Dr. Christiane Lerch (CVUA Stuttgart), Verena Bock (CVUA Karlsruhe)
Die Verwendung von Curcuma (andere Schreibweise Kurkuma) hat als Gewürz eine lange Tradition. Es gibt der Gewürzmischung Curry die besondere gelbe Farbe. Verantwortlich für die Färbung ist der enthaltene Farbstoff Curcumin. Seit einigen Jahren hat Curcuma bzw. Curcumin in Kapsel-, Tabletten- oder Pulverform aber auch als Nahrungsergänzungsmittel Konjunktur. Aufgrund von Meldungen negativer gesundheitlicher Wirkungen untersuchte das CVUA Stuttgart schwerpunktmäßig Nahrungsergänzungsmittel auf ihren Gehalt an Curcumin.
Glaubt man der Bewerbung im Internet und in den sozialen Medien, helfen Nahrungsergänzungsmittel (NEM) mit Curcuma (Indiens „heiliger Pflanze“) und Extrakten daraus bei Arthrose, Krebs, Diabetes und Alzheimer. Auch Entzündungen und Gelenkbeschwerden sollen gemildert werden. Aber diese Wirkungen sind für den Menschen wissenschaftlich nicht belegt [1] [2]. Zudem ist krankheitsbezogene Werbung für Lebensmittel EU-weit grundsätzlich verboten. Als Referenz herangezogene Ergebnisse aus Zellkultur- und Tierversuchen sind auf den Menschen nicht übertragbar. Oft werden bei solchen Versuchen sehr hohe Dosierungen von Curcumin eingesetzt, die über die Ernährung nicht erreicht werden können. Laut dem Informationsdienst des Deutschen Krebsforschungszentrums überzeugen Studiendaten zu Curcumin bisher nicht [3].
Eine von einem Unternehmen bei der EU beantragte Zulassung für die Werbeaussage „Curcumin trägt zur normalen Gelenkfunktion bei“ wurde aufgrund fehlender wissenschaftlicher Nachweise nicht genehmigt [4].
Positive Wirkungen von lebensmitteltypischen Mengen des Gewürzes Curcuma auf die Verdauung sind unbestritten. Leichte Beschwerden wie Blähungen oder ein Völlegefühl nach dem Essen können abgemildert oder vermieden werden. Eine besondere Rolle wird hier den in Curcuma enthaltenen ätherischen Ölen zugeschrieben [5].
Je nach Verzehrsmenge kann Curcuma selbst aber auch gegenteilige, unerwünschte Wirkungen entfalten. Das können Blähungen, Sodbrennen, Durchfall und erhöhte Stuhlfrequenz sowie Übelkeit oder Schmerzen im Verdauungstrakt sein. Beschwerden wurden bereits im Bereich einer täglichen Zufuhr von 180 Milligramm des Inhaltsstoffes Curcumin beobachtet. Es sind Wechselwirkungen mit Medikamenten möglich und es sind auch allergische Reaktionen bekannt [1].
Curcuma longa ist eine Pflanzenart innerhalb der Familie der Ingwergewächse (Zingiberaceae). Das in Lebensmitteln verwendete Rhizom („Curcuma“), umgangssprachlich als „Wurzel“ bezeichnet, ist intensiv gelb und wird frisch sowie getrocknet und gemahlen als Gewürz verwendet. Der gelbe Farbstoff aus Curcuma wird als „Curcumin“ bezeichnet. Curcumin gehört zur den Polyphenolen, einer Gruppe von sekundären Pflanzenstoffen. Curcuma enthält üblicherweise ca. drei bis fünf Prozent Curcumin.
Curcumin ist in der Europäischen Union als Zusatzstoff zur Färbung von Lebensmitteln zugelassen.
Bedeutend sind die in Curcumin enthaltenen drei Hauptcurcuminoide Curcumin I, II (Demethoxycurcumin (DMC)) und III (bis-Demethoxycurcumin (BDMC)), wobei Curcumin I stark dominiert. Cyclocurcumin ist nur in Spuren enthalten [6].
