Erstmals EU-Höchstgehalte für die Mykotoxine T-2 Toxin und HT-2 Toxin: Untersuchungsergebnisse in Lebensmitteln
Dr. Tanja Welsch
Seit Juli 2024 gelten EU-weit erstmals Höchstgehalte für die Mykotoxine (Schimmelpilzgifte) T-2 Toxin und HT-2 Toxin in Getreide und Getreideerzeugnissen. Das baden-württembergische Mykotoxinlabor am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Sigmaringen untersucht schon seit mehreren Jahren Lebensmittelproben auf T-2 Toxin und HT-2 Toxin, von 2016 bis Mitte 2024 knapp 3900. Dabei stehen nicht nur Getreideerzeugnisse im Fokus, sondern auch Lebensmittel wie Fruchtsäfte oder Öle, für die bisher noch keine Höchstgehalte festgelegt sind. So trägt das CVUA Sigmaringen dazu bei, die Datenbasis als Grundlage für toxikologische Bewertungen und letztendlich für die Festlegung von Höchstgehalten im Sinne des vorbeugenden Verbraucherschutzes zu erweitern.
Infokasten
Mykotoxine ist ein Oberbegriff für verschiedene von Schimmelpilzen gebildete Stoffe, die schon in geringen Konzentrationen giftig auf Mensch und Tier wirken können. Sie gelangen als unerwünschte Kontaminanten in Lebensmittel, wenn Schimmelpilze entweder Pflanzen bereits beim Wachstum auf dem Feld oder Lebensmittel bei der Verarbeitung und Lagerung befallen und unter geeigneten Bedingungen dann Mykotoxine bilden.
T-2 Toxin und HT-2 Toxin allgemein
Es sind viele hunderte Mykotoxine bekannt, allerdings ist nur ein Teil momentan in der Lebensmittelüberwachung relevant. Dazu gehören die Mykotoxine T-2 Toxin und HT-2 Toxin. Beide Substanzen sind strukturell sehr ähnlich. T-2 Toxin unterscheidet sich von HT-2 Toxin nur durch eine zusätzliche Acetyl-Seitenkette. T-2 Toxin und HT-2 Toxin werden von Schimmelpilzen der Gattung Fusarium über ähnliche Stoffwechselwege gebildet. Daher kommen sie häufig zusammen in Lebensmitteln wie Getreide und Getreideprodukten vor. Nach der Aufnahme durch Menschen oder Tiere,
z. B. über kontaminierte Nahrung, wird T-2 Toxin vom Stoffwechsel rasch in HT-2 Toxin umgewandelt. Daher ist unklar, in welchem Maß toxische Wirkungen von T-2 Toxin oder HT-2 Toxin ausgehen. Folglich betrachtet man häufig die Summe beider Toxine. T-2 Toxin und HT-2 Toxin haben zahlreiche negative Effekte auf Lebewesen, z. B. eine schädliche Wirkung auf das blutbildende System oder das Immunsystem oder Inhibierung der Proteinbiosynthese. Bei höheren Dosen werden auch akute Effekte beobachtet wie beispielsweise Gewichtsverlust, Futterverweigerung, Erbrechen, Diarrhö und Gewebeschäden. Die europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) hat 2017 eine tolerierbare tägliche Aufnahme (TDI) von 20 ng/kg Körpergewicht abgeleitet. Der TDI-Wert ist ein Schätzwert dafür, welche Menge täglich über die gesamte Lebenszeit ohne spürbare Auswirkungen auf die Gesundheit aufgenommen werden kann.
