Mykotoxine (Schimmelpilzgifte)
Dr. Tanja Welsch
Was sind Mykotoxine?
Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) sind natürlich vorkommende Stoffe, die von verschiedenen Schimmelpilzen als sekundäre Stoffwechselprodukte gebildet werden können. Mykotoxine wirken schon in sehr niedrigen Konzentrationen giftig auf Mensch und Tier. Die Kontamination von Lebensmitteln mit Mykotoxinen ist ein weltweites Problem.
Inzwischen sind weit mehr als 300 verschiedene Mykotoxine und viele unterschiedliche Schimmelpilzarten, die diese bilden können, identifiziert. Üblicherweise bilden bestimmte Schimmelpilze jeweils für sie typische Mykotoxine. Welche Mykotoxine in welchen Mengen produziert werden, hängt dabei von vielen verschiedenen Faktoren ab wie beispielsweise den Temperatur- und Feuchtigkeitsbedingungen, dem Nährstoffangebot und den Entwicklungsphasen der Schimmelpilze.
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Zu den gängigen Mykotoxinbildnern zählen u. a. Schimmelpilze der Gattungen Aspergillus, Penicillium, Fusarium oder Alternaria. Für die Lebensmittel-
überwachung besonders relevanten Mykotoxine sind z. B. Aflatoxine, Ochratoxin A (OTA), Patulin, Citrinin, Fusarientoxine (u. a. Deoxynivalenol, T-2 Toxin, HT-2 Toxin, Fumonisine, Zearalenon), Alternariatoxine (u. a. Alternariol, Alternariolmono-
methylether, Tenuazonsäure) und Ergotalkaloide (auch bekannt als Mutterkornalkaloide).
Mykotoxine sind keine neuen Substanzen unserer Zeit. Neu ist lediglich, dass es heute möglich ist niedrige Gehalte dieser komplizierten Verbindungen mit moderner Analysentechnik in Lebensmitteln nachzuweisen.
In welchen Lebensmitteln kommen Mykotoxine vor?
Schimmelpilze können Nutzpflanzen bereits beim Wachstum auf dem Feld befallen. Genauso können Lebensmittel und ihre Rohstoffe bei der Verarbeitung und Lagerung auf allen Stufen der Herstellung, des Vertriebs und im Privathaushalt von Schimmelpilzen befallen werden. Unter bestimmten Bedingungen können die Schimmelpilze dann Mykotoxine bilden, wodurch es zur unerwünschten Kontamination von Lebensmitteln kommt. Wenn Nutztiere Mykotoxine über kontaminiertes Futter aufnehmen, können die Mykotoxine dann – unverändert oder in veränderter (metabolisierter) Form – in die vom Tier stammenden Lebensmittel wie Fleisch, Eier oder Milch gelangen (sog. carry over).
Die meisten Mykotoxine sind relativ hitzestabil und widerstandsfähig gegenüber den üblichen Verfahren der Lebensmittelverarbeitung, so dass sie dann auch in den verarbeiteten Erzeugnissen zu finden sind. Beispielsweise werden viele Mykotoxine bei Backprozessen in der Regel nicht zerstört.
Je nach Mykotoxin gibt es oft bestimmte Lebensmittel in denen sie vor allem vorkommen. Beispielsweise bevorzugen Schimmelpilze der Gattung Aspergillus ein warmes Klima. Daher kommen Aflatoxine vor allem in Lebensmitteln wie Nüssen, Ölsaaten, Gewürzen oder Trockenfrüchten (wie getrockneten Feigen) vor, die aus wärmeren Regionen nach Europa importiert werden. Aflatoxin M1 kann in die Milch gelangen, wenn Kühe mit Aflatoxinen kontaminiertes Futter aufgenommen haben.
Fusarientoxine oder Ergotalkaloide findet man vor allem in Getreide und Getreideprodukten wie Mehl, Teigwaren, Brot, Gebäck, Bier oder Frühstückscerealien, während die wichtigste Kontaminationsquelle für Patulin Kernobsterzeugnisse sind. Ochratoxin A kommt in einer Vielzahl an pflanzlichen und auch in tierischen Lebensmitteln vor u. a. Trockenobst, Gewürze, Ölsaaten, Getreide und Getreideprodukte, Fruchtsaft, Kaffee, Kakao, usw. Auch die von den weit verbreiteten Schimmelpilzen der Gattung Alternaria gebildeten Alternariatoxine können in den unterschiedlichsten Lebensmitteln detektiert werden (z. B. in Tomatenerzeugnissen, Ölsaaten, Trockenfrüchten, Gewürzen, Getreiden und Getreideerzeugnissen). Insgesamt sind vorwiegend pflanzliche Lebensmittel mit Mykotoxinen belastet.
