Ellen Scherbaum, Dr. Christiane Lerch
Foto: wasanajai/shutterstock.com
Allgemeine Informationen zum Moringabaum und den Untersuchungsergebnissen der Vorjahre finden Sie in unserem Beitrag Nicht besonders super - das Superfood Moringa.
Moringa oleifera ist für die Ernährung der Bevölkerung in afrikanischen und asiatischen Ländern eine wertvolle Pflanze und in verschiedenster Hinsicht auch von ökologischer Bedeutung [1], [2], [3].
Bei dem hierzulande verfügbaren Lebensmittelangebot und der Versorgungslage erscheint es jedoch nicht sinnvoll, Moringa in Form von Nahrungsergänzungsmitteln oder anderen Produkten zu konsumieren. Ein besonderer ernährungsphysiologischer Nutzen ist nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand nicht zu erwarten [4].
Auffällig war erneut der hohe Anteil an Proben mit einer oder mehreren Überschreitung(en) der Höchstmenge an Pestiziden (9 von 11 Proben). Ferner wurde in sechs von sieben als Öko-Ware gekennzeichneten Proben diese Bezeichnung als irreführend beurteilt, da chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel nachgewiesen wurden, die im ökologischen Landbau nicht zugelassen sind.
Bezeichnung | Öko-Label | Anzahl Wirkstoffe | Überschreitung einer Höchstmenge | „Öko“ als irreführend beanstandet | Gehalt an Perchlorat > 0,1 mg/kg |
---|---|---|---|---|---|
Moringa Blattpulver 1 | Nein | 16 | Ja | - | Ja |
Moringa Blattpulver 2 | Ja | 7 | Ja | Ja | Ja |
Moringa Blattpulver 3 | Ja | 5 | Nein | Nein | Ja |
Moringa Blattpulver 4 | Nein | 3 | Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert | - | Ja |
Moringa Blattpulver 5 | Ja | 2 | Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert | Ja | Ja |
Moringa Blattpulver 6 | Ja | 6 | Ja | Ja | Ja |
Moringa Blattpulver 7 | Nein | 7 | Ja | - | Ja |
Moringa Blattpulver 8 | Nein | 6 | Nein | - | Ja |
Moringa Blattpulver 9 | Ja | 7 | Hinweisgutachten Überschreitung nicht gesichert | Ja | Ja |
Moringa Blattpulver 10 | Ja | 8 | Ja | Ja | Nein |
Moringa Blattpulver 11 | Ja | 3 | Ja | Ja | Ja |
Für Moringablätter sind keine speziellen Höchstmengen festgesetzt. Sie wurden wie getrocknete Kräutertees (z. B. Ginkgoblätter) beurteilt, da es sich ebenfalls um getrocknete Blätter handelt. Zudem wird das Moringablattpulver in vergleichbarer Menge wie Tee verwendet, im Gegensatz zu Teeblättern wird das Pulver jedoch direkt verzehrt.
Probennummer | Öko | Pestizidname | Gehalt mg/kg | Bewertung |
---|---|---|---|---|
Moringa Blattpulver 1 | Nein | Acetamiprid | 0,12 | > HM |
BAC (n=8, 10, 12, 14, 16, 18) | 0,15 | > HM, nicht gesichert | ||
Chlorat | 0,012 | > HM, nicht gesichert | ||
Cypermethrin | 4,1 | > HM | ||
Deltamethrin | 0,16 | > HM | ||
Emamectin B1a/B1b | 0,021 | > HM, nicht gesichert | ||
Fipronil, Summe | 0,089 | > HM | ||
Lufenuron | 0,15 | > HM | ||
Methomyl, Summe | 1,1 | > HM | ||
Permethrin | 1,7 | > HM | ||
Profenofos | 0,15 | > HM | ||
Moringa Blattpulver 2 | Ja | DEET | 0,072 | > HM |
Iprobenfos | 0,19 | > HM | ||
Moringa Blattpulver 4 | Nein | Trimethylsulfonium-Kation | 0,078 | > HM, nicht gesichert |
Moringa Blattpulver 5 | Ja | Trimethylsulfonium-Kation | 0,067 | > HM, nicht gesichert |
Moringa Blattpulver 6 | Ja | Nikotin | 16,0 | > HM |
Propamocarb | 0,057 | > HM, nicht gesichert | ||