Rechtliche Regelungen
Die EU regelt für einige Mykotoxine in bestimmten Lebensmitteln in der Verordnung (EU) 2023/915 Höchstgehalte. Seit dem 1. Juli 2024 gelten auch erstmals EU-weite Höchstgehalte für die Summe von T-2 und HT-2 Toxin in verschiedenen Getreiden und Getreideprodukten. Der Festlegung dieser Höchstgehalte ging ein langer Prozess voraus. So wurden u. a. ausreichend empfindliche Analysenmethoden entwickelt und zahlreiche Lebensmittel untersucht, um Daten über die Gehalte von T-2 und HT-2 Toxin zu sammeln, toxikologische Bewertungen durch die EFSA durchgeführt und die Stellungnahmen aller betroffenen Kreise diskutiert. Bereits im Jahr 2013 veröffentlichte die EU-Kommission die Empfehlung 2013/165/EU, worin sie die Mitgliedsstaaten aufruft, unter aktiver Einbeziehung der Akteure der Futter- und Lebensmittelbranche Getreide und Getreideprodukte auf das Vorhandensein von T-2 und HT-2 Toxin zu untersuchen. Außerdem gibt diese Empfehlung Richtwerte vor. Dabei handelt es sich nicht um rechtlich festgelegte Höchstgehalte. Die Richtwerte basieren auf Daten über typische Gehalte dieser Substanzen in Lebensmitteln, die in der Datenbank der EFSA verfügbar sind. Werden diese Richtwerte überschritten, so sollten die Behörden unter aktiver Beteiligung der Lebensmittel- und Futtermittelunternehmer ermitteln, welche Faktoren zu diesen erhöhten Konzentrationen führen bzw. wie sich die Lebensmittelverarbeitung auf die Konzentrationen von T-2 und HT-2 Toxin auswirkt. Dadurch sollen weitere Informationen zusammengetragen werden mit dem Ziel, Maßnahmen zur Senkung des Vorkommens zu ergreifen und Höchstgehalte festzulegen. Die Expertinnen und Experten des CVUA Sigmaringen haben T-2 Toxin und HT-2 Toxin in die Analysenmethoden aufgenommen und das untersuchte Spektrum an Matrices stetig erweitert. Die Untersuchungsergebnisse werden an die EFSA weitergeleitet. So trägt das CVUA Sigmaringen stetig dazu bei, die Datenbasis über das Vorkommen von T-2 Toxin und HT-2 Toxin zu erweitern und so Informationen für die toxikologische Bewertung und die Festlegung von Höchstgehalten bereitzustellen.
Untersuchungsergebnisse Getreide
Die eingesetzten Multimethoden basieren auf einer Extraktion der Substanzen, gefolgt von Aufreinigung und Messung mittels HPLC-MS/MS. Von 2016 bis Mitte 2024 hat das CVUA Sigmaringen insgesamt knapp 3900 Proben auf T-2 und HT-2 Toxin untersucht. Vor allem natürlich Getreide und Getreideprodukte, aber auch Öle und Ölsaaten sowie Obst- und Gemüseerzeugnisse wie Fruchtsäfte. Von den etwa 2400 Proben von Getreiden und Getreideprodukten wie Getreidekörnern
(529 Proben), Getreidemahlprodukten und Getreideflocken (1288 Proben), Teigwaren (284 Proben), Brot, Backwaren und Getreidesnacks sowie Säuglingsnahrung auf Getreidebasis, hätten rückblickend lediglich 5 Proben (0,2 %) die jetzt geltenden Höchstgehalte überschritten. Bei allen 64 Proben Säuglingsnahrung lagen die Gehalte von T-2 Toxin und HT-2 Toxin unterhalb der Bestimmungsgrenze der Methode. Auch Proben der Kategorien Brot, Backwaren und Teigwaren enthielten selten bestimmbare Gehalte beider Mykotoxine. Deutlich häufiger kamen T-2 und HT-2 Toxin bei bestimmten Getreidekörnern und Getreidemahlprodukten und Getreideflocken vor. Wie in der Literatur beschrieben enthalten besonders Haferprodukte oft T-2 Toxin und HT-2 Toxin. Auch in Gerstenkörnern und Weizenkleie detektierte das CVUA Sigmaringen beide Toxine häufiger. Dagegen waren Maismehl und Maisgrieß zwar seltener mit den beiden Toxinen belastet, einzelne Proben wiesen aber mit maximalen Gehalten im Bereich von 60 µg/kg insgesamt die mit am höchsten detektierten Gehalte auf. Weizen, Hartweizen, Roggen oder Dinkel dagegen waren selten belastet (s. Tabelle 1).
Anzahl Proben |
Anzahl (Anteil) Proben mit Gehalten |
Anzahl (Anteil) mit Gehalt ∑ T-2 & HT-2 Toxin in folgenden Bereichen
(Anteil bezogen auf Proben mit Gehalten) |
||||
---|---|---|---|---|---|---|
6-10 µg/kg
|
› 10-20 µg/kg
|
› 20-40 µg/kg
|
› 40 µg/kg
|
|||
Haferflocken |
103
|
57 (55 %)
|
23 (40 %)
|
15 (26 %)
|
17 (30 %)
|
2 (4 %)
|
Haferkörner |
31
|
7 (23 %)
|
3 (43 %)
|
2 (29 %)
|
2 (29 %)
|
-
|
Haferkleie |
16
|
4 (25 %)
|
2 (50 %)
|
1 (25 %)
|
1 (25 %)
|
-
|
Weizenkleie |
17
|
7 (41 %)
|
3 (43 %)
|
-
|
-
|
-
|
Gerstenkörner |
33
|
10 (30 %)
|
5 (50 %)
|
3 (30 %)
|
2 (20 %)
|
-
|
Maismehl, ‑ grieß |
120
|
9 (8 %)
|
3 (33 %)
|
3 (33 %)
|
-
|
3 (33 %)
|
Weizenmehl |
267
|
0
|
-
|
-
|
-
|
-
|
Untersuchungsergebnisse Öle und Säfte
Das CVUA Sigmaringen analysiert T-2 und HT-2 Toxin regelmäßig auch in Lebensmitteln, für die noch keine Höchstgehalte für die beiden Mykotoxine festgelegt sind – wie Öle oder Fruchtsäfte –, um so weitere Informationen über Expositionsquellen für die Risikobewertung zusammenzutragen. Bei den ca. 250 untersuchten Ölproben hing die Belastung mit T-2 und HT-2 Toxin stark von der Ölsorte ab. Während beispielsweise Olivenöl, Sesamöl oder Leinöl unauffällig waren, enthielten Rapsöl oder Sonnenblumenöl niedrige Konzentrationen. Am häufigsten und mit den höchsten Gehalten belastet waren Hanföl und Maiskeimöl. So bestimmte das CVUA Sigmaringen in etwa der Hälfte der Hanföle und sogar in drei Viertel der Maiskeimöle Gehalte für die Summe von T-2 und HT-2 Toxin von mehr als 2 µg/kg (s. Tabelle 2). Der maximale Gehalt lag bei 62 µg/kg. Zumeist lag die Konzentration von T-2 Toxin deutlich höher als diejenigen von HT-2 Toxin.
