/2468)
  • Konsultationsverfahren zum neuartigen Status (DVO (EU) Nr. 2018/456)

 

 

Definition

„Neuartige Lebensmittel“ oder „Novel Food“ sind Lebensmittel und Lebensmittelzutaten, die vor dem 15. Mai 1997* in der Europäischen Gemeinschaft (unabhängig von den Zeitpunkten der Beitritte von Mitgliedstaaten zur Union) noch nicht in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Sie müssen auch mindestens in einer der in Artikel 3 der Novel Food-Verordnung genannten Fallgruppen zugeordnet werden können. Als neuartige Lebensmittel gelten:

 

  • Lebensmittel mit neuer oder gezielt modifizierter primärer Molekularstruktur
  • Lebensmittel aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen
  • Lebensmittel aus Materialien mineralischen Ursprungs
  • Lebensmittel, die aus Pflanzen bestehen oder aus Pflanzen isoliert wurden
  • Lebensmittel, die aus Tieren bestehen oder daraus isoliert wurden
  • Lebensmittel aus Zell- oder Gewebekulturen von Pflanzen, Tieren, Mikroorganismen, Pilze und Algen
  • Lebensmittel, die durch ein neuartiges, nicht übliches Verfahren hergestellt wurden, welches zu bedeutenden Veränderungen der Zusammensetzung oder der Struktur des Lebensmittels geführt hat
  • Lebensmittel aus technisch hergestellten Nanomaterialien
  • Lebensmittel, die ausschließlich in Nahrungsergänzungsmitteln als nicht neuartig gelten und nun in anderen Lebensmitteln verwendet werden sollen

 

Auch traditionelle Lebensmittel aus einem Land außerhalb der Europäischen Union (Drittland), die in Europa vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, unterliegen der Novel Food-Verordnung.

 

Nicht in den Anwendungsbereich der Novel Food-Verordnung fallen (vgl. Art. 2):

 

  • genetisch veränderte Lebensmittel (VO (EG) Nr. 1829/2003)
  • Lebensmittelenzyme (VO (EG) Nr. 1332/2008)
  • Lebensmittelzusatzstoffe (VO (EG) Nr. 1333/2008)
  • Lebensmittelaromen (VO (EG) Nr. 1334/2008)
  • Extraktionslösungsmittel, die für die Herstellung von Lebensmitteln oder Lebensmittelzutaten verwendet werden (RL 2009/32/EG)

 

*Lediglich zur Klarstellung über den Stichtag: Der maßgebliche Stichtag war der Tag des Inkrafttretens der alten Novel Food-Verordnung (VO (EG) Nr. 258/97).

 

Bestimmung des Status „neuartig“ bzw. „nicht neuartig“

Wichtig bei der Einstufung von Lebensmitteln als „neuartig“ ist eine präzise Überprüfung der entscheidenden Kriterien, z. B. seit wann ein Lebensmittel in Europa oder einem Drittland bereits verzehrt wird und in welchen Mengen (Einzelfallprüfung).

 

Die europäische Novel-Food Verordnung ist bezüglich des Nachweises über die Neuartigkeit von Lebensmitteln/Lebensmittelzutaten eindeutig. Lebensmittelunternehmer müssen in eigener Verantwortung prüfen, ob Lebensmittel, die sie in der Union in Verkehr bringen wollen, in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen oder nicht (vgl. Art. 4).

 

Als Orientierungshilfe für Inverkehrbringer zur Ermittlung der Frage, wann ein menschlicher Verzehr in nennenswertem Umfang anzunehmen ist, hat die EU-Kommission ein Leitlinien-Dokument auf ihrer Internetseite veröffentlicht („Human Consumption to a significant Degree“). Zudem bietet die EU-Kommission auch auf ihrer Internetseite einen Katalog mit zwischen den Mitgliedstaaten abgestimmten Informationen über den Novel Food-Status vieler Lebensmittel.

 

Weitere Orientierungshilfen sind die in den EU-Ländern intern abgestimmten Listen der jeweiligen Mitgliedstaaten. Die Listen enthalten nicht nur Pflanzen bzw. Pflanzenteile, sondern auch je nachdem Pilze, Mikroorganismen, Algen und/oder bestimmte sonstige Stoffe.

Auf nationaler Ebene in Deutschland ist die Stoffliste des Bundes und der Bundesländer auf der Internetseite des BVL zu finden.

Auch andere Mitgliedstaaten wie beispielsweise Belgien, Frankreich, Italien und Dänemark haben entsprechende Listen mit Informationen über den Novel Food Status von Erzeugnissen erstellt, die als Hilfsmittel dienen können.