Trimethylsulfonium-Kation | 0,091 | > HM, nicht gesichert | ||
Moringa Blattpulver 7 | Nein | Nikotin | 0,71 | > HM, nicht gesichert |
Trimethylsulfonium-Kation | 0,12 | > HM | ||
Moringa Blattpulver 9 | Ja | Ametryn | 0,020 | > HM, nicht gesichert |
Moringa Blattpulver 10 | Ja | Chlorat | 0,034 | > HM |
Moringa Blattpulver 11 | Ja | Bromid | 109 | > HM, nicht gesichert |
Trimethylsulfonium-Kation | 0,29 | > HM |
In einer Probe wurde Nikotin mit einem Gehalt von 16 mg/kg Probe nachgewiesen. Unter Berücksichtigung der auf dem Probenetikett angegebenen Tagesverzehrsmenge von 15,5 g berechnet sich bei einem Erwachsenen mit einem durchschnittlichen Körpergewicht von 70 kg eine einmalige Aufnahmemenge von 0,25 mg Nikotin pro Tag. Das entspricht einer Ausschöpfung der Akuten Referenzdosis von 438 %. Die Probe wurde deshalb als nicht sicher im Sinne von Art. 14 Abs. 1 der VO (EG) 178/2002 beurteilt. Im Zuge der weiteren Ermittlungen wurde ein externer Toxikologe hinzugezogen, der die Probe als gesundheitsschädlich einstufte.
Wirkstoff | Wirkungsweise | Bemerkung |
---|---|---|
Ametryn | Herbizid | |
BAC (n = 8, 10, 12, 14, 16, 18) | Bakterizid | Eintrag vermutlich über Desinfektionsmittel |
Bromid | Entwesung | Aus Methylbromid |
Chlorat | Herbizid | Eintrag vermutlich über Chlorung von Wasser |
Cypermethrin | Insektizid, Pyrethroid | Auch im Vorratsschutz verwendet |
DEET | Repellent | Vermutlich über Kontamination |
Deltamethrin | Insektizid, Pyrethroid | Auch im Vorratsschutz verwendet |
Emamectin B1a/B1b | Insektizid | |
Fipronil, Summe | Insektizid, Akarizid | |
Iprobenfos | Fungizid, Phosphorsäureester | |
Lufenuron | Insektizid | |
Methomyl, Summe | Insektizid | |
Nikotin | Insektizid | Auch aus Tabak |
Permethrin | Insektizid, Pyrethroid | Auch im Vorratsschutz verwendet |
Profenofos | Insektizid, Phosphorsäureester | |
Propamocarb | Fungizid | |
Trimethylsulfonium-Kation | Herbizid (-bestandteil) | Bestandteil von Glyphosatpräparaten (Gegenion) |
Wie in Tabelle 1 dargestellt, enthielten 10 der 11 Proben Gehalte an Perchlorat über 0,1 mg/kg. Perchlorate sind Salze der Perchlorsäure. Sie sind in Wasser leicht löslich und in der Umwelt persistent. Die industrielle Verwendung der Perchlorate ist umfangreich und sehr vielfältig: Sie werden in der metallverarbeitenden Industrie, in der Papierveredelung, als Entwässerungsmittel, Oxidationsmittel sowie als Spreng- und Treibstoffe eingesetzt. Dieser weitverbreitete industrielle Einsatz von Perchloraten könnte ein Grund für die Kontamination von Lebensmitteln sein. Des Weiteren sind Einträge durch Düngereinsatz und künstliche Bewässerung möglich (Bericht des Umweltbundesamtes). Der Ständige Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel (SCoPAFF) hat auf Vorschlag der EU-Kommission Referenzwerte für Perchlorat in Lebensmitteln festgesetzt, die nicht überschritten werden sollen. In vier der untersuchten Proben lag der Perchlorat-Gehalt über dem derzeit gültigen Referenzwert für Tee von 0,75 mg/kg. Der verantwortliche Lebensmittelunternehmer sollte im Rahmen von Eigenkontrollmaßnahmen mögliche Ursachen des festgestellten Rückstandsgehaltes ermitteln und wirkungsvolle Maßnahmen zur Minimierung der Rückstände ergreifen.
