Zimt & Cumarin –
ein gesundheitliches Problem auch im Eis?

Katrin Luib, Alexander Brengel

 

Zimtstangen

Zimt wird seit vielen Jahrhunderten als würzende Zutat bei der Herstellung von Lebensmitteln verwendet. Es ist ein beliebtes
Gewürz in der Weihnachtszeit und verfeinert zahlreiche Leckereien. Neben gewünschten Aromastoffen wie z. B. Zimtaldehyd, kann Zimt
aber unerwünschte natürliche Aromastoffe wie Cumarin enthalten.

 

 

Was ist Cumarin und wie wird dieser Stoff toxikologisch bewertet?

Cumarin ist ein Aromastoff, der natürlicherweise in Zimtsorten, aber auch in Waldmeister und Tonkabohne enthalten ist. Insbesondere Cassia-Zimt weist relativ hohe Cumaringehalte auf, Ceylon-Zimt enthält dagegen geringere Mengen. Toxikologische Untersuchungen und Bewertungen haben ergeben, dass bei übermäßiger Aufnahme von Cumarin eine leberschädigende Wirkung nicht ausgeschlossen werden kann. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat deshalb eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI, tolerable daily intake, siehe auch Infokasten) abgeleitet. Diese Menge kann ein Leben lang aufgenommen werden, ohne dass ein gesundheitliches Risiko zu erwarten ist. Sie liegt bei 0,1 mg (Milligramm) Cumarin pro kg Körpergewicht und Tag und gilt auch für besonders empfindliche Verbraucher. Ein Erwachsener mit 60 kg Körpergewicht kann folglich ein Leben lang täglich 6 mg Cumarin aufnehmen, ohne dass eine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Denselben Wert hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in ihrer Bewertung von Cumarin ermittelt. Wird dieser Wert kurzzeitig überschritten, ist keine Gefährdung der Gesundheit zu erwarten [1].

 

Infokasten

Die tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (Tolerable Daily Intake, TDI) ist die geschätzte Menge eines Schadstoffs, die über die gesamte Lebenszeit pro Tag aufgenommen werden kann, ohne dass spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit zu erwarten sind. Diese duldbare Aufnahmemenge wird aus epidemiologischen Daten oder Tierversuchen ermittelt und enthält zusätzlich einen Sicherheitsfaktor, der die unterschiedliche Empfindlichkeit zwischen Mensch und Tier sowie innerhalb der Bevölkerung berücksichtigen soll. Ob ein gesundheitliches Risiko aufgrund der Aufnahme einer Kontaminante mit einem bestimmten Gefährdungspotenzial vorliegt, ergibt sich also durch die aufgenommene Menge (Exposition). Solange diese Aufnahmemenge die tolerierbare Menge nicht überschreitet, wird trotz des Vorhandenseins eines Schadstoffs mit einem gewissen Gefährdungspotenzial nicht notwendigerweise ein gesundheitliches Risiko erwartet. Je nach Aufnahmegewohnheit und den Eigenschaften der zu bewertenden Substanz kann auch die Festsetzung eines Schwellenwertes über eine wöchentliche oder monatliche Zeitspanne sinnvoll sein. So führt eine einmalige Überschreitung des TDI innerhalb dieser Zeiträume nicht unbedingt zu unerwünschten Wirkungen, wenn die gesamte Lebenszeit in Betracht gezogen wird, eine regelmäßige Überschreitung jedoch schon.

 

Wie ist Cumarin rechtlich geregelt?

In der VO (EG) Nr. 1334/2008 (EU-Aromenverordnung) sind Höchstmengen zwischen 5 und 50 mg/kg Cumarin für bestimmte zimthaltige Lebensmittel festgelegt:

 

Produktkategorie Höchstmenge in mg/kg
Feine Backwaren außer traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist 15
Traditionelle und/oder saisonale Backwaren, bei denen Zimt in der Kennzeichnung angegeben ist 50
Frühstücksgetreideerzeugnisse einschließlich Müsli 20
Dessertspeisen 5

Für Zimt selbst ist derzeit keine Höchstmenge festgelegt. Ebenso gibt es keine Höchstmengen für andere als die aufgeführten zimthaltigen Lebensmittel.