Bestimmte Schimmelpilzkulturen die gezielt bei der Herstellung von Lebensmitteln wie Schimmelkäse oder Rohwürsten verwendet werden, können keine Mykotoxine bilden und sind somit gesundheitlich unbedenklich.
Mykotoxine selbst kann der Mensch nicht sehen, riechen oder schmecken. Im Allgemeinen sollten Lebensmittel trocken und bei geeigneter Temperatur aufbewahrt werden, um eine Schimmelbildung zu vermeiden. Muffig riechende oder schmeckende oder bereits verschimmelte Lebensmittel sollten Verbraucherinnen und Verbraucher nicht mehr verzehren. Wer sichergehen möchte, entsorgt verschimmelte Lebensmittel vollständig, denn Schimmelpilze und Mykotoxine könnten sich bereits ausbereitet haben ohne dass man es sehen kann.
Wie wirken Mykotoxine auf Mensch und Tier?
Unter den Oberbegriff der Mykotoxine fallen viele unterschiedliche Substanzen, die sich in ihren Strukturen und Eigenschaften unterscheiden. Abhängig von der Toxinart und der aufgenommenen Menge können Mykotoxine unterschiedliche chronische und/oder akute toxische Wirkungen hervorrufen.
Mykotoxine können u. a. Leber und Niere schädigen, Durchfall und Erbrechen verursachen, das Immunsystem oder das zentrale Nervensystem beeinträchtigen oder über hormonelle Effekte negative Wirkungen im Bereich der Fortpflanzung hervorrufen. Manche Mykotoxine wirken genotoxisch oder (wahrscheinlich) krebserregend. Insbesondere Aflatoxin B1 hat ein hohes krebserregendes Potenzial.
Ausführliche Informationen zur Toxizität von Mykotoxinen finden sich auch in den Risikobewertungen der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) und des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR).
Welche rechtlichen Regelungen gibt es?
Um eine Gefährdung der Gesundheit des Menschen durch mit Mykotoxinen belastete Lebensmittel zu verringern, hat der EU-Gesetzgeber für bestimmte Lebensmittel in der Verordnung (EU) 2023/915 für bestimmte Mykotoxine und Lebensmittel Höchstgehalte festgelegt. Die Liste der Höchstgehalte wird je nach wissenschaftlichem und technischem Kenntnisstand regelmäßig geprüft, überarbeitet und um weitere Toxine und Lebensmittelgruppen ergänzt.
Daneben regelt in Deutschland noch die Kontaminantenverordnung (KmV) Höchstgehalte für Aflatoxine in Lebensmitteln, die in der EU nicht geregelt sind.
Für weitere Mykotoxine sind Höchstgehalte in Vorbereitung, die Datenlage wird aber als noch nicht ausreichend angesehen. Hier sind die EU-Mitgliedsstaaten aufgerufen Daten zum Vorkommen dieser Substanzen in Lebensmitteln zu sammeln.
Zur Orientierung hat die EU in Empfehlungen für T-2 Toxin und HT-2 Toxin in Getreiden und Getreideerzeugnissen (Empfehlung 2013/165/EU) und für die Alternariatoxine Alternariol, Alternariolmonomethylether und Tenuazonsäure in bestimmten Lebensmitteln (Empfehlung (EU) 2022/553) Richtwerte festgelegt.
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Was sind Richtwerte?
Bei Richtwerten handelt es sich nicht um Höchstgehalte. Richtwerte basieren auf Daten über typische Gehalte von Mykotoxinen in Lebensmitteln, die in der Datenbank der EFSA verfügbar sind. Werden diese Richtwerte überschritten, so sollten die Lebensmittelüberwachungsbehörden unter aktiver Beteiligung der Lebensmittelunternehmer ermitteln, welche Faktoren zu diesen erhöhten Mykotoxin-Konzentrationen führen bzw. wie sich die Lebensmittelverarbeitung auswirkt. Dadurch sollen weitere Informationen zusammengetragen werden, mit dem Ziel Maßnahmen zur Verhinderung oder Senkung des Vorkommens der Mykotoxine zu ermitteln.
