Untersuchungen von natürlichem Mineralwasser aus Baden-Württemberg auf Arzneimittelrückstände

Brezger, Dr. Gottesmann

 

Eintrag in die Umwelt

Die intensive Verwendung von Stoffen wie Pestizide, Medikamente, Lebensmittelzusatzstoffe und Industriechemikalien können zu Belastungen der Gewässer und der von Oberflächengewässern beeinflussten Grundwasservorkommen führen. Es war daher Ziel eines Untersuchungsprojekts, zu überprüfen, ob derartige Stoffe, ebenso wie die bereits in manchen Mineralbrunnen entdeckten Metaboliten von Pflanzenschutzmitteln, ebenfalls dort nachgewiesen werden.

 

Arzneimittel, wie Pharmaka und Diagnostika, sind Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung am oder im menschlichen bzw. tierischen Körper bestimmt sind, um Krankheiten, Leiden, Körperschäden oder krankhafte Beschwerden zu heilen, zu lindern, zu verhüten oder zu erkennen, oder Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren. Der Einsatz von Arzneimitteln ist in der heutigen Zeit ein fester Bestandteil der medizinischen Diagnostik und Therapie. In der Humanmedizin werden in Deutschland ca. 30.000 Tonnen Pharmaka pro Jahr umgesetzt. Diese Mengen verteilen sich auf etwa 3.000 Einzelstoffe, die in über 9.000 Handelspräparaten angeboten werden.

 

Über Rückstände von Arzneistoffen in der Umwelt und besonders im Wasser haben in den letzten Jahren die Medien immer wieder berichtet, unter Schlagworten wie z. B. „Die Apotheke im Wasserhahn“. Rückstände von Pharmaka als Ursache einer möglichen Trinkwasserverunreinigung werden in der Öffentlichkeit aufmerksam wahrgenommen, da vielen Verbrauchern die wichtigsten Medikamente geläufig sind.

 

Arzneimittel werden nicht, wie z. B. die Pestizide, direkt in die Umwelt ausgebracht. Dementsprechend ist ihr Verhalten in der Umwelt noch nicht ebenso umfassend untersucht.

 

Ob Arzneistoffe und deren Abbauprodukte (Metaboliten) in der wässrigen Umwelt gefunden werden, hängt vor allem von deren Anwendungsmenge und biologischer Abbaubarkeit ab. Viele Pharmaka werden im Körper nicht vollständig abgebaut (metabolisiert) und daher teilweise wieder unverändert ausgeschieden. Die Wirkstoffe sind in der Regel biologisch aktiv. Sie sollen möglichst stabil sein, damit sie lange lagerfähig bleiben. Deshalb sind viele Arzneistoffe auch in der Umwelt langlebig (persistent).

 

Der Eintrag in die Umwelt geschieht vor allem, neben der unsachgemäßen Entsorgung, durch Ausscheidung nicht vollständig metabolisierter Pharmaka in das Abwassersystem. In den Kläranlagen, die nach dem Stand der heutigen Technik betrieben werden, werden viele Medikamente nicht oder nur unvollständig abgebaut und gelangen somit anschließend in die nachfolgenden Oberflächengewässer (siehe Abbildung).

 

In der Tiermedizin werden teilweise dieselben Wirkstoffe, z.B. Antibiotika, eingesetzt wie in der Humanmedizin. Durch Ausbringung der Gülle auf die Anbauflächen und anschließende Versickerung und Ausschwemmung können die Wirkstoffe in das Grund- und Oberflächenwasser gelangen. Deshalb ist auch die Landwirtschaft als eine mögliche Quelle von Einträgen in Oberflächen- und Grundwässern anzusehen.

 

Grafik: Die Haupteintragspfade von Humanpharmaka in die Umwelt.

Abbildung: Die Haupteintragspfade von Humanpharmaka in die Umwelt

 

 

Seit Anfang der 1990er Jahre werden Arzneimittelrückstände in der Umwelt nachgewiesen, vor allem in Oberflächenwasser- und Bodenproben. In der aquatischen Umwelt wurden von verschiedenen Autoren bisher mehr als 100 Pharmakarückstände verschiedener Indikationsgruppen gefunden. Diese Substanzen wurden vor allem in Kläranlagenzu- und -abläufen, Oberflächengewässern und im Grundwasser gefunden. Vor allem in Flüssen wurden Arzneimittel mit Konzentrationen bis in den µg/L-Bereich gemessen. Hauptsächlich sind Fließgewässer belastet, die einen hohen Abwasseranteil besitzen.

 

Sowohl die Konzentration als auch die Anzahl der festgestellten Arzneimittel nimmt entlang des Weges vom Abwasser über das Oberflächen- und Grundwasser in das Trinkwasser ab. Im Trinkwasser wurden die in Oberflächengewässern ermittelten Humanpharmaka bisher nur vereinzelt in geringen Konzentrationen nachgewiesen.

 

In eigenen, vorausgehenden Untersuchungen wurden in wenigen Roh- und Trinkwasserproben aus Baden-Württemberg Spuren von Arzneimittelrückständen gefunden.

