Tábata Rajcic de Rezende, Verena Bock, Dr. Dirk Lachenmeier (CVUA Karlsruhe) Dr. Christiane Lerch, Sonja Beyerlein (CVUA Stuttgart
Abb.1: Verschiedene Nahrungsergänzungsmittel auf einem Teller
Bei Nahrungsergänzungsmitteln handelt es sich in der Regel um Nährstoffkombinationen, die z. B. in Tabletten-, Pulver- und Kapselform oder als Trinkfläschchen angeboten werden. Die Produktpalette reicht von Brausetabletten (z. B. Calcium- oder Vitaminbrausetabletten) bis zu Ölkapseln mit essentiellen Fettsäuren. Trotz ihrer arzneimittelähnlichen Aufmachung und Darreichungsform sind Nahrungsergänzungsmittel Lebensmittel und bedürfen keiner Zulassung. Wie alle anderen Lebensmittel auch dürfen sie nicht mit Angaben beworben werden, die ihnen eine vorbeugende oder heilende Wirkung bei Krankheiten zuschreiben. Ebenso sind Angaben verboten, die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind oder – im Falle von gesundheitsbezogener Werbung – nicht ausdrücklich zugelassen sind. Hersteller, die ihre Produkte mit derartigen unerlaubten Werbebotschaften vertreiben, handeln daher rechtswidrig.
Häufig wird in der Werbung für Nahrungsergänzungsmittel der Eindruck erweckt, dass sie für die Gesundheit und das Wohlergehen unverzichtbar sind, weil damit zugeführte Stoffe in der täglichen Nahrung angeblich nicht (mehr) ausreichend vorhanden sind. Um den Verkauf anzukurbeln, soll der Eindruck erweckt werden, dass eine optimale Ernährung durch die üblichen, vertrauten und natürlichen Lebensmittel nicht möglich ist und nur durch Nahrungsergänzungsmittel Mangelerscheinungen verhindert werden können.
Tatsächlich sind Nahrungsergänzungsmittel für einen gesunden Menschen bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen und vollwertigen Ernährung meist überflüssig.
Eine Nahrungsergänzung mit bestimmten Nährstoffen kann in bestimmten Lebenssituationen und für bestimmte Personengruppen sinnvoll sein. Hier einige Beispiele:
Auch Patientinnen und Patienten mit speziellen Erkrankungen brauchen manchmal eine angepasste, zusätzliche Zufuhr von Stoffen mit ernährungsphysiologischer Wirkung. Konzentrate mit dieser Zweckbestimmung sind aber rechtlich keine Nahrungsergänzungsmittel, sondern Lebensmittel für besondere medizinische Zwecke und sollen nur unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
Um Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt vergleichen und eine geeignete Auswahl treffen zu können, brauchen Verbraucherinnen und Verbraucher Informationen über die Art und Menge der enthaltenen Nährstoffe und deren Anteil an den Referenzmengen für die Tageszufuhr (vgl. Anhang XIII der VO (EU) Nr. 1169/2011), der mit dem Nahrungsergänzungsmittel zugeführt wird. Auch eine klare Dosierungsanweisung ist für die sachgerechte Verwendung erforderlich. Daher sind diese Angaben bei Nahrungsergänzungsmitteln vorgeschrieben.
In der Europäischen Union und in Deutschland gibt es bislang keine gesetzlich festgelegten Höchst- oder Mindestmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Hersteller können somit prinzipiell selbst entscheiden, welche Mengen sie einsetzen, unter der Voraussetzung, dass die Produkte gesundheitlich unbedenklich und sicher sind. Hierfür ist der Hersteller selbst verantwortlich.
Bei der Auswahl eines Produktes sollte man daher auf die Nährstoffmengen achten und nicht nach dem Motto „viel hilft viel“ handeln. Überdosierungen durch hochdosierte Präparate oder durch die gleichzeitige Aufnahme von mehreren Produkten mit den gleichen Nährstoffen sind nicht sinnvoll und können sich sogar nachteilig auf die Gesundheit auswirken.
