Können (gebrannte) Mandeln gefährlich sein?

Jens Kleefeldt

 

gebrannte Mandeln

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Um die Frage zu beantworten: „Es kommt darauf an“.

 

Welche Gefahren zu befürchten sind, wenn gebrannte Mandeln versehentlich unzerkaut verschluckt werden, sind allerdings nicht Gegenstand dieses Berichts. Ebenso wenig befasst sich der Bericht mit dem beachtlichen Zuckergehalt gebrannter Mandeln und möglichen nachteiligen Auswirkungen auf den Körper, die damit verbunden sein können.

 

Vielmehr wird hier der Frage nachgegangen, mit welchen Gehalten an Blausäure beim Verzehr von gebrannten Mandeln zu rechnen ist. Das Chemische und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Sigmaringen hat hierzu seit 2019 gezielt Proben untersucht.

Infokasten

Mandeln enthalten Blausäure – süße üblicherweise in geringen, bittere dagegen immer in höheren Mengen. Dies kann zu Vergiftungserscheinungen führen bis hin zur Lebensgefahr. Verantwortlich hierfür ist das in den rohen Mandeln natürlicherweise vorkommende Amygdalin. Amygdalin ist ein cyanogenes Glykosid (Blausäureglykosid), das durch enzymatische Hydrolyse (Spaltung der chemischen Bindungen) in einer mehrstufigen Reaktion zu Glukose, Benzaldehyd und Blausäure aufgespalten wird. Beim Kauen oder während des Verdauungsprozesses läuft dieser Vorgang ab, mit der Folge, dass das Gift Blausäure im Organismus freigesetzt wird. Ausführlich ist dies in unserem Bericht vom 01.03.2018 zu Blausäure in Aprikosenkernen beschrieben [1].

Früher waren gebrannte Mandeln eine typische Weihnachtsmarktsüßigkeit. Dieser Klassiker wird aber inzwischen zu jeder Jahreszeit auf Märkten und Volksfesten sowie im Handel und im Internet angeboten. Gebrannte Mandeln sind ein beliebter To-Go-Snack. Man kann sie gut mitnehmen, sie krümeln nicht und können auch später verzehrt werden, was sie perfekt für unterwegs macht. Genascht werden sie gerne auch in kleineren Mengen, wobei durchaus auch eine Menge von 100 g gebrannte Mandeln über den Tag hinweg verzehrt wird. Besonders bei Kindern und Jugendlichen ist die Leckerei beliebt.

 

Die Ausgangsware für gebrannte Mandeln sind süße Mandeln. Unsere Untersuchungen der letzten Jahre ergaben, dass bei Mandeln, die als „süße Mandeln“ in den Verkehr gebracht werden, Blausäure immer wieder, mitunter auch in höheren Mengen, vorkommt. Es wurden des Öfteren Blausäuregehalte von bis zu 20 mg/kg nachgewiesen. Spitzenreiter enthielten sogar Gehalte über 50 mg/kg. Ursache für Blausäuregehalte bei süßen Mandeln können beispielsweise einzelne Bittermandeln sein, die bei der Mandelernte bisweilen anfallen und mit den süßen Mandeln (unabsichtlich) mitgeerntet werden.

Das CVUA Sigmaringen hält seit langem Höchstgehalte von Blausäure in Mandeln für erforderlich und hat sich deshalb schon frühzeitig für die Festsetzung solcher Höchstgehalte ausgesprochen.

In einem Untersuchungsprogramm hat das CVUA Sigmaringen nun „gebrannte Mandeln“ in den Fokus genommen. Es wurden sowohl gebrannte Mandeln als auch die dazugehörigen ungebrannten Mandeln, die als Ausgangsware zur Herstellung der gebrannten Mandeln eingesetzt wurden, auf Blausäure untersucht. Das Projekt hatte zum Ziel, Informationen über die Gehalte bei gebrannten Mandeln zu gewinnen und darüber hinaus Erkenntnisse zu erlangen, ob der Blausäuregehalt durch den Verarbeitungsprozess (Brennen) der ungebrannten Mandeln (Ausgangsware) verändert wird.

