Baden-Württemberg

Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit

Furan in Babynahrung – eine unterschätzte Gesundheitsgefahr?

Doris Metschies, Tobias Morlock (beide CVUA Freiburg), Dr. Maren Hegmanns, Irene Straub, Katja Kaltenbach (alle CVUA Karlsruhe)

 

Bei der Herstellung von Kinder- und Säuglingsnahrung kann sich Furan bilden, ein gesundheitlich bedenklicher Stoff, der durch Erhitzen entsteht. Säuglinge und Kleinkinder stellen eine besonders empfindliche Verbrauchergruppe dar. Aus diesem Grund haben die Chemischen und Veterinäruntersuchungsämter Freiburg und Karlsruhe in den letzten zwei Jahren 60 verschiedene Produkte Säuglings- und Kleinkindernahrung auf Furan und mit Furan verwandte Stoffe untersucht und beurteilt. Besonders bei den Gemüsezubereitungen zeigten sich teilweise starke Belastungen. Im Vergleich zum Jahr 2010 haben die Gehalte jedoch abgenommen.

 

Produktpbeispiele der untersuchten Proben

Was sind Furane?

Furan ist eine farblose, leicht flüchtige und geruchslose organische Substanz. Furan, sowie die verwandten Verbindungen 2- und 3-Methylfuran sind „erhitzungsbedingte Kontaminanten“. Besonders hohe Gehalte an Furan wurden in gerösteten Lebensmitteln (z. B. Kaffee, Kakao, Nüsse, Toastbrot, Popcorn) oder in Lebensmitteln, die in geschlossenen Behältern erhitzt wurden (z. B. Konserven, Fertiggerichte, Säuglings- und Kleinkindernahrung) nachgewiesen. Furane bilden sich nach aktuellem Kenntnisstand aus einer Vielzahl von Substanzen, die natürlicherweise in Lebensmitteln vorkommen, darunter Vitamin C, Kohlenhydrate, Aminosäuren, ungesättigte Fettsäuren und Carotinoide.[1]

Für einen Erwachsenen (durchschnittlicher Verbraucher) besteht durch den Verzehr von Lebensmitteln, die Furan enthalten, nur ein geringes gesundheitliches Risiko. Die Furanaufnahmemenge hängt maßgeblich von den Essgewohnheiten und dem Alter ab [2]. Bei Erwachsenen ist der Kaffeekonsum als Hauptaufnahmeweg von Furan anzusehen [1].

Problematisch: Aufnahme von Furan bei Säuglingen und Kleinkindern

Säuglinge und Kleinkinder sind besonders von der ungewollten Belastung durch Furan betroffen, da sie aufgrund des regelmäßigen Verzehrs von Fertigprodukten in Gläschen oder Schalen höhere Mengen an Furan aufnehmen können [1, 2]. Durch ihr geringes Körpergewicht nimmt die empfindliche Verbrauchergruppe der Säuglinge und Kleinkinder tendenziell mehr Furan pro Kilogramm Körpergewicht auf als Erwachsene [1]. Anhand der verfügbaren Datenlage zur Toxizität beim Menschen kann derzeit noch nicht beurteilt werden, ob diese zwar relativ hohe, jedoch zeitlich begrenzte Aufnahme an Furan im Säuglings- und Kleinkinderalter insgesamt ein erhöhtes Gesundheitsrisiko darstellt. Aufgrund der besonderen Empfindlichkeit von Säuglingen und Kleinkindern ist die Furanbelastung von Säuglings- und Kleinkindernahrung dennoch kritisch zu beurteilen [1].

 

Getreidebrei-BeikostDas Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Karlsruhe untersucht bereits seit 2004 Furan in verschiedenen Lebensmitteln in seiner Funktion als Zentrallabor für die Bestimmung von Furan [3, 4] mittels Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS). Im Jahr 2010 lag der Fokus auf der Babynahrung. In einem gemeinsamen Projekt mit dem Zentrallabor für Säuglings- und Kleinkindernahrung am CVUA Freiburg wurden in den Jahren 2018 und 2019 folgende Produkte auf Furan untersucht: 117 verschiedene Proben aus den Kategorien Säuglingsanfangs- und Folgenahrung, Getreidebeikost, Komplettmahlzeiten (Fertigmahlzeiten mit Gemüse- und Fleischanteil) und Beikost auf Obst- oder Gemüsebasis.

