Dr. Helene Oberreuter, Martin Dyk, Dr. Jörg Rau
Sind das krankheitserregende Bakterien, die wir gerade aus dem Lebensmittel oder dem Tierkörper auf den Nährböden isolieren konnten? Oder sind es ihre ähnlich aussehenden harmlosen Verwandten? Diese Fragen können wir seit 20 Jahren in unserem Labor für Identifizierende Spektroskopie beantworten.
Manche Bakterien lösen durch pathogene Eigenschaften Krankheiten bei Mensch und Tier aus. Die Identifizierung und nähere Charakterisierung dieser Keime ist zentraler Bestandteil der Arbeit unserer mikrobiologischen Labore.
Im Zentrallabor für Lebensmittelproben im Zusammenhang mit Erkrankungsfällen untersuchen wir verdächtige Lebensmittel, um die Ursache der Erkrankungen nachzuweisen. In den Laboren der Veterinärmedizin stehen dagegen erkrankte Tiere im Fokus, z. B. um diese zu behandeln oder auch um Tierseuchen frühzeitig zu erkennen.
Für die gemeinsame Aufgabe der Erregeridentifizierung stehen uns verschiedene moderne Analysentechniken zur Verfügung. In unserem Labor für Identifizierende Spektroskopie sind dafür gerätebasierte Diagnostikmethoden täglich im Einsatz: Vor 20 Jahren wurde zur Beantwortung mikrobiologischer Fragestellungen zuerst die Methode der Fourier-Transform-Infrarot (FTIR) Spektroskopie am CVUA Stuttgart eingeführt. Seit 2013 wird die Technik durch die MALDI-TOF MS für die Identifizierung von Bakterien ergänzt. Die MALDI-TOF MS kombiniert eine Matrix-unterstützte Laser Desorption/Ionisation (MALDI) mit einem Flugzeit-Detektor (time of flight, TOF) zur Massenspektrometrie (MS).
Beide Techniken, sowohl die Infrarotspektroskopie als auch die MALDI-TOF MS, arbeiten mit in Datenbanken hinterlegten Vergleichsspektren, denen Spektren unbekannter Proben per Mustererkennung zugeordnet werden. Die MALDI übernimmt inzwischen den größten Anteil der Identifizierungen aus allen mikrobiologischen Bereichen von der veterinärmedizinischen Diagnostik bis zur Lebensmittelmikrobiologie. Dagegen wird die etwas aufwändigere, aber feiner auflösende Infrarotspektroskopie für spezielle Themen genutzt. Eine dieser Aufgaben ist die Feststellung der Erreger-Übereinstimmung, die bei der Untersuchung von Lebensmittelproben im Erkrankungszusammenhang oder bei Proben aus Tierbeständen für uns sehr wichtig ist. Beispiele für wichtige Erreger in erfolgreichen Ausbruchsaufklärungen, wie Staphylococcus aureus, Listerien oder Salmonellen, finden sich in unserer Literaturliste [1–4].
Im Labor für Identifizierende Spektroskopie fassen wir unsere Aktivitäten in einem kompakten Arbeitsgang zusammen [Abb. 1]. Zu unseren Aufgaben gehört auch die Pflege der umfangreichen Isolate-Sammlung des CVUA Stuttgart. Diese bietet uns und unseren Partnern einen wichtigen Fundus an Referenz- und Vergleichsisolaten für Qualitätssicherung und Forschung. Auszüge dieser Sammlung stellen wir im Katalog der MALDI-User Plattform transparent dar.
Seit Gründung des Labors haben wir unseren Gerätepark laufend aktualisiert. Bei der FT-IR Spektroskopie steht inzwischen die dritte Gerätegeneration im Labor, mit der wir eigene Spektrenbibliotheken für Mikroorganismen pflegen sowie eigene Methoden erstellen und zur Analyse einsetzen. Unsere erste Anschaffung war ein Fourier Transform Infrarotspektrometer IFS 28B im Jahre 2004. Dies wurde 2010 durch ein Tensor 27-Spektrometer mit HTS-XT Modul abgelöst und schließlich konnten wir Ende 2020 den neu auf dem Markt erhältlichen IR Biotyper® erwerben.