Daneben veröffentlichte die EU bereits 2003 eine Empfehlung zur Prävention und Reduzierung der Kontamination von Apfelsaft und Apfelsaftzutaten in anderen Getränken mit dem Mykotoxin Patulin (Empfehlung der Kommission 2003/598/EG). Darin empfiehlt sie sicherzustellen, dass die Unternehmen der apfelverarbeitenden Industrie alle notwendigen Vorkehrungen sowie gegebenenfalls Abhilfemaßnahmen treffen, um unter den gesetzlich festgelegten Höchstgehalt für Patulin von 50 μg/kg bei Apfelsaft zu gelangen, mit dem Ziel, letztlich einen Wert von 25 μg/kg zu erreichen.
Wie untersuchen wir zum Verbraucherschutz?
Die Untersuchung von Lebensmitteln auf toxische Stoffe ist eine wichtige Aufgabe der Lebensmittelüberwachung. Im Rahmen der Zentral- und Schwerpunktbildung in der amtlichen Lebensmittelüberwachung Baden-Württembergs untersucht das CVUA Sigmaringen zentral für ganz Baden-Württemberg Lebensmittel auf Mykotoxine.
Beprobung und Untersuchung erfolgen risikoorientiert, es wird also vermehrt dort geprüft, wo ein erhöhtes Risiko vermutet wird. Das Mykotoxinlabor untersucht vor allem pflanzliche Lebensmittel, zum Beispiel Obst- und Gemüseerzeugnisse wie Fruchtsaft, Nüsse, Schalenfrüchte, Trockenobst, Getreide, Ölsaaten, Kaffee, Kakao, Gewürze und alle Erzeugnisse, die daraus hergestellt werden. Aber auch tierische Lebensmittel wie Milch werden untersucht.
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Das CVUA Sigmaringen prüft dabei zum einen schwerpunktmäßig die Einhaltung der rechtlich vorgegebenen Höchstgehalte und Richtwerte. Die Expertinnen und Experten im Labor aktualisieren aber auch regelmäßig die Untersuchungsmethoden, um auch auf neu in den Fokus gelangte Mykotoxine prüfen zu können und dazu beizutragen, dass Datenlücken geschlossen und die Regelungen zum gesundheitlichen Verbraucherschutz vorangebracht werden können. Außerdem beteiligt sich das CVUA Sigmaringen an verschiedenen deutschland- und EU-weiten Untersuchungsprogrammen.
Bei der Mykotoxinuntersuchung stellt die sog. Nesterbildung eine große Herausforderung dar. Mykotoxine sind in Lebensmitteln oft nicht gleichmäßig verteilt, sondern es gibt Hotspots mit erhöhter Belastung, die sog. Nester. Um dennoch Proben zu erhalten, die als repräsentativ für die betreffenden Partien anzusehen sind, müssen die Lebensmittelkontrolleurinnen und Lebensmittelkontrolleure der Landratsämter die Proben vor Ort mit einem aufwendigen Verfahren entnehmen. Art und Weise der Probenahme sind in einer EU-Verordnung geregelt. Eine Probe kann daher bis zu 30 kg wiegen. Diese großen Probenmengen müssen zunächst im Labor sorgfältig fein zerkleinert und homogenisiert werden, damit die Mykotoxine danach gleichmäßig verteilt sind, denn für die Analyse können letztendlich nur wenige Gramm eingesetzt werden.
Die Bestimmung der sehr geringen Konzentrationen an Mykotoxinen, wie es durch die vorgegebenen Höchstgehalte nötig ist, erfordert aufwendige Verfahren im Labor. In mehreren Arbeitsschritten extrahieren die Labormitarbeiterinnen und -mitarbeiter die Mykotoxine und reinigen die Extrakte auf, um Störungen zu entfernen. Bei der anschließenden Untersuchung ermöglichen moderne, hochempfindliche und komplexe Messgeräte die Mykotoxine zu identifizieren und ihre Gehalte zu quantifizieren. Üblicherweise wird Hochleistungsflüssig-chromatographie (HPLC) in Kombination mit Fluoreszenzdetektion (FLD) oder Massenspektrometrie (MS/MS) zur Detektion eingesetzt.
Mykotoxin-Untersuchungsergebnisse
Ausführliche Informationen zu den Untersuchungsergebnissen einzelner Mykotoxine und Lebensmittel finden Sie in unseren Jahresberichten und in den regelmäßig in unserem Internetauftritt veröffentlichten Berichten. Für eine Übersicht über die Berichte, geben Sie im Suchfeld bitte „Mykotoxin“ ein oder das Lebensmittel oder Mykotoxin das Sie speziell interessiert.
Bilder:
CVUA Sigmaringen und Pixabay