MALDI-TOF-Massenspektrometrie – eine Technik erobert die mikrobiologische Untersuchung

Dr. Christine Wind, Dr. Leonie Böhmer (CVUA Freiburg)

 

Innerhalb weniger Jahre hat die MALDI-TOF-MS die mikrobiologische Untersuchung revolutioniert (MALDI-TOF = Matrix Assisted Laser Desorption/Ionisation - Time Of Flight, MS = Massenspektrometrie). Wo früher mit klassischen Verfahren ein bis mehrere Tage benötigt wurden, können mit dieser innovativen Technik Bakterienisolate in weniger als 15 Minuten identifiziert werden. Ein Meilenstein für unsere Tätigkeit im mikrobiologischen Labor im Dienste von Verbraucherschutz, Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit.

 

Infokasten

Mikroorganismen können, nachdem sie auf festen Nährmedien (z.B. Agar-Platten) sichtbare Kolonien gebildet haben, ohne aufwendige Vorbereitung direkt der Messung mittels MALDI-TOF-MS zugeführt werden. Dabei werden die zu analysierenden Mikroorganismen in eine Matrix eingebettet und mit Hilfe eines Lasers beschossen. Die dabei entstehenden Zellfragmente verlassen explosionsartig ihren Untergrund (Desorption) und werden ionisiert. Anschließend folgt ihre Beschleunigung in einem elektrischen Feld. Ein Ionendetektor wandelt die ankommenden Ionen in ein elektrisches Signal um. Es handelt sich um eine massenspektrometrische Untersuchung mit Analyse der Flugzeit. Zur Identifikation der Mikroorganismen werden die resultierenden Daten mit einer Datenbank verglichen.

 

Erfahrungen aus dem Alltag der Lebensmittelmikrobiologie des CVUA Freiburg...

MALDI-TOFMit großer Vorfreude und Spannung haben wir am CVUA Freiburg vor gut einem Jahr ein MALDI-TOF-Massenspektrometer in Empfang genommen (Abbildung 1).

 

Im Bereich der Lebensmittelmikrobiologie sollte das Gerät uns unter anderem bei der Identifizierung von Krankheitserregern, die aus Lebensmitteln isoliert werden, unterstützen.

 

Vor der Einführung des Verfahrens in die Laborroutine waren bestimmte Voraussetzungen zu erfüllen: Mittels Validierungsstudien musste für jeden Zielkeim gezeigt werden, dass der Einsatz der MALDI-TOF-Massenspektrometrie für den beabsichtigten Gebrauch geeignet ist. Erst danach war der Weg frei und wir konnten z.B. bei der Untersuchung von Vibrionen in Fischen oder Meeresfrüchten von den Vorteilen der Technik profitieren (Abbildung 2).

 

Abbildung 1: MALDI-TOF-Massenspektrometer

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Je nach Vibrio-Art kann der Verzehr kontaminierter Lebensmittel zu Brech-Durchfall (V. parahaemolyticus, V. cholerae) oder der Hautkontakt beim Handling zu Wundinfektionen (V. vulnificus) führen. Klassische Identifizierungsmethoden, beispielsweise zur Überprüfung von Enzymaktivitäten, sind zeit- und arbeitsaufwendig. Durch den Einsatz der MALDI-TOF-Technik wird eine schnelle und vor allem zuverlässige Identifizierung dieser Bakterien ermöglicht.

 

Aufarbeitung

Abbildung 2: Ablauf der Vibrionen-Untersuchung. Im Vergleich: Klassische Identifizierung vs. MALDI-TOF-MS.

 

Auch weitere Untersuchungsgänge zum Nachweis von Krankheitserregern in Lebensmitteln wie z.B. Campylobacter oder Yersinia enterocolitica konnten mit Hilfe der MALDI-TOF-MS vereinfacht und verkürzt werden. So setzen wir heute bei der gezielten Suche nach pathogenen Varianten, z.B. von Yersinia enterocolitica und Vibrio parahämolyticus, eine Kombination von kulturellen, molekularbiologischen und massenspektrometrischen Techniken ein, um aussagekräftige und sichere Ergebnisse zu erzielen.

 

Unser Resümee nach einem Jahr: Mit der MALDI-TOF-Massenspektrometrie ist die mikrobiologische Untersuchung „am Puls der Zeit"! Schnelle Ergebnisse durch den Einsatz dieser Technik erleichtern nicht nur die Arbeit im mikrobiologischen Labor, sie leisten zudem einen Beitrag zum Verbraucherschutz.

 

...und der Blick über den Tellerrand

Neben dem Einsatz in der Laborroutine haben wir am CVUA Freiburg einen ersten Blick über den Tellerrand gewagt, um zu schauen, ob sich ggf. weitere Einsatzmöglichkeiten der MALDI-TOF-MS über die koloniebasierte Standardidentifizierung hinaus ergeben können.

 

Je nach Bakterienart gestaltet sich deren kulturelle Isolierung auf festen Nährmedien schwierig. Eine Vermehrung ist z.T. nur auf bestimmten Nährmedien möglich, und bis zum Erhalt sichtbarer Kolonien können mehrere Tage vergehen. Daher haben wir in ersten Versuchen getestet, ob ein Nachweis von Bakterien direkt aus Lebensmitteln ohne vorherige Isolierung möglich ist.

 

Ein Beispiel schwierig anzüchtbarer Bakterien sind so genannte hitzeresistente Sporenbildner (HRS - Heat resistant sporeformers) der Bakterien-Art Bacillus sporothermodurans. Diese können die Herstellung von ultrahocherhitzter Milch (UHT-Milch/H-Milch) bei unzureichender Erhitzung überleben und sich anschließend in der Milch vermehren.