Im Rahmen des Zulassungsverfahrens als Zusatzstoff führte die Europäischen Behörde für Lebensmittsicherheit (EFSA) eine Sicherheitsbewertung durch. Aufgrund der Beobachtung eines verringerten Gewichtswachstums bei der zweiten Generation von Ratten wurde ein sog. Acceptable Daily Intake (ADI) abgeleitet [7].
Der ADI gibt die unter toxikologischen Gesichtspunkten abgeleitete Dosis einer Substanz wie etwa eines Lebensmittelzusatzstoffes an, die bei lebenslanger täglicher Aufnahme als unbedenklich betrachtet wird.
Der ADI von Curcumin beträgt 3 mg pro kg Körpergewicht und Tag.
Dies entspricht bei einem Erwachsenen mit 70 kg Körpergewicht einer täglichen Aufnahme von 210 mg Curcumin aus allen Quellen (Gewürz, Lebensmittelfarbstoff, NEM). Unter Berücksichtigung eines Curcumingehaltes von 3 % in Curcuma entspricht diese Menge einem Verzehr von 7 g Curcuma pro Tag.
Eine Überschreitung des ADI stellt aufgrund der bei der Ableitung dieses Wertes „eingebauten“ Sicherheitsfaktoren nicht schon per se eine akute Gefährdung für die Gesundheit dar.
In NEM wird meistens aus Curcuma extrahiertes Curcumin verwendet. Lt. Deklaration enthalten diese Extrakte i. d. R. 95 % Curcumin, aber es sind auch solche mit geringeren Gehalten auf dem Markt. Im Handel sind auch Nahrungsergänzungsmittel, die Curcuma allein oder in Kombination mit einem Extrakt enthalten. Bei den Kombinationsprodukten trägt Curcuma aufgrund des geringen Curcumingehaltes nur sehr wenig zum Gesamtgehalt an Curcumin bei.
Verschiedene Darreichungsformen von curcuminhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln
Curcuminoide besitzen nur eine geringe Bioverfügbarkeit und werden schlecht vom menschlichen Körper resorbiert. Es ist fraglich, ob mögliche Zielstrukturen im Körper tatsächlich erreicht werden. Daher werden zunehmend Produkte auf den Markt gebracht, die eine „verbesserte Bioverfügbarkeit“ versprechen. Zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit werden Verfahren angewendet, die die Stabilität der Curcuminoide sowie deren Löslichkeit erhöhen z. B. durch Zugabe von Piperin (aus Pfeffer), Mizellierung, Komplexbildung mit Cyclodextrin oder liposomale Formulierungen. Auch nanotechnologische Verfahren werden angewendet. Durch Mizellierung kann die Resorption um mehr als das Hundertfache gesteigert werden [8] [9].
Nach Erfahrungen des CVUA Stuttgart wird curcuminhaltigen NEM zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit am häufigsten ein Extrakt aus Schwarzem Pfeffer zugesetzt, der 95 % Piperin enthält. Seltener wird das piperinhaltige Gewürz Schwarzer Pfeffer verwendet.
Derzeit ist noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit eine verbesserte Bioverfügbarkeit von Curcumin dessen toxikologisches Potential verstärkt und der ADI von 3 mg pro kg Körpergewicht das ADI-Konzept überhaupt für solche Produkte anwendbar ist [8]. Auch wird eine Einstufung solcher Zubereitungen von Curcumin als „neuartige Lebensmittel“ diskutiert, die einer gesonderten Sicherheitsbewertung und Zulassung bedürfen.
Die Zugabe des reinen Stoffes Piperin bringt eine zusätzliche Problematik mit sich. Laut einer Sicherheitsbewertung des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR) sollte aus toxikologischen Gründen die tägliche Zufuhrmenge von 2 mg isoliert zugesetzten Piperins nicht überschritten werden [10] [11].
Nach Aussagen des BfR sollte die Gesamtaufnahmemenge an Curcumin den von der EFSA abgeleiteten ADI (siehe Info-Kasten) nicht überschreiten. Bei einer längerfristigen Überschreitung sind insbesondere bei empfindlichen Verbrauchergruppen gesundheitlich unerwünschte Wirkungen in Betracht zu ziehen [8]. Bereits im Jahr 2010 kritisierten die Autoren des Artikels „The dark side of curcumin“, dass bei Kurzzeitstudien, die auf den Nachweis von positiven Wirkungen von Curcumin abzielten, die Diskussion der bekannten, möglicherweise bei längerfristiger Anwendung auftretenden Nebenwirkungen vernachlässigt werden [12].