Das Ergebnis

111 der 117 in den Jahren 2010 und 2018/2019 untersuchten Proben wiesen nachweisbare Furangehalte auf. Hierbei zeigte sich, dass insbesondere Gemüsebeikost, aber auch Komplettmahlzeiten mit bis zu 200 µg/kg die größte Furanbelastung der Säuglings- und Kleinkindernahrung aufweisen (s. Abbildung 1). Daneben trägt auch Obst- und verzehrfertige Getreidebeikost zur Aufnahme der Kontaminante bei. Säuglingsanfangs- und Folgenahrungen, bei denen es sich um Anfangs- und Folgemilch handelt, wiesen vergleichsweise geringe Furangehalte auf.

 

Vergleicht man die gemessenen Furangehalte aus 2010 mit denjenigen von 2018/2019, so ist eine deutliche Abnahme des Furangehalts zu erkennen. Die Reduzierung lässt vermuten, dass sich die Herstellungspraxis verbessert hat. Dennoch sind die aktuell ermittelten Furangehalte teilweise noch als kritisch anzusehen (vgl. MOE-Berechnung weiter unten).

 

Abbildung 1

Abbildung 1: Ermittelte durchschnittliche Furangehalte (in µg/kg) mittels GC-MS nach Kategorie im Vergleich der Zeiträume 2010 und 2018/19. Zusätzliche Darstellung des höchsten ermittelten Furangehalts der einzelnen Kategorie. Probenanzahl: Säuglingsanfangs- und Folgenahrung 1 (2010), 9 (2018/19); Getreidebeikost 4 (2010), 14 (2018/19); Komplettmahlzeiten 19 (2010), 12 (2018/19); Beikost auf Obstbasis 9 (2010), 9 (2018/19); Beikost auf Gemüsebasis 32 (2010), 12 (2018/19).

Mögliche Gesundheitsrisiken im Zusammenhang mit Furan?

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat am 28. Mai 2020 die „Fragen und Antworten zu Furan in Lebensmitteln“ aktualisiert [1] und bezieht sich auf die umfassende Bewertung des gesundheitlichen Risikos durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) von 2017. Demnach gibt das Ausmaß der Exposition gegenüber Furan in Lebensmitteln Anlass zu gesundheitlichen Bedenken [2]. Im Tierversuch zeigte sich, dass Furan bei langfristiger Aufnahme zu Leberschäden führen kann. Die Aufnahme hoher Dosen führte darüber hinaus zu Leberkrebs [1,2]. Eine Übertragung der Befunde aus den Tierversuchen auf den Menschen ist zurzeit nur bedingt möglich, belastbare Informationen über die Wirkung von Furan beim Menschen liegen aktuell nicht vor [1]. Aufgrund der Datenlage aus den Tierversuchen können möglicherweise langfristige Leberschäden oder Leberkrebs durch die Exposition mit Furan der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht ausgeschlossen werden [1,2]. Sichere Grenzwerte für Furan oder eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge wurden bisher in Deutschland oder der EU noch nicht festgelegt. Zur Abwägung möglicher Sicherheitsbedenken kann der sogenannte Margin of Exposure (MOE, siehe Infobox) genutzt werden [1,5].

Margin of Exposure (MOE)

Der MOE (manchmal als “Sicherheitsabstand“ bezeichnet) wird als Abstand zwischen zwei Größen berechnet: Der Dosis, bei der erstmals eine kleine, jedoch messbare schädliche Wirkung auf die Gesundheit beobachtet wird, und der geschätzten Aufnahmemenge der Substanz durch den Menschen.

 

Die Dosis, die eine kleine, jedoch messbare schädliche Wirkung hervorruft, wird als Benchmark Dose (BMDL)10 bezeichnet und in Mikrogramm (µg) pro Kilogramm (kg) Körpergewicht (KG) und Tag angegeben. Für Furan wurde durch Tierversuchsstudien eine BMDL10 von 64 µg/kg KG pro Tag für nicht kanzerogene
(= nicht krebserregende) Wirkung und von 1.310 µg/kg KG pro Tag für kanzerogene Wirkungen abgeleitet.

 

Als toxikologisch unbedenklich werden üblicherweise Furangehalte in Lebensmitteln angesehen, die für die nicht kanzerogene Wirkung um den Faktor ≥ 100 und für die kanzerogene Wirkung um den Faktor ≥ 10.000 unterhalb der o. g. Werte liegen [5]. Das Ausmaß eines Risikos verhält sich umgekehrt proportional zum MOE, d. h. je weiter der MOE unter 100 bzw. 10.000 liegt (also je kleiner er ist), desto größer ist das Risiko und desto dringlicher sind Minimierungsmaßnahmen.