 

Folgende Blausäuregehalte wurden in gebrannten Mandeln und in deren Ausgangswaren festgestellt:

 

Tabelle gebrannte Mandeln

Tabelle Vergleich gebrannter Mandeln

 

Bisher sind keine gesetzlichen Höchstmengen für Blausäure in Mandeln bzw. gebrannten Mandeln festgelegt worden. Wie brisant das Thema Blausäure dennoch ist, zeigt die aktuelle Diskussion in der EU, wonach für bestimmte Lebensmittel Höchstgehalte für Blausäure vorgesehen sind. Für unverarbeitete, ganze, gemahlene, gebrochene bzw. gehackte Mandeln, die für den Endverbraucher in den Verkehr gebracht werden, wird ein Höchstgehalt von 20 mg/kg vorgeschlagen. Aktuell wird in Ermangelung gesetzlicher Höchstgehalte der Beurteilung von Blausäuregehalten in gebrannten Mandeln eine Risikoabschätzung zu Grunde gelegt. Dabei wird bemessen, ob der kritische Gehalt an Blausäure für bestimmte Verbrauchergruppen (Erwachsene, Kinder) mit einer zu erwartenden Mahlzeit (Portion) überschritten wird.

 

Der höchste festgestellte Blausäuregehalt bei gebrannten Mandeln wurde mit einer Konzentration von 7,8 mg pro kg ermittelt. Für diese in der Untersuchungsreihe am höchsten belastete Probe ergibt sich, unter Zugrundelegung einer Verzehrmenge von 100 g gebrannter Mandeln, eine Aufnahmemenge an Blausäure von 0,78 mg. Damit wird der kritische Gehalt für Blausäure bei einem Erwachsenen nicht überschritten. Der kritische Gehalt wird auch als akute Referenzdosis (ARfD) bezeichnet und wird von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als die Substanzmenge definiert, die pro Kilogramm Körpergewicht über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko aufgenommen werden kann.

Bei Kindern bis 10 Jahre ergibt sich dagegen eine Ausschöpfung der ARfD von 150 %. Dies bedeutet, dass Kinder bis 10 Jahre bei Verzehr von 100 g dieser gebrannten Mandeln das 1,5-fache der Grenzdosis aufnehmen. Eine Ausschöpfung der ARfD von mehr als 100 % bedeutet zwar nicht zwangsläufig eine konkrete Gesundheitsgefährdung. Sie zeigt aber an, dass ein mögliches Risiko mit der geforderten Sicherheit nicht mehr auszuschließen ist.

 

Die Untersuchungen haben ferner ergeben, dass sämtliche ungebrannte Mandelproben Blausäure aufweisen, vereinzelt in erheblichen Mengen. Damit werden unsere bisherigen Erfahrungen bestätigt: Süße Mandeln enthalten immer wieder Blausäure und können auch durch erhöhte Gehalte auffallen.

Wird bei den gebrannten Mandeln der ermittelte Blausäuregehalt auf den Mandelanteil bezogen und stellt man diese Gehalte denen der Ausgangswaren, also den ungebrannten Mandeln, gegenüber, so wird deutlich, 6 von 9 Proben gebrannte Mandeln enthalten weniger Blausäure als ihre Ausgangsware (siehe rechte Spalte in der Tabelle). Dies lässt vermuten, dass durch das Verarbeiten der ungebrannten Mandeln zu gebrannten Mandeln die Menge an Blausäure, die vom menschlichen Organismus aufgenommen werden kann, verringert wird. Aufgrund der geringen Probenzahl und einer möglichen Inhomogenität der Proben durch vereinzelte Bittermandeln ist eine genaue Aussage hierzu zum jetzigen Zeitpunkt schwierig.

 

Das CVUA Sigmaringen setzt sich weiterhin für die Einführung gesetzlicher Höchstgehalte für Blausäure in Mandeln und in Erzeugnissen aus Mandeln ein. Im Sinne eines vorbeugenden Verbraucherschutzes werden die Untersuchungen von Mandeln und gebrannten Mandeln auf Blausäure fortgesetzt.

 

 

Literatur:
[1] Aprikosenkerne – Gesundheitsrisiken durch Blausäure

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 02.10.2020