Im Allgemeinen sollten die Referenzmengen für die Tageszufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen nicht allein durch Nahrungsergänzungsmittel ausgeschöpft werden, da Nährstoffe bereits über die herkömmliche Ernährung aufgenommen werden und zu einem großen Teil zur Versorgung beitragen. Anhaltspunkte für eine angemessene Nährstoffzufuhr (aus allen Lebensmitteln) geben z. B. die Referenzmengen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung. Weiterhin gibt es Höchstmengenvorschläge des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) zu Vitaminen und Mineralstoffen in Nahrungsergänzungsmitteln, die eine Orientierung geben können.
Den rechtlichen Rahmen für Nahrungsergänzungsmittel gibt die Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) aus 2004 vor, die die entsprechende Richtlinie 2002/46/EG in nationales Recht umsetzt. Darüber hinaus gelten für Nahrungsergänzungsmittel alle weitere Rechtsnormen, die auch allgemein für Lebensmittel gelten, z. B.:
Der Warenkorb der Nahrungsergänzungsmittel umfasst eine große Produktvielfalt mit sehr heterogenen Zusammensetzungen, die wiederum zu sehr unterschiedlichen rechtlichen Einordnungen und unterschiedlichen Untersuchungszielen führen. Die Auswahl der Untersuchungen erfolgt somit risikoorientiert und ist abhängig von der vorliegenden Zusammensetzung der Produkte.
Zur Überprüfung der Zusammensetzung der Produkte werden z. B. die Mengen der deklarierten Nährstoffe und ggf. sonstiger Stoffe untersucht. Auch die Bestimmungen der Zusatzstoffverordnung und der Novel Food-Verordnung sowie die geltenden Höchstgehalte für Rückstände und Kontaminanten (z. B. Schwermetalle, Pestizide, polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe) werden regelmäßig überprüft. Untersuchungen auf unerlaubte pharmakologisch wirksame Stoffe wie z. B. Anabolika, Potenzmittel und Abführmittel werden anlassbezogen durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der Arzneimitteluntersuchungsstelle des CVUA Karlsruhe kann erforderlichenfalls eine Einstufung der Proben als Arzneimittel erfolgen. Neben der sensorischen Prüfung auf Aussehen, Geruch und ggf. Geschmack werden bei Bedarf auch mikrobiologische Prüfungen auf pathogene Keime oder andere Mikroorganismen durchgeführt. Weitere Untersuchungsschwerpunkte sind die Überprüfung der Kennzeichnung und Aufmachung der Produkte sowie der Angaben im Fernabsatz.
Die in Baden-Württemberg untersuchten Nahrungsergänzungsmittel sind in der folgenden Tabelle aufgelistet.
Tabelle 1: Probenzahlen und Beanstandungsquoten der Jahre 2010 - 2023 in Baden-Württemberg
Jahr |
Anzahl der untersuchten Proben |
Anzahl der beanstandeten Proben |
In % |
---|---|---|---|
2010 | 357 | 173 | 48,5 |
2011 | 460 | 226 | 49,1 |
2012 | 390 | 189 | 48,5 |
2013 | 482 | 212 | 44,0 |
2014 | 415 | 178 | 42,9 |
2015 | 385 | 197 | 51,2 |
2016 | 372 | 171 | 46,0 |
2017 | 357 | 210 | 58,8 |
2018 | 321 | 209 | 65,1 |
2019 | 380 | 297 | 78,2 |
2020 | 387 | 272 | 70,3 |
2021 | 553 | 364 | 65,8 |
2022 | 461 | 311 | 67,5 |
2023 | 464 | 292 | 62,9 |
Gesamt | 5784 | 3301 | 57,0 |
Abb.2: Gesamtzahl der untersuchten Nahrungsergänzungsmittel und den davon beanstandeten Proben der letzten 14 Jahre (2010 - 2023) in Baden-Württemberg
Die meisten Beanstandungen seit 2010 betrafen Kennzeichnungsmängel, irreführende Angaben und unzulässige gesundheitsbezogene Angaben. Dabei wurden für diverse Proben auch mehrere Beanstandungsgründe gleichzeitig festgestellt. Ein geringer Teil der Proben musste aufgrund ihrer Zusammensetzung bzw. einzelnen Inhaltsstoffen als gesundheitsschädlich oder nicht zum Verzehr geeignet beurteilt werden. Wie die prozentuale Beanstandungsquote in Tabelle 1 zeigt, liegt diese mit durchschnittlich 57 % bei Nahrungsergänzungsmitteln im Vergleich zu anderen Lebensmitteln relativ hoch. Sie ist in den letzten 6 Jahren noch angestiegen.