Beurteilung der Furanbelastung in Säuglings- und Kleinkindernahrung durch den MOE anhand der mittleren gefundenen Gehalte aus 2018/2019

Die Berechnungen zeigen deutlich auf, dass sowohl der Sicherheitsabstand für kanzerogene Effekte als auch der für die nicht kanzerogenen Effekte bei den Erzeugnissen Beikost auf Gemüsebasis und Komplettmahlzeiten für die mittleren gefundenen Gehalte nicht eingehalten werden (siehe Tabelle 1). In der Kategorie direkt verzehrfertiger Getreidebrei auf Milchbasis wurden drei Proben untersucht, der Sicherheitsabstand für kanzerogene Effekte kann auch hier nicht eingehalten werden. Bei Getreidebrei, der zum Verzehr mit Milch oder Wasser zubereitet wird, und bei Beikost auf Obstbasis liegt der berechnete MOE über 100 bzw. 10.000. Für diese Produktkategorien bestehen somit keine Sicherheitsbedenken.

Tabelle 1: MOE-Werte der verschiedenen Produktkategorien berechnet mit den mittleren gefundenen Furan-Gehalten (Verzehrmenge 190 g-Gläschen bzw. 50 g Getreidebrei-Pulver, Säugling 8 kg Körpergewicht (ca. 7 Monate)) [6]

Tabelle1

 

Derzeit existieren für Furan keine gesetzlich festgelegten Höchstgehalte. Daher wurden die Probenergebnisse nach dem MOE-Konzept ausgewertet und bei Überschreiten der Sicherheitsabstände Gutachten erstellt, in denen hierauf hingewiesen wurde. Die Lebensmittelüberwachung empfahl in diesen Fällen den Herstellern und Inverkehrbringern, die Überwachung der Furangehalte in ihre Eigenkontrollmaßnahmen zu integrieren und an einer Minimierung zu arbeiten.

Mit Furan verwandte Verbindungen

2018 und 2019 wurden von den CVUAs zusätzlich die Gehalte an 2-Methylfuran und 3-Methylfuran in den gleichen Produkten bestimmt. 2-Methylfuran und 3-Methylfuran sind chemisch verwandte Verbindungen zu Furan, die ebenfalls natürlicherweise bei der Erhitzung von Lebensmitteln entstehen können [2]. Sie stehen auch im Verdacht gesundheitsschädlich zu sein. Daher ist eine Berücksichtigung dieser Verbindungen bei der Einschätzung des Risikos der Verbraucherinnen und Verbraucher bezüglich der Aufnahme von Furanverbindungen bedeutsam.

 

Die gefundenen Gehalte an 2-Methylfuran und 3-Methylfuran in Babynahrung liegen, wie in Abbildungen 2 zu sehen, deutlich unter den gefundenen Gehalten an Furan. Bei 16 der 57 untersuchten Proben lag der Gehalt an 2-Methylfuran unter der Bestimmungsgrenze, 3-Methylfuran war nur in 13 Proben bestimmbar.

 

Abbildung 2

Abbildung 2: Durchschnittliche via GC-MS 2018/19 ermittelte Gehalte an Furan, 2-Methylfuran und 3-Methylfuran (in µg/kg) nach Säuglings- und Kleinkindernahrungskategorie. Probenanzahl: Säuglingsanfangs- und Folgenahrung 9, Getreidebeikost 14, Komplettmahlzeiten 12, Beikost auf Obstbasis 9, Beikost auf Gemüsebasis 12.

 

Die Europäische Kommission hat im Jahre 2007 eine Empfehlung über ein Monitoring zum Vorkommen von Furan in Lebensmitteln veröffentlicht [9]. Auch die amtlichen Untersuchungsämter der Lebensmittelüberwachung in Baden-Württemberg haben ihre Ergebnisse der EFSA zur Verfügung gestellt. Aktuell hat die EFSA aufgerufen, u. a. auch Daten zu 2-Methylfuran, 3-Methylfuran sowie 2,5-Dimethylfuran, 2-Ethylfuran und 2-Pentyfuran zu sammeln und ihr kontinuierlich zu übermitteln [10].

