Blutorangensaft: 100 Prozent unverfälschter Genuss?

Dr. Thorben Nietner, Emma Wistaff, Anton Schmid, Silvia Beller (CVUA Sigmaringen)

 

Um die Frage zu klären, ob Fruchtsäfte mit der Auslobung „Blutorange“ unverfälscht sind, werden am CVUA Sigmaringen derzeit Verfahren zur Überprüfung der Echtheit von Blutorangensaft entwickelt. Die Aminosäure-Analytik erweist sich als vielversprechender Ansatz für diese Fragestellung. Eine erste Studie ergab, dass sich Blutorangensäfte und gewöhnliche (blonde) Orangensäfte aufgrund ihrer Aminosäurezusammensetzung voneinander unterscheiden lassen.

Abbildung 1: Blutorangen und gewöhnliche (blonde)Orangen (Bild: Aleksandar1980, Pixabay.)

Abbildung 1: Blutorangen und gewöhnliche (blonde) Orangen (Bild: Aleksandar1980, Pixabay.)   

 

Blutorangen – Die gestressten Orangen

Bei Blutorangen handelt es sich um Orangensorten, die aufgrund ihres speziellen Stoffwechsels rote Farbstoffe produzieren können. Diese roten Farbstoffe werden von der Pflanze allerdings nur bei niedrigen Temperaturen gebildet. In den Anbaugebieten ist dies typischerweise in den Herbst- und Wintermonaten, besonders während und nach kalten Winternächten der Fall. Die Bildung der roten Farbstoffe ist also eine Art Stressreaktion der Blutorangen auf einen Kältereiz. Je nach Sorte und Ausprägung des Kältereizes kommt es zu einer schwächeren oder stärkeren Rotfärbung des Fruchtfleisches und des daraus gewonnenen Saftes. Blutorangen werden in Europa vor allem in Italien (Sizilien, Kampanien) und Spanien angebaut und nach kalter Witterung meist von Januar bis April geerntet.

 

Blutorangensaft im Handel: Oft wird Orangensaft beigemischt

Die Verbrauchererwartung an einen Blutorangensaft ist eindeutig, der Saft muss die typische "blutrote" Farbe aufweisen und aus Blutorangen hergestellt worden sein. Doch was passiert, wenn die Blutorangenernte schlecht ausfällt?

 

Abhängig von der Farbe eines Blutorangensaftes und der Verfügbarkeit qualitativ hochwertiger Rohware sind verschiedene Strategien zur Farbbeeinflussung bei der Vermarktung möglich:
1. Zusatz von Buntsäften (z.B. Aroniasaft, Schwarzkarottensaft) bei einer zu schwachen Rotfärbung oder
2. Verwendung günstigerer Zutaten (z. B. blonder Orangensaft) als Kostenersparnis bei einer intensiven Rotfärbung oder bei einem geringen Angebot von Blutorangensaft.

 

Beides kommt aktuell bei Produkten auf dem Markt zur Anwendung. Das CVUA Sigmaringen konnte bei einer Vielzahl von untersuchten Produkten anhand der Deklaration auf der Verpackung eine zulässige Zumischung feststellen. So handelte es sich im Winter 2017/2018 nur bei sehr wenigen Produkten um reine Blutorangensäfte.

  

Aminosäureanalytik von Orangensäften

Aminosäuren sind die kleinsten Bausteine der Proteine, zum Beispiel von tierischen Muskelfasern oder pflanzlichen Speicherproteinen. In tierischen und pflanzlichen Zellen kommen Aminosäuren daneben in ihrer freien, gelösten Form vor. In Früchten ist dies in besonderem Maße der Fall, mehr als 20 verschiedene Aminosäuren kommen hier vor. Der Gehalt an den freien Aminosäuren und das Verhältnis der Gehalte zueinander sind daher ein wichtiges Kriterium für die Unverfälschtheit eines Fruchtsaftes.

 

Die Untersuchung der freien Aminosäuren am CVUA Sigmaringen lieferte spannende Erkenntnisse: So ließen sich Unterschiede in der Aminosäurezusammensetzung bei Blutorangensäften und Orangensäften aus dem Handel ausmachen. Hauptsächlich war dies auf Unterschiede in den Gehalten der Aminosäuren Phenylalanin, Glycin und Glutaminsäure zurückzuführen. Diese Erkenntnisse könnten genutzt werden um zukünftig auch Verfälschungen von Blutorangensäften nachzuweisen.

 

Statistische Modelle zur Authentizitätsprüfung

Neben der gesonderten Betrachtung einzelner Aminosäuren erfolgte die gemeinsame Auswertung aller untersuchten Aminosäuren (hier: 23 Aminosäuren und Ammonium) in einer sogenannten Hauptkomponentenanalyse (PCA). Bei einer solchen Hauptkomponentenanalyse werden die Gehalte der unterschiedlichen Aminosäuren zueinander statistisch ausgewertet. Im Ergebnis ließen sich Blutorangensäfte und gewöhnliche (blonde) Orangensäfte gut voneinander unterscheiden (siehe Abbildung 2). Die Auswertung basierte zwar auf der Untersuchung von normalen, im Handel erhältlichen Produkten (insgesamt 120 Proben), bei denen die 100%ige Echtheit nicht mit Sicherheit bekannt ist. Die Gruppierungen von Blutorangensäften und Orangensäften wurden aber durch selbst gepresste authentische Blutorangensäfte bestätigt.

 

Grafik: Aminosäureprofile.

Abbildung 2: Unterscheidung von Blutorangensäften und Orangensäften anhand einer Hauptkomponentenanalyse der Aminosäureprofile

 

Darüber hinaus konnten Mischungsverhältnisse von Blutorangensaft und blondem Orangensaft (100:0 bis 0:100) über spezielle statistische Verfahren beschrieben werden. Ein quantitativer Zusammenhang ergab sich über eine sogenannte Partial-Least-Squares (PLS) Regression (Abbildung 3). Das entwickelte Modell ermöglicht eine Abschätzung der Mischungsverhältnisse und soll nun mit weiteren Proben (authentische Mischungen und weitere Handelsproben) weiterentwickelt werden.

 

Grafik.

Abbildung 3: Abschätzung des Mischungsverhältnisses von Blutorangensaft und blondem Orangensaft anhand einer Partial-Least-Squares Regression

 

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Artikel erstmals erschienen am 25.05.2018