Im MALDI-Bereich fingen wir 2013 mit einem MALDI Biotyper LT-Microflex an. Das aktuelle Gerät ist nun ein Sirius (alle Geräte Bruker, Bremen bzw. Ettlingen).
Das Labor unterstützt als hausinterner Dienstleister die Routineanalytik der veterinärmedizinischen Bakteriologie, der Lebensmittelmikrobiologie und hin und wieder auch der Trinkwassermikrobiologie in mehrfacher Weise:
Die Validierung neuer Parameter wird im Rahmen unserer akkreditierten Methodik schrittweise ergänzt. Hierbei arbeiten wir mit den MALDI-Verantwortlichen der anderen Untersuchungsämter Baden-Württembergs zusammen. Die vom Bundesministerium für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit herausgegebenen Leitlinien zur Validierung im Einzellabor werden von uns konsequent umgesetzt [5].
Für die MALDI-TOF MS werden am CVUA Stuttgart neue Referenzeinträge zur Erweiterung der verwendeten kommerziellen Datenbanken erstellt, um diagnostische Lücken zu schließen. Von besonderem Interesse sind hier auch veterinärmedizinisch relevante Bakterien und filamentöse Pilze (Schimmel). Die Technik wurde inzwischen auf völlig neue, für die Lebensmittelüberwachung wichtige Anwendungsgebiete erweitert. Beispielsweise müssen wir – um mögliche Lebensmittelfälschungen aufzuklären – die in tierischen Lebensmitteln verwendeten tierischen Quellen auf ihre Art hin bestimmen. Wir können so etwa ermitteln, ob der hochwertige Büffelmozzarella tatsächlich aus Büffelmilch und nicht aus Kuhmilch hergestellt wurde oder ob einem Hirschgulasch wirklich kein Kängurufleisch beigemischt wurde [6]. Diese Artbestimmungen bei Fleisch- und Milchprodukten sowie die Unterscheidung giftiger von ungefährlichen Pflanzenarten sind durch eigene Anstrengungen per MALDI-TOF MS nun tägliche Routine [7–9].
Neue MALDI-Referenzeinträge werden nicht nur den Untersuchungsämtern des Landes zur Verfügung gestellt. Auch über unser Bundesland hinaus tauschen wir intensiv mit anderen Anwendern gut dokumentierte Referenzeinträge aus und unterstützen uns gegenseitig. Hierzu nutzen wir als Werkzeug die von uns gepflegte MALDI-TOF User Plattform https://maldi-up.ua-bw.de. Das Konzept dieser Online Plattform wurde am CVUA Stuttgart zusammen mit Mitarbeitenden des Hessischen Landeslabors entwickelt. MALDI-UP enthält inzwischen auch Datenbankergänzungen aus anderen Themenbereichen wie der Tierartunterscheidung.
Vorteile beider spektroskopischer Methoden für die Mikrobiologie ist ihre vergleichsweise kostengünstige, einfache und schnelle Handhabung: Ausgehend von einer bebrüteten Reinkultur steht das Ergebnis einer MALDI-Messung nach ca. 20 min, das Resultat einer FTIR-Messung nach ca. 40 min zur Verfügung (s. auch Infokästen). Unsere Weiterentwicklungen, Anwendungen und Beispiele unserer Validierungen publizieren wir regelmäßig in internationalen und nationalen Fachzeitschriften (Liste) sowie auf unserer Homepage. So zeigen wir, dass wir unsere Analytik für Verbraucherschutz und Tiergesundheit auf dem neuesten Stand halten.