 

Rechtliche Hintergrundinfo zu ultrahocherhitzter Milch:

Die Verordnung (EG) Nr. 853/2004 beinhaltet spezifische Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs. Darin werden an die Herstellung von UHT-Milch folgende Anforderungen gestellt:
Ultrahocherhitzung (UHT) durch eine Behandlung

  • in Form kontinuierlicher Wärmezufuhr bei hoher Temperatur für kurze Zeit (nicht weniger als 135 °C bei geeigneter Heißhaltezeit), so dass bei Aufbewahrung in einer sterilen verschlossenen Packung bei Umgebungstemperatur keine lebensfähigen Mikroorganismen oder Sporen, die sich im behandelten Erzeugnis vermehren können, vorhanden sind, und
  • die ausreicht, um sicherzustellen, dass die Erzeugnisse nach einer Inkubation in verschlossenen Packungen bei 30 °C für 15 Tage oder bei 55 °C für 7 Tage oder nach Anwendung einer anderen Methode, bei der erwiesen ist, dass die geeignete Wärmebehandlung durchgeführt wurde, mikrobiologisch stabil sind.

 

Trotz der rechtlichen Anforderungen an UHT-Milch (siehe Info-Box) gibt es Einzelfälle, in denen in UHT-Milch hohe Keimzahlen an Bacillus sporothermodurans nachgewiesen werden. Es handelt sich dabei um eine unerwünschte Kontamination, gesundheitliche Gefahren bestehen jedoch nicht. [1, 2]

 

In unseren Experimenten wurde als „Test-Lebensmittel" ultrahocherhitzte Milch künstlich mit sporenbildenden Mikroorganismen (Bacillus sporothermodurans, Bacillus cereus) beimpft. Die Milchproben, welche Keimgehalte bis zu 107 koloniebildende Einheiten (KbE) pro ml Milch enthielten, wurden einer Probenaufarbeitung unterzogen. Durch mehrere Lyse- und Waschschritte wurden die massenspektrometrische Messung störende Milchbestandteile, wie beispielsweise Milchfett und -proteine, entfernt. Die am Ende dieser Aufarbeitung als Pellets vorliegenden Bakterienzellen wurden in einem Extraktionsverfahren mit Ethanol, Ameisensäure und Acetonitril behandelt, um die für die Identifizierung mittels MALDI-TOF-MS erforderlichen bakteriellen Proteine freizusetzen (Abbildung 3).

 

Aufarbeitung Milch

 

Abbildung 3: Darstellung verschiedener Schritte bei der Probenaufarbeitung zur Identifikation von Sporenbildnern in Milch.

 

Ergebnisse und Schlussfolgerungen

Bei der Messung im MALDI-TOF-Massenspektrometer wurden sporenbildende Mikroorganismen in allen Proben ab einem Keimgehalt von 105 KbE/ml nachgewiesen und korrekt identifiziert.

 

Es konnte gezeigt werden, dass der Nachweis von Sporenbildnern der Arten Bacillus sporothermodurans und Bacillus cereus bei Anwendung geeigneter Aufarbeitungsverfahren direkt aus Milch ohne vorherige kulturelle Isolierung der Bakterien möglich ist.

 

Bei der kulturellen Isolierung von Bacillus sporothermodurans sind bis zum Auftreten sichtbarer Bakterienkolonien Bebrütungszeiten von bis zu 5 Tagen erforderlich, gefolgt von einer Bestätigung der Kolonien z.B. mit molekularbiologischen Methoden (PCR).

Die hier dargestellte Probenaufarbeitung mit anschließender massenspektrometrischer Identifizierung ermöglicht ein Ergebnis bereits nach ca. 2 Stunden. Durch den Einsatz dieses Verfahrens kann die Dauer der Untersuchung deutlich verkürzt und der Arbeitsaufwand reduziert werden.

 

Ob die direkte Identifizierung auch für weitere Bakterienarten und andere Lebensmittel möglich ist, bzw. welche weiteren Einsatzgebiete neben der koloniebasierten Standardidentifizierung denkbar sind, bedarf weiterer Untersuchungen.

 

Literatur

Scheldemann P., Herman L., Foster S., Heyndrickx M. (2006): Bacillus sporothermodurans and other highly heat-resistant spore formers in milk. Journal of Applied Microbiology 101, 542-555

 

Hammer P., Suhren G., Heeschen W. (1996): Vorkommen hitzeresistenter mesophiler Sporenbildner in UHT-Milch. dmz 16/96, 738-744

 

 

Weitere Informationen

Beim MALDI Biotyper Anwendertreffen am 13. und 14. November 2013 in Bremen wurde das Thema Ein Jahr MALDI-Biotyper am CVUA Freiburg - Erfahrungen aus dem Alltag der Lebensmittelmikrobiologie und der Blick über den Tellerrand in einem Vortrag vorgestellt. >>> weiter zum Vortrag

 

Bereits in der Vergangenheit erwies sich die MALDI-TOF-Technologie bei Untersuchungen des CVUA Freiburg als geeignetes Instrument zum Vergleich und zur Identifizierung von Mikroorganismen aus Rohmilchbutter und den zugehörigen Starterkulturen. Näheres zu diesem Thema finden Sie im Beitrag Moderne trifft Tradition - MALDI-TOF als innovatives Element bei der Untersuchung von Rohmilchbutter hergestellt nach Großmutters Manier >>> weiter zum Beitrag

 

Bildnachweis

alle CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 03.12.2013