 

Sowohl der EU Novel Food Status-Katalog als auch die Listen der Mitgliedstaaten sind in Deutschland nicht rechtsverbindlich und erheben auch keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Diese Einstufungshilfen werden aufgrund von neuen Erkenntnissen im Lauf der Zeit immer wieder aktualisiert und dienen letztlich als Unterstützung bei der Einstufung und Beurteilung von Stoffen hinsichtlich einer Verwendung als Lebensmittel oder Lebensmittelzutat. Sie entbinden jedoch nicht den Lebensmittelunternehmer von seiner Überprüfungspflicht. Der Novel Food Katalog verweist weiterhin auch auf spezifische Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, da EU-Länder die Vermarktung eines Produkts durch spezifische Rechtsvorschriften einschränken können.

 

Konsultationsverfahren

Wenn trotz der beispielhaft genannten Hilfestellungen noch Unsicherheit über die Einstufung eines Lebensmittels als „neuartig“ besteht, können Lebensmittelunternehmer die zuständige Behörde des Mitgliedstaats, in dem sie das neuartige Lebensmittel zuerst in Verkehr bringen wollen, konsultieren (vgl. Art. 4 der EU Novel-Food Verordnung).

In Deutschland ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) die zuständige Stelle für die Konsultationsersuche (vgl. § 1 Abs. 1 der NLV). Die zuständige Behörde überprüft lediglich die vom Antragsteller gelieferten Informationen. Dabei wird ausschließlich der Novel Food Status geprüft, eine Sicherheitsbewertung erfolgt in der Regel nicht. Zudem können Empfänger-Mitgliedstaaten auch andere Mitgliedstaaten und die Kommission konsultieren, um zu entscheiden, ob das in Frage gestellte Lebensmittel in den Anwendungsbereich der EU Novel Food-Verordnung fällt oder nicht. Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/456 zu finden. (Konsultationsverfahren zum Neuartig-Status). Abbildung 1 gibt einen vereinfachten Überblick über das Verfahren:

 

Das Flussdiagramm zeigt auf vereinfachte Weise, wie die verschiedenen Akteure beim Konsultationsverfahren zusammenarbeiten.

Abbildung 1: vereinfachte schematische Darstellung des Konsultationsverfahrens

 

Die Ergebnisse der Konsultationsverfahren sind rechtsverbindlich. Eine kurze Zusammenfassung der Entscheidungen wird auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht.

 

Zulassungsverfahren

Wenn keine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel für den menschlichen Verzehr belegt werden kann, müssen neuartige Lebensmittel vor dem Inverkehrbringen einem Zulassungsverfahren unterzogen werden. Ein Zulassungsantrag wird online über das e-Submission System direkt bei der EU-Kommission gestellt (Portal für die Antragstellung). Der Antrag muss u. a. wissenschaftliche Daten enthalten, die belegen, dass das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt. Die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung wird durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) auf Basis der gelieferten Daten durchgeführt. Die EFSA hat als Hilfsmittel für Antragsteller ein Leitlinien-Dokument sowie eine Checkliste auf ihrer Internetseite veröffentlicht (beide nur auf Englisch verfügbar). Die Mitgliedstaaten werden über die Prozesse informiert und können Anmerkungen sowie Bedenken äußern, sind aber nicht für die Entscheidung zuständig.

 

Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 (Art. 10-12) sowie in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2469 über Zulassungsanträge geregelt.

 

Meldeverfahren (traditionelle Lebensmittel aus Drittländern)

Traditionelle Lebensmittel aus einem Land außerhalb der EU (Drittland), die in Europa vor 1997 nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, sind als neuartig einzustufen und unterliegen somit auch den Regelungen der EU Novel Food –Verordnung.

 

Um das Inverkehrbringen von solchen Produkten auf dem EU-Markt zu erleichtern, müssen Antragsteller keinen (aufwendigen) Zulassungsantrag stellen. Durch das Meldeverfahren gemäß Art. 14 können diese Produkte in einem kurzen Zeitraum notifiziert werden. Diese Regelungen betreffen jedoch nur neuartige Lebensmittel aus den Fallgruppen „Mikroorganismen, Pilze, Algen“, „Tiere“, „Pflanzen“ sowie „Zell- oder Gewebekulturen“. Für neuartige Lebensmittel mit „modifizierter Molekularstruktur“, aus „technisch hergestellten Nanomaterialien“ oder die „durch nicht übliche/ein nicht übliches Verfahren hergestellt wurden“ sowie „nur in Nahrungsergänzungsmitteln verwendet wurden“, gelten diese Regelungen nicht.