Zahlreiche Meldungen aus den letzten Jahren lassen die Schlussfolgerung zu, dass ein (übermäßiger) Verzehr von Curcumin über NEM zu negativen gesundheitlichen Wirkungen führen kann. Diverse Fälle akuter Leberentzündungen werden mit dem Verzehr curcuminhaltiger NEM in Verbindung gebracht [13] [14] [15] [16] [17]. Typisch ist ein Fallbericht aus den USA aus dem Jahr 2023, wonach eine 36jährige Frau nach sechsmonatiger Einnahme eines NEM, das einer täglichen Dosis von 2 g Curcuminextrakt entsprach, eine toxische Leberschädigung entwickelte, die sich mit Absetzen des Präparates wieder verbesserte [18].
In insgesamt 86 curcuminhaltigen Proben wurde der Gehalt an Curcumin und Piperin bestimmt sowie Kennzeichnung, Bewerbung und die Angaben im Webshop des Vertreibers begutachtet. 65 % der Proben wiesen einen Zusatz von Piperin und/oder Pfeffer auf. 76 Proben (88 %) wurden beanstandet. Kennzeichnungsmängel und die Verwendung unzulässiger krankheits- und gesundheitsbezogener Angaben waren sehr häufig.
Bei 38 Proben (44 %) überstieg die Curcuminzufuhr den ADI. Alle diese Proben enthielten einen Extrakt. Der höchste ermittelte Curcumingehalt betrug 2660 mg Curcumin pro Tag (12 x ADI), umgerechnet entspricht dies einem täglichen Verzehr von ca. 53 bis 89 g Curcuma!
Lediglich bei etwa 20 % der Proben, bei denen der Zusatz isolierten Piperins deklariert war, lag die Tagesdosis unter dem vom BfR empfohlenen Wert von 2 mg pro Tag. 39 % dieser Proben überschritten die Dosis von 10 mg Piperin pro Tag. Die höchste Tagesdosis an Piperin betrug 72 mg.
NEM sind Lebensmittel, deren Verzehr auch bei regelmäßiger Einnahme sicher sein muss. Eine Höchstmenge für Curcumin und Piperin in NEM gibt es derzeit nicht.
Bei längerfristigen Verzehr von NEM mit hohem Curcumingehalt – insbesondere wenn Verfahren zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit (z. B. Zusatz von Piperin) angewendet wurden – besteht unseres Erachtens jedoch Anlass zur Sorge. Eine gesundheitliche Beeinträchtigung ist nicht auszuschließen.
Die Zufuhr von Curcumin über NEM sollte deshalb unterhalb von 210 mg Curcumin pro Tag liegen, da auch in anderen Lebensmitteln Curcumin enthalten ist.
Die Zufuhr isolierten Piperins sollte 2 mg pro Tag (als Einzeldosis) nicht überschreiten.
Zur rationellen Untersuchung von curcuminhaltigen NEM wurde am CVUA Stuttgart eine HPLC-Methode entwickelt und validiert, die die simultane Bestimmung der Curcuminoide und Piperin ermöglicht. Die Proben werden mit Lösungsmittel extrahiert und die Substanzen mittels Diodenarraydetektor (DAD) detektiert und quantifiziert. Die Identifizierung erfolgt anhand der Retentionszeit in Verbindung mit den substanztypischen UV-Spektren. Der Curcumingehalt wird als Summe der Einzelstoffe Curcumin I, II und III erfasst.
Die prozentuale Verteilung von Curcumin I, II und III in den Proben war unterschiedlich. Bei etwa 70 % der untersuchten Proben lag das Verhältnis der Curcuminoide bei etwa 84 % (I), 14 % (II) und 2 % (III). Bei ca. 20 % der Proben betrug das Verhältnis etwa 70 % (I), 16 % (II) und 5 % (III) und bei ca. 10 % der Proben ca. 61 % (I), 20 % (II) und 19 % (III). Nur bei einzelnen Proben lag der Prozentsatz von Curcumin III über dem von Curcumin II.
