Dr. Petra Tichaczek-Dischinger
Tatar oder Schabefleisch ist Hackfleisch vom Rind, das aus hochwertigem, sehnenfreiem und fettarmem Muskelfleisch wie z. B. Filet hergestellt wird und feiner zerkleinert ist als einfaches Rinderhackfleisch.
Hackepeter oder Thüringer Mett dagegen wird aus qualitativ hochwertigem rohem Schweinefleisch mit wenig Fettanteil z.B. aus der Oberschale gewonnen (1). Bei beiden Erzeugnissen handelt es sich um gewürzte, oft mit Zwiebeln und rohem Eigelb, manchmal mit Kapern verfeinerte Fleischerzeugnisse, die zum Rohverzehr gedacht sind und meist auf frischen Brötchen oder Toast angeboten werden. Manch einer stellt sich auch zu Hause mal so einen Leckerbissen selbst her.
Sowohl von rohen Fleischprodukten als auch von rohen Hühnereiern ist allerdings bekannt, dass diese Lebensmittel mikrobiologisch bedenklich sind, d.h. dass rohes Fleisch schnell verdirbt und auch die Gefahr einer Kontamination mit Salmonellen oder anderen krankheitsauslösenden Mikroorganismen nicht unerheblich ist.
Trotzdem wird Tatar oder Hackepeter in Baden-Württemberg zunehmend wieder als lose Ware beim Metzger oder hübsch verpackt und bunt bedruckt auch im Kühlregal in den Supermärkten angeboten.
Können die Verbraucher solche Produkte bedenkenlos kaufen und genießen, oder verbirgt sich tatsächlich eine Gefahr hinter diesen Lebensmitteln?
Das CVUA Stuttgart wollte in Zusammenarbeit mit einigen unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden im Regierungsbezirk Stuttgart dieser Frage nachgehen und untersuchte im 1. Halbjahr 2010 insgesamt 25 dieser Lebensmittelproben. Bei 10 Proben handelte es sich um offene Ware aus Metzgereikühltheken, 15 Proben waren originalverschlossen aus Kühlregalen im Einzelhandel, wobei die Produkte teils ungewürzt, teils aber auch bereits gewürzt angeboten wurden. Bei den offen angebotenen Lebensmitteln handelte es sich dreimal um Tatar und siebenmal um Schweinemett, bei den original verpackten Proben waren nur 2 Produkte aus Rindfleisch dabei.
Der Untersuchungsumfang war immens: die rohen Fleischprodukte wurden auf das Vorhandensein von verderbniserregenden Mikroorganismen untersucht, zudem auf pathogene Keime, wie Salmonellen, Campylobacter, enterohämorrhagische Escherichia coli und Yersinien, sowie auf lebensmittelchemische Parameter. Außerdem wurde überprüft, ob tatsächlich so qualitativ hochwertiges Fleisch bei der Erzeugung eingesetzt wurde, wie es der Verbraucher bei diesen Produkten erwarten dürfte.
Grundsätzlich erfreulich war bei allen 25 untersuchten Tatar- bzw. Schweinemettproben, dass keine potentiell krankheitsauslösenden Mikroorganismen nachweisbar waren. Auch die Gehalte an typischen verderbniserregenden Bakterien waren meist relativ gering, nur bei einem offen und vermeintlich „frisch“ angebotenen gewürzten Schweinemett war der Keimgehalt so hoch, dass eine Beanstandung wegen mikrobiologischer Mängel ausgesprochen werden musste. In diesem Fall waren im CVUA Stuttgart 60 Millionen Gesamtkeime/g Lebensmittel nachgewiesen worden, wobei es sich um v.a. um Pseudomonaden und Enterobacteriaceae gehandelt hatte. Für diese Bakterien gibt es von der Deutschen Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie (DGHM) in ungewürztem und gewürztem Hackfleisch vorgeschlagene Richt- und Warnwerte, welche ein mikrobiologisch einwandfreies Produkt nicht überschreiten sollte (2). Auch diese Werte wurden zur Beurteilung herangezogen.