Veränderung der Furangehalte während der Lagerung

Studien hatten gezeigt, dass es bei der Lagerung von Orangensaft zu einer Zunahme von Furan kommen kann [7]. Deshalb wurde im Rahmen eines weiteren Projektes 2019/2020 auch der Frage nachgegangen, ob es während der Lagerung von Säuglings- und Kleinkindernahrung zu einer Zunahme von Furan kommen kann. Insgesamt wurden 5 verschiedene Produkte getestet, die in Großhandelslagern oder direkt beim Hersteller erhoben wurden. Es wurden drei Gemüsezubereitungen für Säuglinge und Kleinkinder, sowie zwei Mahlzeiten für Säuglinge mit Rindfleisch bzw. Geflügel ausgewählt.

 

Für den Versuch wurden zu Beginn der Studie von jeder Probe jeweils 5 Gläschen von insgesamt 17 desselben Produktes identischer Chargenbezeichnung untersucht. Im Abstand von 3 Monaten bis zu einer Lagerungsdauer von 12 Monaten erfolgten weitere Untersuchungen mit 3 Gläschen. Es erfolgte jeweils eine Dreifachbestimmung.

 

Bei der Lagerung von Babynahrung kam es bei allen 5 untersuchten Produkten zu keiner signifikanten Änderung des Furangehaltes (siehe Abbildung 3). Es ist davon auszugehen, dass beim Lagern von Säuglings- und Kleinkindernahrung kein zusätzliches Furan gebildet wird. Es konnte jedoch auch keine Abnahme des Furangehaltes beobachtet werden. Exemplarisch ist in der Abbildung 3 der Verlauf des Furangehaltes über den Untersuchungszeitraum anhand einer der fünf Proben dargestellt. Auffällig ist, dass die Ergebnisse der Untersuchungen von 3 Gläschen bereits eine Streuung aufweisen.

 

Abbildung 3: Veränderung des Furangehaltes während der Lagerung, fünf Messungen in einem Zeitraum von 1 Jahr

Abbildung 3: Veränderung des Furangehaltes während der Lagerung (5 Messzeitpunkte in einem Zeitraum von 1 Jahr)

Empfehlungen für Verbraucherinnen und Verbraucher

BeikostgläschenAufgrund der Flüchtigkeit von Furan können Verbraucherinnen und Verbraucher die Furangehalte in Fertigmahlzeiten für Säuglinge und Kleinkinder reduzieren, in sie das Produkt im Heißwasserbad ohne Deckel und unter Umrühren erhitzen [1,2].

In aus frischen Lebensmitteln hergestellter Säuglings- und Kleinkindernahrung sind ebenfalls geringere Furangehalte als in Fertigmahlzeiten zu erwarten, sofern diese bei der Zubereitung nicht zu stark erhitzt werden [1]. Dies konnte das CVUA Karlsruhe bereits mit Untersuchungen an selbst hergestellter Babynahrung belegen [4, 8].

Generell können Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Furanexposition durch eine abwechslungsreiche Ernährung und moderate Essenszubereitungsbedingungen herabsetzen [2].

 

Quellen

  1. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): Fragen und Antworten zu Furan in Lebensmitteln, aktualisierte FAQ des BfR vom 28. Mai 2020
  2. Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA): Furan in Lebensmitteln – EFSA bestätigt gesundheitliche Bedenken, Pressemitteilung vom 25.10. 2017
  3. Kuballa, Thomas in (2008) Furan in Lebensmitteln
  4. Dirk W. Lachenmeier, Helmut Reusch & Thomas Kuballa (2009) Risk assessment of furan in commercially jarred baby foods, including insights into its occurrence and formation in freshly home-cooked foods for infants and young children, Food Additives & Contaminants: Part A, 26:6, 776-785, DOI: 10.1080/02652030802714018
  5. EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain (CONTAM) (2017) Risks for public health related to the presence of furan and methylfurans in food, , EFSA Journal 2017;15(10):5005
  6. Gewichtstabelle von Säuglingen und Kleinkindern der Weltgesundheitsorganisation (WHO) abgerufen unter: http://www.who.int/childgrowth/standards/weight_for_age/en/
  7. Palmers et al (2015) A kinetic study of furan formation during storage of shelf-stable fruit-juices, J. Foodeng 165, 74-81
  8. Pressemitteilung CVUA KA 1/2010
  9. Europäische Kommission (2007): Empfehlung der Kommission (2007/196/EG) vom 28. März 2007 über ein Monitoring zum Vorkommen von Furan in Lebensmitteln
  10. EFSA (2020): Call for continuous collection of chemical contaminants occurrence data in food and feed

 

 

Bildnachweis

alle CVUA Freiburg

 

Artikel erstmals erschienen am 27.08.2020 11:32:58

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