Einzelne Proben fielen durch einen unüblich hohen Anteil von Curcumin I im Verhältnis zu Curcumin II und Curcumin III auf. Hier besteht der Verdacht, dass synthetisch hergestelltes Curcumin I (mit)verwendet wurde. Synthetisch hergestelltes Curcumin I ist am Markt deutlich preiswerter erhältlich als aus Curcuma extrahiertes Curcumin.
Synthetisch hergestelltes Curcumin I ist aus hiesiger Sicht als „neuartiges Lebensmittel“ anzusehen, dessen Verwendung in Lebensmitteln zugelassen werden müsste. Laut Literaturangaben können verschiedene Methoden zur Unterscheidung von synthetischem und aus Curcuma extrahierten Curcumins angewendet werden. Beispielsweise wird bei einem seit langem bekannten Syntheseverfahren ein borhaltiger Katalysator verwendet. Durch dieses Verfahren verbleiben erhöhte Rückstände des Elementes Bor im Syntheseprodukt [19]. Nach Angaben der Autoren in [20] wiesen Proben mit ausgewiesen synthetischem Curcumin Gehalte von 447, 340 und 374 mg Bor pro kg auf.
Erste Untersuchungen des CVUA Stuttgart von 32 curcuminhaltigen Proben auf den Gehalt an Bor ergaben folgendes Bild:
Borgehalt mg/kg
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Anzahl Proben
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< 5 bzw. nicht bestimmbar
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19
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> 5 bis 10
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4
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> 10 bis 100
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3
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> 100 bis 250
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5 (1 x 250 mg/kg)
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> 250
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1 (469 mg/kg)
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Eine Probe mit einem auffällig hohen prozentualen Anteil an Curcumin I (Curcumin I:II:III = 97:2:1) wies einen Gehalt an Bor von 227 mg pro kg auf. Bei der Probe mit dem höchsten Borgehalt von 469 mg/kg war die Verteilung auch auffällig (Curcumin I:II:III = 93:2:5).
Um belastbare Aussagen zur Authentizität von Curcumin aus Curcuma treffen zu können, sind weitere Untersuchungen erforderlich.
Unter Beteiligung des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) identifiziert die Arbeitsgruppe „Nahrungsergänzungsmittel“ der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörden (Heads of Food Safety Agencies – HoA WG FS) Stoffe, die nach Auffassung aller Mitglieder aufgrund eines potentiellen Risikos für die menschliche Gesundheit nicht oder nur mit Beschränkungen in Lebensmitteln, darunter NEM, verwendet werden sollten.
Deutschland und die Niederlande haben 2024 bei der EU-Kommission den Antrag gestellt, die Sicherheit von Curcumin und 11 weiterer Stoffe/Pflanzen/Pflanzenzubereitungen, die u. a. im Verdacht stehen, die Gesundheit der Leber zu gefährden, einem Prüfungsverfahren zu unterziehen [21]. Es wäre zu begrüßen, wenn in Folge dieser Prüfung über den Anhang III des Art. 8 VO (EG) 1925/2005 („Anreicherungsverordnung“) die Verwendung von Curcumin mengenmäßig beschränkt würde.
Ein besonderer Dank geht an die Mitarbeitenden der Abteilung Pflanzliche Lebensmittel am CVUA Stuttgart, die die Hauptarbeit bei der Probenuntersuchung verrichteten. Insbesondere danken wir Inge Gronbach und Heike Hauser, die sich bei der Entwicklung und Validierung der Bestimmungsmethode für Curcumin und Piperin stark eingebracht haben.
[1] Kurkuma: Fakten und Mythen, Verbraucherzentrale NRW 02.05.2024
[2] Gesundheitswerbung für Curcumin-Kapseln untersagt, Verbraucherzentrale Bundesverband 18.02.2019
[3] Was ist dran: Kurkuma bei Krebs? Dkfz. Deutsches Krebsforschungszentrum 07.10.2024
[4] Food and Feed Information Portal Database
[9] BfR Curcumin in Nahrungsergänzungsmitteln 14.12.2021
[10] Nahrungsergänzungsmittel mit Piperin,BfR 2 Go Ausgabe 1/2019
[12] Burgos-Moron, E. et al., The dark side of curcumin, IJC International Journal of Cancer, 28.01.2010