Beitrag zur forensischen Pathologie – interdisziplinärer Ansatz zur Aufklärung von Pflanzenvergiftungen bei Tieren

Stefanie Meißner, Maica Greiner, Ulrike Fischer, Julia Reichert, Klaus Pietsch und Michael Suntz

 

Von zahlreichen Pflanzenarten ist bekannt, dass sie giftige Substanzen (Alkaloide, Glykoside u.w.m.) enthalten. Akute Pflanzenvergiftungen führen daher immer wieder zu plötzlichen und unvorhersehbaren Todesfällen bei Tieren.

Elektropherogramm (Ausschnitt)

 

Die gängigsten Giftpflanzen sind Tierärzten bekannt und können daher im unzerkauten und nicht verdautem Zustand gut identifiziert werden. Bei Obduktionen finden sich diese Pflanzenteile allerdings häufig bereits stark zerkleinert, angedaut und vermischt mit dem physiologischen Futter im Magen-Darmtrakt, was eine Identifikation erschwert bis unmöglich macht. Obduktionen führen daher bei fehlendem Hinweis auf Giftpflanzenaufnahme im Vorbericht oft nur zu einem Anfangsverdacht, der nicht immer abgesichert werden kann, weil entsprechende diagnostische Verfahren fehlen.

 

Piktogramm MikroskopMikroskopische Pflanzenanalysen sind zwar möglich, aber sehr aufwändig und können i.d.R. nur durch geschulte und erfahrene Botanikerinnen und Botaniker durchgeführt werden.

 

Piktogramm ReagenzgläserDer chemische Nachweis der meisten Pflanzentoxine ist ebenfalls sehr aufwändig, kostspielig und nur in Einzelfällen verfügbar.

 

Insbesondere bei einem möglichen strafrechtlichen Hintergrund führt dies oft zu einer unbefriedigenden Situation.

 

Ein neuer methodischer Ansatz der Giftpflanzenanalytik, das Pflanzen-Barcoding, soll zukünftig helfen, unklare Todesfälle im interdisziplinären Team eindeutig und unzweifelhaft zu klären. Er soll daher gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) weiterentwickelt und ausgebaut werden, um ihn für die Routinediagnostik nutzbar zu machen.

Der Fall eines toten Schafs

Am Beispiel eines akut verendeten Schafes zeigt sich, welche zusätzlichen diagnostischen Möglichkeiten sich durch die Zusammenarbeit von Experten unterschiedlicher Fachrichtungen und der Anwendung moderner molekularbiologischer Verfahren erschließen.

 

Das erwachsene Schaf wies bei der tierärztlichen Obduktion Anzeichen eines Herz-Kreislauf-Versagens auf. In den stark entzündeten Darm trat Blut aus.

 

Abbildung 1: eröffneter Pansen mit einzelnen Blättern der Giftpflanzen (Pfeile)

Abbildung 1: eröffneter Pansen mit einzelnen Blättern der Giftpflanzen (Pfeile)

Bei der genauen Begutachtung des Panseninhalts fielen einzelne Nester mit grob zerkleinerten Blättern dreier verschiedener Pflanzenarten auf, die in einer breiigen, homogen-dispersen Grundmatrix aus zerkleinerten Gräsern und wenigen Getreidekörnern zu erkennen waren.

 

Einige Blätter zeigten eine efeuartige Blattform. Weitere, ovale bis länglich elliptische Blätter, die ca. 1 bis 2 cm lang waren, legten zudem den Verdacht auf Buchsbaumblätter nahe. Nicht genauer zugeordnet werden konnten die ledrigen, bauchig-lanzettförmigen Blätter einer dritten Pflanzenart.

 

Die asservierten Blätter wurden im Labor für DNA-Analytik am CVUA Freiburg molekularbiologisch mittels DNA-Barcoding untersucht.

DNA-Barcoding

DNA-Barcoding ist eine taxonomische Methode zur Artenbestimmung anhand der DNA-Sequenz eines Markergens. Mit pflanzenspezifischen Barcoding-Primern wird eine DNA-Sequenz aus einem Markergen der Pflanze in einer Polymerasekettenreaktion vervielfältigt und mittels anschließender DNA-Sequenzierung sequenziert. Anschließend wird die DNA-Barcode-Sequenz aus dem Markergen mit bekannten Sequenzen in einer Datenbank verglichen.
Mittlerweile gibt es für bestimmte Artengruppen bereits eine große Anzahl an DNA-Barcode-Sequenzen, die in Datenbanken hinterlegt sind. Ist die DNA-Barcode-Sequenz aus der Probe identisch oder weist nur geringe Variationen zu bekannten Sequenzen in der Datenbank auf, gehört die untersuchte Probe wahrscheinlich zu dieser Art.

 

Abbildung 2: aus dem Pansen asservierte Giftpflanzenbestandteile, Buchs (oben links), Lavendelheide (oben rechts), Efeu (unten mittig)

Abbildung 2: aus dem Pansen asservierte Giftpflanzenbestandteile, Buchs (oben links), Lavendelheide (oben rechts), Efeu (unten mittig)

Die Pflanzenbestandteile konnten eindeutig als Hedera helix (Efeu), Buxus sempervirens (Buchsbaum) und Pieris japonica (Japanische Lavendelheide oder auch Schattenglöckchen) identifiziert werden.

 

Alle drei nachgewiesenen Pflanzenarten gelten als toxisch. Pieris-Arten enthalten als toxische Wirkstoffe vor allem Grayanotoxine, die als stark giftig gelten und in niedriger Dosis bereits letal wirken. Buchs enthält einen ebenfalls stark giftigen Alkaloidmix. Und im Efeu findet sich ein „Cocktail“ aus Saponinen, Sesquiterpenen u. a. Substanzen, die insgesamt eine mäßige Toxizität aufweisen.

 

Nach Auswertung der molekularbiologischen und pathomorphologischen Untersuchungen konnte im vorliegenden Fall damit eindeutig eine Pflanzenvergiftung nach Aufnahme einer Mischung aus Lavendelheide, Buchs und Efeu diagnostiziert werden.

 

Abbildung 3: Ausschnitt eines DNA-Sequenzvergleichs der Blattmaterial-Probe aus dem Mageninhalt des Schafs mit DNA-Barcode-Sequenzen, die in Datenbanken hinterlegt sind. Die beste Übereinstimmung ergibt sich mit Pieris japonica.

Abbildung 3: Ausschnitt eines DNA-Sequenzvergleichs der Blattmaterial-Probe aus dem Mageninhalt des Schafs mit DNA-Barcode-Sequenzen, die in Datenbanken hinterlegt sind. Die beste Übereinstimmung ergibt sich mit Pieris japonica.

 

 

Literatur

  • Identification of poisonous plants by DNA barcoding approach, Int J Legal Med, 2010, Bruni et al.
  • Forensic application of DNA barcoding in the identification of commonly occuring poisonous plants, J Forensic Leg Med, 2021, Nithaniyal et al.
  • Pieris poisoning in sheep, Vet Rec, 1991, Power et al.
  • Giftpflanzen, ein Handbuch für Apotheker, Ärzte, Toxikologen und Biologen, 2004, Frohne und Pfänder

 

 

Bildnachweis

alle CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 29.07.2021