Anzahl Proben
|
Anzahl (Anteil) Proben
mit Gehalten
|
Anzahl (Anteil) mit Gehalt ∑ T-2 & HT-2 Toxin in folgenden Bereichen
(Anteil bezogen auf Proben mit Gehalten) |
||||
---|---|---|---|---|---|---|
2-10 µg/kg
|
› 10-20 µg/kg
|
› 20 µg/kg
|
||||
Hanföl |
16
|
9 (56 %)
|
3 (33 %)
|
5 (56 %)
|
1 (11 %)
|
|
Maiskeimöl |
18
|
14 (78 %)
|
9 (64 %)
|
3 (21 %)
|
2 (14 %)
|
In den letzten Jahren ist bei Apfelsaft eine Kontamination mit T-2 Toxin und HT-2 Toxin u. a. bedingt durch Fäule in den Ausgangsprodukten in den Fokus gerückt. Von den bisher untersuchten 168 Proben Apfelsaft enthielten 35 Proben (21 %) Gehalte von T-2 und HT-2 Toxin über der Bestimmungsgrenze der Methode (2 µg/kg). Abbildung 1 gibt einen Überblick über die Anzahl und den prozentualen Anteil der untersuchten Proben und die jeweiligen Gehalte für die Summe von T-2 und HT-2 Toxin. Der maximale Gehalt lag bei 69 µg/kg. In den Proben waren – außer bei niedrigen Gehalten nahe der Bestimmungsgrenze – sowohl T-2 Toxin als auch HT-2 Toxin enthalten. Zumeist war der Gehalt an HT-2 Toxin höher, allerdings schwankte das Verhältnis der Gehalte von T-2 Toxin zu HT-2 Toxin zwischen 0,3 und 1,5.
Abbildung 1: Anzahl (Zahl im Balken) und Anteil (x-Achse) der Proben von Apfelsaft mit Gehalten der Summe von T-2 Toxin und HT-2 Toxin unter oder über der Bestimmungsgrenze der Analysenmethode bzw. im angegebenen Gehaltsbereich.
Von 24 untersuchten Birnensäften waren lediglich 2 Proben (8 %) mit T-2 und HT-2 Toxin belastet. Zudem enthielten
3 Proben Fruchtsäfte, die nicht aus Kernobst hergestellt waren, T-2 und HT-2 Toxin. Ein bundesweites Monitoringprogramm im Jahr 2025 soll zu T-2 Toxin und HT-2 Toxin in Apfelsaft weiteren Aufschluss geben.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass zwar nun erstmalig Höchstgehalte für die Summe der Mykotoxine T-2 Toxin und HT-2 Toxin in Getreiden und Getreideprodukten EU-weit festgelegt worden sind, jedoch noch einige Fragen offenbleiben und weitere Daten erforderlich sind, um eine aussagekräftige Bewertung der gesundheitlichen Risiken zu ermöglichen. So sollte beispielsweise das Vorkommen von T-2 und HT-2 Toxin in Pflanzendrinks und Apfelsaft analysiert werden, um zusätzliche bisher kaum berücksichtigte Lebensmittel in die Expositionsbewertung des Menschen einzubeziehen. Auf der Grundlage weiterer repräsentativer Daten kann eine fundierte Bewertung erfolgen, die künftige Höchstgehaltsfestsetzungen für bisher nicht geregelte Lebensmittel oder auch Anpassungen bestehender Höchstgehalte bedingen könnte.
Erstveröffentlichung in „Der Lebensmittelbrief“, Ausgabe November/Dezember 2024
Bilder
Pixabay, CVUA Sigmaringen