Bisher gab der Gehalt an polycyclischen Kohlenwasserstoffen (PAK) und den Schwermetallen Blei, Cadmium und Quecksilber bei keiner der am CVUA Stuttgart untersuchten Moringa-Proben Grund zur Beanstandung.
Allgemeine Informationen zur Belastung von „Superfoods“ mit Schadstoffen erhalten Sie hier .
Übertriebene Behauptungen zum Nährstoffgehalt waren an der Tagesordnung. Vielfach fehlten die gesetzlich vorgeschriebenen Mengenangaben zu den beworbenen Inhaltsstoffen. Dadurch wird dem Verbraucher verschwiegen, dass in der täglich verzehrten Menge z.T. nur sehr geringe Mengen enthalten sind.
Im Allgemeinen erfolgen Gehaltsangaben von Nährstoffen bezogen auf 100 g. Bei Lebensmitteln wie Moringablattpulver und bei Nahrungsergänzungsmitteln mit Moringa ist zu beachten, dass lt. Etikettierung i.d.R. deutlich geringere Mengen verzehrt werden sollen. Eine Bewerbung ist nur berechtigt, wenn in 100 g bzw. in der empfohlenen Tagesportion eine ernährungsphysiologisch relevante Menge eines Stoffes enthalten ist.
Bei Vitaminen und Mineralstoffen muss zusätzlich deklariert werden, wieviel Prozent des jeweiligen Tagesbedarfes in 100 g oder der empfohlenen Portion enthalten ist. Dies erfolgt i.d.R. in Form der Angabe „% NRV – Nutrient Reference Value“. Die Angabe eines Vitamins oder Mineralstoffes ist nur erlaubt, wenn mindestens 15 % des NRV gedeckt werden – bei Hinweis auf einen „hohen Nährstoffgehalt“ müssen es mindestens 30 % des NRV sein.
Skepsis ist geboten bei Produkten, die eine besonders hohe Nährstoffzufuhr versprechen, ohne dass konkrete Angaben dazu erfolgen.
Neben der prinzipiell vorgeschriebenen allgemeinen Nährwertdeklaration ist jeder beworbene Stoff konkret zu bezeichnen und die Menge in 100 g bzw. der empfohlenen Tagesdosis anzugeben.
Ein lapidarer Hinweis auf das Vorhandensein von „antioxidativen Stoffen“ und einen „hohen ORAC-Wert“ ist z.B. ungenügend.
Werden Erzeugnisse über das Internet an Verbraucher verkauft, müssen die Pflichtangaben nicht nur auf der Produktpackung vorhanden sein, sondern dem Käufer bereits vor dem Kauf im Internet zur Verfügung gestellt werden.
Häufig wurde in der Werbung für Moringa die Höhe des „ORAC-Wertes“ besonders herausgestellt und behauptet, dass „der besonders hohe Antioxidantiengehalt von Moringa vor Zellschäden schützt“. Bei der Bestimmung des sogenannten ORAC-Wertes (Oxygen Radical Absorbance Capacity) handelt es sich um eine „In-vitro-Methode“ zur Bestimmung des antioxidativen Gesamtpotentials – also lediglich um ein „im Reagenzglas“ durchgeführtes Verfahren.
Für die Ernährung ist dieser Wert ohne Belang.
Mit der Werbung wird der Eindruck vermittelt, in der Höhe des ORAC-Wertes würde sich das Ausmaß der (positiven) antioxidativen Wirkung im menschlichen Körper widerspiegeln. Für diesen Zusammenhang gibt es allerdings keine wissenschaftlich fundierten Nachweise.
Weitere allgemeine Informationen zu Antioxidantien und dem ORAC-Wert erhalten Sie auch hier.
[1] Foidl, N., Makkar, HPS, Becker K. (2001): The potential of Moringa oleifera for agricultural and industrial use. Dar Es Salam October 20th.November 2nd 2001
[2] Food and Agricultural Organization (FAO): Traditional crop of the month: Moringa (26.01.2017)
[3] Saini, R.K., Sivanesan I., Keum, Y.-S.: Phytochemicals of Moringa oleifera: a review of their nutritional, therapeutic and industrial significance. 3 Biotech. (2016) 6:203
[4] Bechtold, A.: Moringa: Sinn und Unsinn des „Superfoods“, Ernährungslehre & Praxis, Ernährungs-Umschau Nov. 2016