Bei 2 weiteren offen angebotenen Produkten aus Schweinefleisch wurden Beanstandungen wegen Irreführung ausgesprochen, weil minderwertiges Fleisch zur Herstellung des jeweils gewürzten Hackfleisches verwendet worden war. So wurden in den beiden Proben kleinste Knochenpartikel nachgewiesen, was entweder auf mangelhaft vorbereitetes Ausgangsmaterial oder auf die Verwendung von Separatorenfleisch schließen lässt.
Abb. 1: offen angebotene Produkte (Tatar und Schweinemett, n=10)
1 Probe beanstandet wegen erhöhter Gehalte an verderbniserregenden Mikroorganismen und wegen der Verwendung qualitativ minderwertigen Fleisches mit kleinen Knochenbestandteilen, 2 Proben wegen der Verwendung qualitativ minderwertigen Fleisches mit kleinen Knochenbestandteilen
Von den untersuchten 15 in Fertigpackungen angebotenen Produkten war nur eine Probe auffällig. Sie wurde wegen der Verwendung qualitativ minderwertigen Fleisches mit kleinen Knochenbestandteilen bemängelt, es handelte sich um „frisches Vespermett“ vom Schwein.
Abb. 2: Tatar bzw. Schweinemett in Fertigpackungen (n=15)
1 Probe beanstandet wegen der Verwendung qualitativ minderwertigen Fleisches mit kleinen Knochenbestandteilen
Grundsätzlich waren die bei den Untersuchungen im CVUA Stuttgart erlangten Daten erfreulich. Nach unseren bisherigen Ergebnissen scheinen von rohem Rindertatar und Schweinemett üblicherweise nur wenig Gefahren für den Verbraucher auszugehen. Da bislang nur eine sehr kleine Stichprobenmenge beprobt wurde, müssen sicherlich zukünftig noch umfangreiche Studien durchgeführt werden, bevor repräsentative Ergebnisse vorliegen werden.
Dass das Thema „Verzehr von rohem Rindertatar und/oder rohem Schweinemett“ auch bundesweit auf jeden Fall einen hohen Stellenwert bekommen hat, erkennt man daran, dass auf Bundesebene für die kommenden Jahre über entsprechende Untersuchungsprogramme nachgedacht wird.
Das CVUA Stuttgart wird auf jeden Fall am Ball bleiben und auch in Zukunft entsprechende Produkte beproben und umfassend untersuchen. Bis abschließende Beurteilungen vorliegen werden, wird allerdings noch einige Zeit ins Land gehen. Bis dahin sollte festgehalten werden, dass roh zu verzehrender Tatar oder Hackepeter besser zu sein scheinen als ihr Ruf. Allerdings sollten Personen, die zu einer der Risikogruppen der „YOPI“ (neuer terminus technicus, steht für: Young, Old, Pregnant & Immuno-supprimised) gehören, trotzdem von einem Verzehr entsprechender roher Lebensmittel Abstand nehmen, da ein Restrisiko mikrobieller Kontamination nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann.
(1) Leitsätze für Fleisch und Fleischerzeugnisse vom 27./28.11.1974 (Beilage zum BAnz. Nr. 134 vom 25.7.1975, GMBl Nr. 23 S. 489 vom 25.7.1975), zuletzt geändert am 08.01.2010 (BAnz. Nr. 16 vom 29.01.2010, GMBl Nr. 5/6 S. 120 ff vom 04.02.2010)
(2) Veröffentlichte mikrobiologische Richt- und Warnwerte zur Beurteilung von Lebensmitteln (Stand 2010), Deutsche Gesellschaft für Hygiene und Mikrobiologie. http://www.dghm.org/texte/Richt-%20und%20Warnwerte.pdf
Hackfleisch, Fotograf: kaffeeundkuchen, Pixelio.de, Image-ID=174657.