Wir vermitteln unsere Ergebnisse und Erfahrungen darüber hinaus regelmäßig auf Tagungen, in Vorträgen oder als Poster. 2024 konnten wir bereits unseren fünften Kurs zur MALDI-TOF MS am CVUA Stuttgart durchführen, bei dem wir kollegial vom Landesbetrieb Hessisches Landeslabor in Gießen und dem CVUA Freiburg unterstützt wurden. Ein weiteres Highlight war 2022 die Experten-Mission durch einen Mitarbeiter unseres Teams nach Marokko, der vor Ort im dortigen Referenzlabor der ONSSA (L'Office National de Sécurité Sanitaire des Produits Alimentaires) sein Wissen weitergeben konnte.
Abb. 1: Arbeitsgang im Labor für identifizierende Spektroskopie:
Die mit verschiedensten Methoden isolierten Mikroorganismen werden mittels MALDI-TOF MS bis zur Speziesebene identifiziert. Die Infrarotspektroskopie (FT-IR) wird für feinere Zuordnungen beispielsweise bis zur Serogruppe oder für die Kontaminationsroutenanalyse eingesetzt. Neue Referenzeinträge werden aus der Isolatesammlung des CVUA Stuttgart ergänzt.
Die praktische Durchführung der MALDI-TOF MS ist sehr einfach: Eine kleine Menge einer frisch kultivierten Bakterienkolonie wird auf einem Probenträger aus Stahl verrieben und mit einer Substanz, der sogenannten Matrix, überschichtet. Der Träger wird in das Gerät gegeben, wo die Probe mit Hilfe dieser Matrix durch einen gepulsten Laser schonend ionisiert wird. Innerhalb weniger Sekunden werden im Anschluss die Massenspektren im Bereich von 2.000 bis 20.000 Dalton aufgezeichnet.
Aus dem Spektrum wird unmittelbar in Folge eine Liste der erkannten Massen erzeugt und diese mit den Referenzeinträgen in einer Datenbank verglichen. Dadurch werden unbekannte Mikroorganismen identifiziert. Das Ergebnis erhält man in nur wenigen Minuten. Bisherige Validierungen zeigen eine hohe Zuverlässigkeit der Methode, die durch ihre Flexibilität zu einer wachsenden Anwendungsbreite führt.
Auch bei der FT-IR ist die Präparation simpel: Reinkulturen der Isolate werden in Wasser suspendiert, auf einen Silizium-Probenträger aufgetragen und getrocknet. Das Infrarotspektrum des Bakterienfilmes wird am FT-IR Spektrometer im Durchlicht (Transmission) aufgenommen. Dieses IR-Spektrum ergibt ein Muster, das wie ein Fingerabdruck für das jeweilige Isolat sehr spezifisch ist. Somit sind Auswertungen für Zuordnungen auch unterhalb der Speziesebene, wie beispielsweise der Serogruppe, oder sogar eine Kontaminationsroutenanalyse möglich. Das Messprinzip: Die FT-IR bildet die Gesamtheit der biochemischen Zusammensetzung der Mikroorganismen ab. Durch Infrarot-Strahlung (Wärmestrahlung) werden Moleküle zu Bewegungen (Schwingungen, Rotationen) angeregt. Bestimmte Bindungen in chemischen funktionellen Gruppen nehmen dabei Strahlung definierter Energie auf. Die Absorptionen der molekularen Bindungen in Molekülen wie Fetten, Proteinen oder Ribonukleinsäuren bei unterschiedlichen Wellenlängen des infraroten Lichtes führen zu einem charakteristischen Gesamtspektrum, das den aktuellen stofflichen Status (Phänotyp) der Zellen wiedergibt. Durch Standardisierung der Anzuchtbedingungen können für die Isolate reproduzierbare Spektren erzeugt werden, die – einem Fingerabdruck gleich – ein typisches Muster für dieses Isolat darstellen. Die Technik zeigt zum Teil mit Hilfe Künstlicher Neuronaler Netze eine sehr gute Auflösung in taxonomischen Bereichen weit unter der Speziesebene. Die FT-IR besticht neben ihrem einfachen Arbeitsablauf durch ihre hohe Geschwindigkeit bei gleichzeitig geringen Verbrauchskosten.
Alle Bilder © Jörg Rau, CVUA Stuttgart