 

Zudem muss der Antragsteller im Meldeverfahren die Verwendungsgeschichte des neuartigen Lebensmittels als sicheres Lebensmittel in einem Drittland über mindestens 25 Jahre hinweg belegen. Das Lebensmittel muss Bestandteil der üblichen Ernährung eines signifikanten Anteils der Bevölkerung gewesen sein. Weiterhin sind auch Daten über die Zusammensetzung, die die Sicherheit des Produkts belegen, vorzulegen. Die wissenschaftliche Sicherheitsbewertung der gelieferten Daten wird auch durch die EFSA durchgeführt. Als Hilfsmittel für Antragsteller hat die EFSA auch für dieses Verfahren ein Leitlinien-Dokument auf ihrer Internetseite veröffentlicht (nur auf Englisch verfügbar).

 

Die EU-Kommission, die Mitgliedstaaten sowie die EFSA haben eine vier-monatige Frist um begründete Einwände bezüglich des Prozesses zu erheben. Bestehen keine Einwände wird das Erzeugnis von der EU-Kommission in die Unionsliste aufgenommen. Wenn jedoch Einwände bestehen, kann das Erzeugnis einem Zulassungsverfahren mit verkürzten Fristen unterzogen werden und entsprechend der Entscheidung dann auch in die Unionsliste aufgenommen werden.

 

Die genauen Regelungen für die Durchführung dieses Verfahrens sind in der Novel Food-Verordnung (EU) 2015/2283 (Art. 14-29) sowie in der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2468 über traditionelle Lebensmittel aus Drittstaaten geregelt.

Aktuell laufende Anträge

Nach der Gültigkeitsprüfung des vom Antragsteller eingereichten technischen Dossiers wird eine Zusammenfassung der Anträge (sowohl Zulassungsanträge als auch Meldungen traditioneller Lebensmittel aus Drittstaaten) auf der Internetseite der EU-Kommission veröffentlicht. Die EU-Kommission aktualisiert diese Einträge regelmäßig.

 

Unionsliste

Die Durchführungsverordnung (EU) 2017/2470 zur Erstellung der Unionsliste der neuartigen Lebensmittel (auch abgekürzt „Unionsliste“ genannt) gilt seit dem 1. Januar 2018 EU-weit und enthält alle bereits in der Union zugelassenen neuartigen Lebensmittel.

 

Die Aktualisierung der Unionsliste mit neuen zugelassenen neuartigen Lebensmitteln erfolgt durch die EU-Kommission nach den entsprechenden Zulassungs- bzw. Meldeverfahren mittels Durchführungsrechtsakten. Für die Aufnahme in die Unionsliste dürfen die Lebensmittel u. a. kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringen und den Verbraucher bezüglich ihrer Zusammensetzung nicht irreführen. Die in der Unionsliste aufgelisteten Nutzungsbedingungen, Kennzeichnungsvorschriften und Spezifikationen sind von allen Lebensmittelunternehmern beim Inverkehrbringen von Produkten ebenfalls einzuhalten.

 

Verzehr von nicht zugelassenen neuartigen Lebensmitteln im Rahmen des Zulassungsverfahrens durch Probanden

Die Unionsliste ist eine Positivliste, die alle bisher in der Europäischen Union zugelassenen neuartigen Lebensmittel enthält. Das Inverkehrbringen dort nicht aufgeführter – und somit nicht zugelassener – neuartiger Lebensmittel ist grundsätzlich verboten.

Jede Form der Weitergabe von nicht zugelassenen Erzeugnissen an Verbraucher, beispielsweise zur Verkostung bei öffentlichen Veranstaltungen wie Messen, fällt unter die Begriffsdefinition „Inverkehrbringen“ und ist somit nicht zulässig (vgl. Art. 3 Nr. 8 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002).

Jedoch können im Rahmen von Zulassungsverfahren wissenschaftliche Studien erforderlich sein, um die Sicherheit des Lebensmittels nachzuweisen. In diesen Fällen muss ein Antrag auf Zulassung der Studien bei der Kommission gestellt werden. Welche Unterlagen hierfür erforderlich sind, kann dem EFSA-Dokument „Leitlinie zu den wissenschaftlichen Anforderungen an einen Antrag“ entnommen werden. (Guidance on the scientific requirements for an application for authorisation of a novel food in the context of Regulation (EU) 2015/2283 | EFSA).

Weitere Informationen dazu können auch aus dem vom BVL erstellten Dokument „Handreichung zum Umgang mit nicht zugelassenen neuartigen Lebensmitteln“ entnommen werden.

Aktualisiert 27.10.2025

 

Artikel erstmals erschienen am 18.08.2008 13:54:34

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