 

Wie werden festgestellte Cumaringehalte rechtlich beurteilt?

Bei einer gesicherten Höchstmengenüberschreitung gilt ein Verkehrsverbot nach der EU-Aromenverordnung für das Produkt. Wenn die festgelegte Höchstmenge nicht gesichert überschritten ist, wird im Gutachten auf die ermittelten Gehalte und auf die Pflichten der Lebensmittelunternehmer im Hinblick auf die Einhaltung von Höchstmengen und die Minimierung von Cumarin hingewiesen. Wird in einem Lebensmittel, für das keine Höchstmenge festgelegt wurde, ein im Vergleich zu anderen Produkten dieser Art hoher Cumaringehalt bestimmt, wird der Lebensmittelunternehmer ebenfalls auf seine Sorgfaltspflicht und die Minimierung von toxikologisch relevanten Stoffen wie Cumarin hingewiesen. Zusätzlich wird eine toxikologische Bewertung mittels TDI, Körpergewicht und üblicher Verzehrsmenge durchgeführt. Die Gutachten enthalten außerdem einen Hinweis zur Wahl der Zutaten und eine Anregung zu Eigenkontrolluntersuchungen.

 

Untersuchungen von Cumarin

Bereits seit mehreren Jahren werden an den CVUAs in Baden-Württemberg verschiedene zimthaltige Lebensmittel auf Cumarin untersucht. Immer wieder finden sich deutlich erhöhte Werte, z. B. in Backwaren wie Zimtsternen. So stellte sich für die Sachverständigen des Milchlabors die Frage: Sind hohe Cumaringehalte auch in zimthaltigen Milcherzeugnissen und Speiseeis relevant? Für einen ersten Überblick wurden vier Zimt-Speiseeis mit der bestehenden Cumarin-Methode aus dem Bereich Backwaren untersucht. Tatsächlich war in allen vier Proben Cumarin bestimmbar, in einer sogar mit einem Gehalt über 60 mg/kg.

 

 

Diagramm Untersuchungsergebnisse

Cumaringehalte in Milligramm pro Kilogramm der vier Speiseeisproben (Probe 1 enthält 4, Probe 2 enthält 7, Probe 3 enthält 8 und Probe 4 enthält 64 Milligramm pro Kilogramm)

 

 

Aufgrund dieser Befunde wurde innerhalb kürzester Zeit das vorhandene Prüfverfahren erweitert und ein geeignetes für die Bestimmung von Cumarin in zimthaltigen Milcherzeugnissen und Speiseeis erstellt, sowie aufwendig verifiziert. Mit diesem neuen Prüfverfahren wurden die drei Proben mit Gehalten über 5 mg/kg Cumarin nochmals gemessen und weitere Proben untersucht.

 

Zimtstern

 

In der Weihnachtssaison 2023 untersuchte das CVUA Sigmaringen insgesamt 16 Proben (je acht Proben Speiseeis und Milcherzeugnisse) auf Cumarin. Bei den Proben handelte es sich überwiegend um Joghurt mit Zimt und ggf. weiteren geschmackgebenden Lebensmitteln, wie z. B. Äpfel, Pflaumen und Rosinen aus dem Einzelhandel, sowie um Zimteis aus Eisdielen oder aus dem Einzelhandel, wie z. B. die in der Weihnachtszeit beliebten "Eis-Zimtsterne". Die Ergebnisse waren überwiegend erfreulich, so war in keinem der zimthaltigen Milcherzeugnisse Cumarin bestimmbar. Nur in vier Speiseeis-Proben war Cumarin in Gehalten zwischen 4 - 64 mg/kg enthalten.