Unter den untersuchten Nahrungsergänzungsmitteln befanden sich auch Beschwerdeproben, die Verbraucherinnen und Verbrauchern bei den Lebensmittelüberwachungsbehörden einreichten, und Verdachtsproben, die die Lebensmittelüberwachungsbehörden speziell entnahmen. Die Beanstandungsquote bei den Beschwerde- und Verdachtsproben war mit 80 % ebenfalls sehr hoch. Die Gründe für die Beanstandungen bei diesen Proben waren sehr vielfältig, betrafen aber auch überwiegend Kennzeichnungsmängel, irreführende Angaben und unzulässige gesundheitsbezogene Angaben. Bei den Beschwerdeproben wurden jedoch prozentual deutlich mehr Nahrungsergänzungsmittel aufgrund ihrer Zusammensetzung bzw. einzelner Inhaltsstoffe als gesundheitsschädlich oder nicht zum Verzehr geeignet beurteilt.
Abb.3: Anzahl der beanstandeten Beschwerde- und Verdachtsproben, die in Baden-Württemberg in den Jahren 2010 - 2023 untersucht wurden.
Der Onlinehandel mit Nahrungsergänzungsmitteln wächst stetig. Die meisten Produkte werden sowohl im stationären Handel als auch über das Internet vertrieben. Viele Anbieter sind aber auch nur in der virtuellen Welt tätig und vertreiben ihre Produkte ausschließlich dort.
Internetanbieter von Lebensmitteln gelten gemäß Definition auch als Lebensmittelunternehmen, da sie eine mit dem Vertrieb von Lebensmitteln zusammenhängende Tätigkeit ausführen. Damit haben die verantwortlichen Personen alle Pflichten, denen ein Lebensmittelunternehmer unterliegt. Für die Angaben im Internet gelten – mit sehr wenigen Ausnahmen – die gleichen Regeln wie beim stationären Handel.
Von 2007 bis 2021 wurden in Baden-Württemberg Nahrungsergänzungsmittel im Rahmen von Projekten als Testkäufe gekauft, untersucht und bewertet. 2019 wurden das europäische und 2021 das nationale Lebensmittelrecht dahingehend angepasst, dass nun Produkte zum Zweck einer amtlichen Probenahme im Internet auch anonym beschafft werden dürfen.
Das neue Probenahmeverfahren für Produkte aus dem Internethandel wurde nach den Gesetzesänderungen in die Routine integriert. 2022 wurden 35 und 2023 58 Nahrungsergänzungsmittel im Onlinehandel entnommen und untersucht. Dabei handelte es sich sowohl um anonyme Beschaffungen als auch um Probenahmen direkt vor Ort bei den Internetanbietern. Die Beanstandungsquote lag hier bei über 90 %.
Unabhängig von speziell auf den Internethandel ausgerichteten Untersuchungsprogrammen beziehen die CVUAs Karlsruhe und Stuttgart bei der Untersuchung von Nahrungsergänzungsmitteln auch die entsprechenden Bewerbungen im Internet in die rechtliche Beurteilung ein. Dabei fällt auf, dass die Angaben im Internet häufiger nicht den lebensmittelrechtlichen Bestimmungen entsprechen, als die Angaben direkt auf der Verpackung. Online werden beispielweise häufiger unzulässige gesundheitsbezogene Angaben verwendet oder teilweise solche, die schon arzneimittelrechtlich zu bewerten sind.
Nahrungsergänzungsmittel sind für gesunde Menschen bei einer ausgewogenen, abwechslungsreichen und vollwertigen Ernährung meist überflüssig. In bestimmten Lebenssituationen und für bestimmte Personengruppen können sie jedoch sinnvoll sein. Vorsicht ist bei Überdosierungen geboten, da diese sogar gesundheitsschädlich sein können. Die häufig verwendete, verkaufsfördernde gesundheitsbezogene Werbung ist meist übertrieben und entspricht nicht den in der EU geltenden Regelungen. Der Verkauf von Nahrungsergänzungsmitteln muss jedoch sowohl im stationären als auch im Online-Handel gesetzeskonform erfolgen.
Weitere Informationen: