Mykotoxine in Getreide und Getreidemahlerzeugnissen – im Jahr 2021 ein Problem?
Dr. Tanja Welsch
Das CVUA Sigmaringen untersuchte in den letzten fünfeinhalb Jahren knapp 900 Proben Getreidekörner und Getreidemahlerzeugnisse auf eine Belastung mit Schimmelpilzgiften (Mykotoxinen). Ein Prozent der Proben beanstandeten die Sachverständigen wegen Überschreitung der gesetzlich vorgegebenen Höchstgehalte, aber in rund der Hälfte der Proben wurden Mykotoxine in geringeren Mengen nachgewiesen. Um zu prüfen, inwieweit die ungünstigen Witterungsbedingungen im Jahr 2021 eine höhere Belastung von Getreiden mit Mykotoxinen zur Folge hatten, hat das Labor von Ende 2021 bis Mitte 2022 schwerpunktmäßig Getreideproben aus Mühlen aus dem Erntejahr 2021 geprüft.
Die Expertinnen und Experten des CVUA Sigmaringen untersuchen jedes Jahr zahlreiche Proben Getreidekörner und Getreidemahlerzeugnisse wie Mehl, Grieß und Schrot auf eine Belastung mit verschiedenen Mykotoxinen.
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Was sind Mykotoxine?
Mykotoxine sind von verschiedenen Schimmelpilzen gebildete Stoffe, die bereits in geringen Konzentrationen giftig auf Mensch und Tier wirken können. Schimmelpilze können entweder Pflanzen bereits beim Wachstum auf dem Feld oder Lebensmittel bei der Verarbeitung und Lagerung befallen. Unter geeigneten Bedingungen bilden sie dann Mykotoxine, wodurch es zur Kontamination von Lebensmitteln kommt. Ob und wie stark ein Lebensmittel mit Mykotoxinen belastet ist, wird durch viele Faktoren beeinflusst, z. B. durch das Wetter s. unten.
Im Zeitraum von Anfang 2017 bis Mitte 2022 analysierte das CVUA Sigmaringen insgesamt 287 Proben Getreidekörner und 556 Proben Mehle, Grieße und Schrote. Die häufigsten Getreidesorten waren dabei Weizen, Hartweizen, Roggen, Dinkel und Mais.
Übersicht über die zwischen 2017 und 2022 am häufigsten auf Mykotoxine untersuchten Getreidearten
Die Lebensmittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrolleure der unteren Lebensmittelüberwachungsbehörden entnehmen die Proben in den unterschiedlichsten Betrieben von Mühlen über den Großhandel oder Supermärkte bis hin zu Herstellern, die Getreide verarbeiten, wie Bäcker oder Nudelfabriken.
Die Untersuchungspalette umfasste unterschiedliche Mykotoxine wie beispielsweise Aflatoxine und Ochratoxin A sowie die von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium gebildeten Stoffe Deoxynivalenol (DON), Zearalenon, HT-2 Toxin und T-2 Toxin. Bei einem Teil der Proben wurden auch Mykotoxine, die von Schimmelpilzen der Gattung Alternaria gebildet werden (sog. Alternariatoxine), untersucht.
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Rechtliche Regelungen zu Mykotoxinen
Um eine Gefährdung der Gesundheit durch mit Mykotoxinen belastete Lebensmittel zu verringern, hat der EU-Gesetzgeber für bestimmte Lebensmittel, wie Getreide, und bestimmte Mykotoxine in der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 Höchstgehalte festgelegt. Für T-2 Toxin und HT-2 Toxin gibt es noch keine Höchstgehalte, allerdings sind für die Summe aus T-2 Toxin und HT-2 Toxin in der Empfehlung 2013/165/EU für Getreide sog. Richtwerte festgelegt.
Von den 843 untersuchten Proben überschritten insgesamt sechs Proben Getreidekörner und drei Proben Getreidemahlerzeugnisse die gesetzlich festgelegten Höchstgehalte für Deoxynivalenol, Ochratoxin A oder Aflatoxine und mussten beanstandet werden. Am häufigsten wurde der Höchstgehalt von Deoxynivalenol überschritten. Insgesamt ist die Beanstandungsquote mit 1,1 % aber gering.
Das bedeutet aber nicht, dass die restlichen Proben frei von Mykotoxinen waren. Im Durchschnitt wies das CVUA Sigmaringen in gut der Hälfte der untersuchten Proben (59 %) ein oder mehrere Mykotoxinarten nach – die Gehalte lagen jedoch unterhalb der Höchstgehalte oder Richtwerte. Bei der anderen Hälfte der Proben waren keine Mykotoxingehalte oberhalb der Bestimmungsgrenzen der aktuellen Analysenmethoden festzustellen.
Die Mykotoxingehalte in Getreide und Getreidemahlerzeugnissen hängen von vielen Faktoren ab, wie beispielsweise von den Anbaubedingungen, der Getreideart, der Behandlung des Getreides nach der Ernte und der Witterung. Dies führt dazu, dass Gehalte stark schwanken können. Das Balkendiagramm gibt einen Überblick über die in den Jahren 2017 bis Mitte 2022 untersuchten Proben (unterteilt nach dem Jahr der Probenahme) und ihre Belastung mit Mykotoxinen.
Überblick über die Anzahl der Proben von Getreiden und Getreidemahlerzeugnissen mit einer nicht bestimmbaren Mykotoxinbelastung
(< Bestimmungsgrenze), einer Mykotoxinkonzentration unterhalb der Höchstgehalte bzw. Richtwerte und mit einer Überschreitung der Höchstgehalte, unterteilt nach dem Jahr der Probenahme.
Die Witterungsverhältnisse im Jahr 2021 hatten nicht nur einen Einfluss auf Ernteertrag und Qualität des Getreides. Auch war eine verstärkte Belastung mit Mykotoxinen zu befürchten. Daher untersuchte das CVUA Sigmaringen Ende des Jahres 2021 und in der ersten Jahreshälfte 2022 in einer Sonderaktion verstärkt Proben von Getreiden und Getreidemahlerzeugnissen aus der Ernte des Jahres 2021. Damit die Lebensmittelkontrolle vor Ort bei der Probenahme auch Informationen über das Erntejahr des Getreides einholen konnte, wurden schwerpunktmäßig Mühlenbetriebe beprobt. Vergleicht man die Gehalte an Mykotoxinen in den Proben von Getreide aus dem Erntejahr 2021 mit Getreideproben, die in vergleichbaren Zeiträumen in den Vorjahren bei Mühlen erhoben worden sind, ergibt sich ein ambivalentes Bild.
Vergleich der Anteile der Proben von Getreiden und Getreidemahlerzeugnissen aus Mühlenbetrieben mit einer nicht bestimmbaren Mykotoxinbelastung (< Bestimmungsgrenze) oder einer Mykotoxinkonzentration unterhalb der Höchstgehalte bzw. Richtwerte für das Erntejahr 2021 mit Proben aus vergleichbaren Zeiträumen der Vorjahre.
Keine der Getreideproben aus dem Erntejahr 2021 musste wegen einer Überschreitung der Höchstgehalte an Mykotoxinen beanstandet werden. Allerdings war ein höherer Anteil der Proben aus dem Erntejahr 2021 (69 %) mit Mykotoxinen unterhalb der Höchstgehalte belastet als in den Vorjahren (z. B. 2020: 48 %). Insbesondere die von Pilzen der Gattung Fusarium gebildeten Mykotoxine Zearalenon und Deoxynivalenol wurden deutlich häufiger gefunden als bei Proben aus demselben Zeitraum im Jahr 2020.
Als Fazit bleibt festzuhalten, dass die Belastung von Getreiden und Getreidemahlerzeugnissen aus dem Erntejahr 2021 auf einem höheren Niveau liegt als in vorherigen Zeiträumen, jedoch nicht so hoch wie ursprünglich befürchtet.