 

 

 

Diagramm Speiseeis-Proben mit Cumaringehalt

Übersicht über die Anzahl an Proben ohne nachgewiesenem Cumarin (12) und Proben mit Cumaringehalten (4)

Zwar sind für bestimmte Lebensmittel Höchstmengen festgelegt (siehe Tabelle), jedoch fallen Speiseeis und Milcherzeugnisse in keine der geregelten Produktkategorien. Somit wurde bei der Festsetzung von Höchstmengen die Verwendung von Zimt in Speiseeis oder Milcherzeugnissen nicht berücksichtigt, so dass für diese beiden Lebensmittelkategorien derzeit noch keine gesetzlichen Höchstmengen existieren. Für die Beurteilung der ermittelten Cumaringehalte ist daher eine toxikologische Bewertung notwendig. Das BfR geht davon aus, dass ein TDI von 0,1 mg pro kg Körpergewicht für zimthaltige Lebensmittel herangezogen werden kann.


Beim Verzehr des Zimteises mit 64 mg/kg Cumarin hätte ein 15 kg schweres Kleinkind bereits bei einem Verzehr von
25 g des Speiseeises den TDI-Wert von Cumarin erreicht. Ein Erwachsener mit 60 kg Körpergewicht hätte bei einem Verzehr von 99 g dieser untersuchten Zimteis-Probe den TDI-Wert von Cumarin erreicht. Geht man davon aus, dass eine Kugel Speiseeis mindestens 50 g wiegt, wurde also bei dieser Probe der TDI-Wert für das oben genannte Kind bereits bei einer halben Kugel und beim oben genannten Erwachsenen bereits bei zwei Kugeln des Speiseeises überschritten. Aufgrund dieser Abschätzung wurde für diese Probe die zuständige Lebensmittelüberwachungsbehörde in einem Gutachten auf den hohen Befund hingewiesen, damit diese den Lebensmittelunternehmer informieren und Minimierungsmaßnahmen veranlassen kann.

 

Fazit

Zimteis

Zimteis-Probe mit hohem Cumaringehalt

Die Untersuchungen zeigen, dass hohe Cumaringehalte nicht nur ein bekanntes Problem bei Backwaren wie klassischen Zimtsternen sind, sondern auch in zimthaltigem Speiseeis eine Rolle spielen kann. Auffällig war hierbei, dass bei Proben von kleineren Herstellern oder Direktvermarktern höhere Gehalte gefunden wurden als bei Proben von größeren Unternehmen. Denkbar wäre, dass diesen Lebensmittelunternehmen das Risiko von Cumarin in Zimt oft nicht bewusst ist. Neben der Auswahl der Rohstoffe (z. B. dem Einsatz von kontrollierten zimthaltigen Eisgrundmassen) und der Zimtsorte, spielt hier auch die eingesetzte Zimtmenge eine wichtige Rolle. Bei der untersuchten Zimteisprobe mit 64 mg/kg Cumarin war bereits bei der sensorischen Untersuchung ein selbst für Zimteis sehr starker Geruch und Geschmack nach Zimt, sowie eine deutliche braune Farbe der Eismasse wahrnehmbar. Beim Einsatz von Zimt gilt hier: Weniger ist mehr!

 

Aufgrund der Befunde wird das CVUA Sigmaringen auch weiterhin zimthaltige Milcherzeugnisse und Speiseeis auf Cumarin untersuchen und sich für die Sensibilisierung der Lebensmittelunternehmen sowie für die Festlegung einer Höchstmenge von Cumarin in Speiseeis einsetzen.

 

 

 

 

Quellen

https://www.bfr.bund.de/cm/343/fragen-und-antworten-zu-cumarin-in-zimt-und-anderen-lebensmitteln.pdf

Bildquellen

Pixabay und CVUA Sigmaringen

 

 

Artikel erstmals erschienen am 13.06.2024