 

Analytik

In analytischer Hinsicht mussten aufgrund der vielfältigen Wirkstoffstrukturen Multimethoden entwickelt werden, um mit vertretbarem Aufwand eine größere Anzahl an Analyten mit einem einzigen Verfahren zu bestimmen. Dabei werden neben verschiedenen Anreicherungsmethoden (Festphasenkartuschen mit unterschiedlichen Materialien) neue, hoch empfindliche Messverfahren, wie z. B. die Hochleistungsflüssigkeitschromatographie-Tandemmassenspektrometrie (HPLC-MS/MS) und die Gaschromatograhie-Tandemmassenspektrometrie (GC-MS/MS), eingesetzt, um die Wirkstoffe im unteren Nanogrammbereich nachweisen zu können.

 

Das geprüfte Substanzspektrum umfasste 54 verschiedene Wirkstoffe im wesentlichen aus den Indikationsklassen Analgetika, Antirheumatika, Antiphlogistika, Antiepileptika, ß-Rezeptorenblocker, Lipidsenker, Antibiotika sowie Diagnostika (Röntgenkontrastmittel).

 

Tabelle: Spektrum der untersuchten Humanarzneimittel
Analgetika / Antiphlogistika Diclofenac
Fenoprofen
Ibuprofen
Indomethacin
Ketoprofen
Meclofenaminsäure
Naproxen
Paracetamol
Phenazon
Phenaceti
Propyphenazon
Tolfenaminsäure
Lipidsenker Bezafibrat
Gemfibrozil
Antiepileptika Carbamazepin
Doxepin
Primidon
Antidepressiva Venlafaxin
Durchblutungsförderer Pentoxifyllin
Röntgenkontrastmittel Amidotrizoesäure
Iohexol
Iomeprol
Iopamidol
Iopansäure
Iopromid
Iotalaminsäure
Ioxitalaminsäure
Ioxaglinsäure
Antibiotika Azithromycin
Ciprofloxacin
Clarithromycin
Clindamycin
Erythromycin
Ofloxacin
Roxithromycin
Sulfadiazin
Sulfamethazin
Sulfamethoxazol
Trimethoprim
ß-Rezeptorenblocker Atenolol
Bisoprolol
Metoprolol
Nadolol
Propranolol
Sotalol
Zytostatika Busulfan
Cyclophosphamid
Ifosfamid
Weitere Wirkstoffe Ambroxol
Clenbuterol
Crotamiton
Enalapril
Salbutamol
Verapamil

 

Rechtliche Situation

Natürliches Mineralwasser muss nach § 2 der „Mineral- und Tafelwasser-Verordnung“ u.a. von ursprünglicher Reinheit sein. In Anlage 1a der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift (AVV) über die Anerkennung und Nutzungsgenehmigung von natürlichem Mineralwasser“ wird als Kriterium für die Beurteilung der ursprünglichen Reinheit von natürlichem Mineralwasser in Hinblick auf Arzneimittelrückstände ein Orientierungswert in Höhe von 0,05 µg/l angeführt.

 

Nach § 2 der Mineral- und Tafelwasser-Verordnung ist natürliches Mineralwasser Wasser, das folgende besondere Anforderungen erfüllt:

  • Es hat seinen Ursprung in unterirdischen, vor Verunreinigungen geschützten Wasservorkommen und wird aus einer oder mehreren natürlichen oder künstlich erschlossenen Quellen gewonnen,
  • es ist von ursprünglicher Reinheit.

 

Da die Mineral- und Tafelwasser-Verordnung die unbestimmten Rechtsbegriffe „vor Verunreinigungen geschützt“ und „ursprüngliche Reinheit“ selbst nicht näher erläutert, finden sich hierzu in der AVV nähere Ausführungen. Unter Punkt 3.3 führt die AVV u.a. aus, dass sowohl die geologischen, hydrogeologischen, hydrologischen sowie fassungs- und fördertechnischen Angaben zum Quellvorkommen als auch die physikalischen, physikalisch-chemischen, chemischen und mikrobiologischen Angaben zur Beschaffenheit des natürlichen Mineralwassers nicht erkennen lassen dürfen, dass mit anthropogenen Verunreinigungen (z.B. durch Mülldepots, Bergbau, Landwirtschaft) gerechnet werden muss.

 

Arzneimittelrückstände im natürlichen Mineralwasser stellen eindeutig eine anthropogene (vom Menschen verursachte) Verunreinigung dar. Bei gesicherten Gehalten von Arzneimittelrückständen über 0,05 µg/l bestehen daher begründete Zweifel an der ursprünglichen Reinheit eines natürlichen Mineralwassers.

 

Untersuchungsergebnisse

Im Rahmen einer Zielvereinbarung mit dem Ministerium für Ländlichen Raum, Ernährung und Verbraucherschutz Baden-Württemberg für das Jahr 2009 sollten Proben aus zur Mineralwassergewinnung genutzten Brunnen aus Baden-Württemberg entnommen und auf Arzneimittelrückstände geprüft werden. Derartige amtliche Untersuchungen wurden bisher noch nicht durchgeführt.

 

Die Entnahme der Brunnenproben erfolgte risikoorientiert, d.h. es sollten bevorzugt solche Proben entnommen werden, bei denen aufgrund der Lage des Mineralwasserbrunnens eine nachteilige Beeinflussung, z.B. durch nahegelegene Oberflächengewässer, möglich schien.

 

In allen 47 beprobten Mineralwasserproben konnten erfreulicherweise keine der untersuchten Arzneimittelwirkstoffe nachgewiesen werden.

 

Die Untersuchungen auf diese und andere eventuell vorhandene anthropogene Verunreinigungen in natürlichem Mineralwasser werden fortgeführt.

 

 

Artikel erstmals erschienen am 27.09.2010