Baden-Württemberg

Die Untersuchungsämter für Lebensmittelüberwachung und Tiergesundheit

Pyrrolizidinalkaloide in Honig - ein ernsthaftes Problem?

Björn Hardebusch (CVUA Freiburg), Marc Ohmenhäuser (CVUA Freiburg) und Roland Perz (CVUA Stuttgart)

 

Im Rahmen der Etablierung einer Untersuchungsmethode zur Bestimmung von giftigen Pyrrolizidinalkaloiden (PA) in Lebensmitteln wurden an den CVUAs in Freiburg und Stuttgart über 120 Honige untersucht. Die Ergebnisse der Untersuchungen liegen nun vor. Danach sind Honige aus Baden-Württemberg bis auf wenige Ausnahmen nicht belastet. Anders sieht es teilweise bei ausländischen Erzeugnissen aus.

Vieles, was die Natur hervorbringt, ist bisweilen mit Vorsicht zu genießen. Die Giftwirkung von Jakobskreuzkraut oder Jakobsgreiskraut und verwandten Arten beispielsweise stellt nicht nur ein Problem für Rinder und Pferde unmittelbar auf der Weide dar, sondern kann auch eine Quelle unerwünschter und giftiger Stoffe in Lebensmitteln sein. Durch den Fund von einigen Blättern Gemeinen Greiskrauts als Verunreinigung in einer Packung Rucola-Salat sind die zugrunde liegenden giftigen Stoffe, die sogenannten Pyrrolizidinalkaloide in den Fokus der Öffentlichkeit geraten. Die PA sind außerordentlich giftig, können schwere Leberschäden verursachen und erwiesen sich im Tierversuch z.T. als krebserregend und erbgutschädigend.

 

Seit man vor wenigen Jahren bei Untersuchungen in den Niederlanden in unverarbeiteten Honigen erhöhte Gehalte an PA gefunden hatte, war klar, dass auch ein Übergang von PA aus dem Nektar der Pflanze über die Biene in den Honig stattfindet. Nachdem dies 2009 von einem deutschen Privatlabor anhand von Roh-Honigen, also noch nicht im Handel befindlichen Honigen, bestätigt wurde, schlossen sich umfangreiche Untersuchungen an. In Handelshonigen wurden ebenso PA gefunden, wobei hier die Belastung im Vergleich zu den Rohhonigen deutlich geringer ausfiel.

 

In Baden-Württemberg hat man sich der Problematik zeitnah durch eigene Untersuchungen angenommen. Das CVUA Freiburg als Zentrallabor für Honiguntersuchungen und das Toxinlabor des CVUA Stuttgart haben im Jahr 2010 gemeinsam 59 Handelshonige untersucht. Zusätzlich wurden am CVUA Freiburg 68 weitere Honige im Rahmen der Lebensmittelplanproben und des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP) analysiert. Danach sind Honige aus Deutschland (62 Proben) und speziell aus Baden-Württemberg bis auf wenige Ausnahmen (7 Proben) praktisch unbelastet. Anders sieht es bei den Honigen aus Nicht-EU-Ländern aus, die immer wieder durch höhere Gehalte auffielen.

 

Abb. 1: Genuss ohne Reue? Mit jedem Bissen eines leckeren Honigbrotes verspeist man womöglich -zig Nanogramm Pyrrolizidin-Alkaloide (Foto: CVUA Freiburg).

 

Abb. 1: Genuss ohne Reue? Mit jedem Bissen eines leckeren Honigbrotes verspeist man womöglich -zig Nanogramm Pyrrolizidin-Alkaloide (Foto: CVUA Freiburg)

 

Stichwort Pyrrolizidinalkaloide (PA)

In mehr als 6000 Pflanzenarten aus vorwiegend drei Familien, nämlich den Korbblütlern (Asteraceae), den Hülsenfrüchtlern (Fabaceae oder Leguminosae) sowie den Rauhblatt- oder Borretschgewächsen (Boraginaceae) kommen PA natürlicherweise vor, wo sie hauptsächlich als Fraßschutz dienen. In den meisten Fällen enthalten alle Pflanzenteile PA, vielfach gerade in den Blüten angereichert. In der Pflanze liegen bevorzugt die N-Oxide der PA vor, während die Honige hauptsächlich die nicht oxidierten Alkaloide enthalten.

 

PA, die eine große Gruppe von mehr als 500 Einzelverbindungen darstellen, wirken meist chronisch, sowie in höheren Dosen auch akut toxisch. Die 1,2-ungesättigten, zweifach veresterten Vertreter gelten als besonders giftig und zudem als erbgutschädigend und krebserregend. Aus diesem Grund können PA auch in kleinen Mengen durchaus ein Risiko für die Gesundheit der Verbraucher darstellen.

 

Ein gesetzlicher Grenzwert ist bisher nur im Arzneimittelbereich definiert. Danach darf bei der Einnahme PA-haltiger Pflanzenpräparate eine tägliche Gesamtaufnahme von 1 µg für eine maximal 6-wöchige Anwendungsdauer nicht überschritten werden. Bislang sind die toxikologischen Daten noch lückenhaft.

 

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt, bei Lebensmitteln eine Tagesdosis von 0,007 µg ungesättigte PA/kg Körpergewicht nicht zu überschreiten. Ein Erwachsener von 70 kg dürfte demnach täglich nicht mehr als 0,49 µg PA absolut zu sich nehmen. Verzehrt er einen Honig, der PA zu 20 µg/kg enthält, wäre die tägliche Verzehrsmenge auf weniger als 25 g Honig beschränkt (eine Portionspackung Honig hat üblicherweise 20 g).

Für eine sinnvolle Risikoeinschätzung und insbesondere zur Ableitung eines Grenzwerts für Lebensmittel ist neben den toxikologischen Daten die Ermittlung der Belastungssituation bei den Verbrauchern, der sogenannten Expositionsdaten, nötig.

 

Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat ganz aktuell ein wissenschaftliches Gutachten zum Vorkommen von PA in Lebens- und Futtermitteln veröffentlicht. Hierbei wurde auch eine Einschätzung des gesundheitlichen Risikos durch Honigverzehr vorgenommen - mangels verfügbarer Daten über die PA-Belastung durch weitere Nahrungsmittel. In diesem Gutachten wird die Aufnahme von 1,2-ungesättigten PA ein bei durchschnittlichem Honigverzehr als gesundheitlich wenig bedenklich eingestuft. Ein gewisses Gefährdungspotenzial sehen die Sachverständigen der EFSA allerdings bei Kleinkindern und Kindern, die große Mengen Honig verzehren.

 

Weiterhin wurde festgestellt, dass die Belastung durch Verzehr von industriellem Honig deutlich geringer als von unverschnittenem Honig bestimmter Kleinerzeuger ausfällt.

 

Abb. 2: Pyrrolizidinalkaloide (PA) bestehen aus einem Necin-Grundgerüst, das mit verschiedenen Carbonsäuren verestert sein kann; hier die häufigsten PA und ein PA-N-Oxid .

 

Abb. 2: Pyrrolizidinalkaloide (PA) bestehen aus einem Necin-Grundgerüst, das mit verschiedenen Carbonsäuren verestert sein kann; hier die häufigsten PA und ein PA-N-Oxid

 

Untersuchungsergebnisse im Detail

Da die Gruppe der PA aus einer Vielzahl an Verbindungen besteht, ist eine komplette Analytik aller Einzelkomponenten nicht möglich, zumal auch nur wenige Standardsubstanzen kommerziell verfügbar sind. Von den erhältlichen wurden 9 Verbindungen ausgewählt (Lycopsamin, Echimidin, Retrorsin, Senecionin, Seneciphyllin, Senkirkin, Heliotrin, Monocrotalin und Lasiocarpin), und mittels LC-MS/MS untersucht. Damit wurden zwar längst nicht alle enthaltenen, aber die mengenmäßig wichtigsten PA erfasst und ab Gehalten von je 0,5 µg/kg Honig (Nachweisgrenze) registriert.

 

Abb. 3: PA-Summengehalte von heimischen und ausländischen Honigen im Vergleich. .

 

Abb. 3: PA-Summengehalte von heimischen und ausländischen Honigen im Vergleich.

 

Die höchsten gefundenen Einzelwerte lagen bei über 50 µg/kg Honig für Lycopsamin, bei ca. 15 µg/kg für die Stoffe Seneciphyllin und Echimidin, sowie bei 10 µg/kg für Senecionin. Alle anderen PA wurden, wenn überhaupt, nur in Spuren gefunden.

 

Heimische und ausländische Honige im Vergleich

Von den 62 deutschen Honigen erwiesen sich 55 (89%) als PA-frei, 5 weitere Proben wiesen Spurengehalte von unter 2 µg/kg Honig auf. Nur in 2 Honigen wurden mit Gehalten von ca. 10 bzw. 35 µg PA/kg nennenswerte Belastungen festgestellt. Im Spitzenreiter wurden dabei ca. 6 µg/kg Senecionin, 14 µg/kg Seneciphyllin und 15 µg/kg Senkirkin bestimmt. Mit großer Wahrscheinlichkeit stand der betreffende Bienenstock in einem Gebiet mit vielen Greiskräutern (Senecio-Arten). Diese sind zwar keine bevorzugte Bienenweidepflanze, werden aber von den Bienen auch angeflogen, wenn die Auswahl an Alternativen gering ist.

 

Die 65 untersuchten Honige, die nicht ausschließlich aus Deutschland stammten, enthielten durchschnittlich deutlich höhere Gehalte an PA. In gut einem Viertel wurden keine PA bestimmt, aber etwa die Hälfte dieser Honige wies PA-Summengehalte bis 20 µg/kg auf. Das restliche Viertel mit Gehalten zwischen 20 und 53 µg/kg wäre nach gegenwärtigem Kenntnisstand insbesondere für Honig-Vielverzehrer nicht geeignet, ohne zusätzliche Gesundheitsrisiken in Kauf zu nehmen. Hauptsächlich gefundene PA waren hierbei Lycopsamin und Echimidin.

Ein Grund für die durchschnittlich höhere Belastung von Honigen aus dem Ausland sind ausgedehnte Bestände PA-reicher Pflanzen z.B. in Südamerika, Asien, Australien und besonders Neuseeland. Letztere Provenienz bringt durchschnittlich die am höchsten belasteten Honige hervor.

 

Sind Bio-Honige besser?

Zwischen Bio-Honig (17 Proben) und konventionellem Honig (110 Proben) konnte naturgemäß kein signifikanter Unterschied festgestellt werden. PA sind unerwünscht, aber eben auch „Bio“.

 

Aktuelle Untersuchungsergebnisse aus 2011/12 finden Sie hier

 

Artikel erstmals erschienen am 22.12.2011 09:04:15

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