Dioxine und polychlorierte Biphenyle in Wildschweinen aus Baden-Württemberg – Untersuchungsergebnisse von Fleisch- und Leberproben aus den Jahren 2018–2020

Sandra Schill, Annika Maixner, Theresa Zwickel

 

Im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung werden am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt (CVUA) Freiburg auch Fleisch und Leber von Wildschweinen auf Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB) untersucht. In allen untersuchten Wildschweinproben aus den Jahren 2018–2020 konnten diese Umweltkontaminanten nachgewiesen werden. Berücksichtigt man bei der Belastung der Proben die maximal tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge wird diese bei 43 % der untersuchten Wildschweinleberproben bereits durch den Verzehr von maximal 150 g Leber ausgeschöpft.

 

Wildschweine

 

In den Jahren 2018–2020 wurden insgesamt 49 Wildschweinlebern und 22 Proben Wildschweinfleisch am CVUA Freiburg auf Dioxine und PCB untersucht. Von 5 Tieren konnten jeweils Leber und Fleisch untersucht werden. Die Proben wurden in ganz Baden-Württemberg erhoben (4 Proben aus dem Regierungsbezirk Stuttgart, 45 Proben aus dem Regierungsbezirk Tübingen, 13 Proben aus dem Regierungsbezirk Karlsruhe, 9 Proben aus dem Regierungsbezirk Freiburg).

Was sind Dioxine und polychlorierte Biphenyle (PCB)?

Bei Dioxinen und polychlorierten Biphenylen (PCB) handelt es sich um chlorierte organische Verbindungen, die eine humantoxische Wirkung aufweisen und in der Umwelt weit verbreitet vorkommen. Dioxine, unter denen man polychlorierte Dibenzo-p-dioxine (PCDD) und polychlorierte Dibenzofurane (PCDF) versteht, wurden nie gezielt zu technischen Zwecken hergestellt, sondern können unter anderem bei der unvollständigen Verbrennung von Kohlenstoffverbindungen unter der Anwesenheit von Chlor, als unerwünschte industrielle Nebenprodukte oder bei Trocknungsprozessen entstehen.

Bei PCB unterscheidet man zwischen den dioxinähnlichen (dioxin like = dl) PCB, die in Struktur und Art der Toxizität den Dioxinen ähneln, und den nicht dioxinähnlichen (non dioxin like = ndl) PCB. Im Gegensatz zu Dioxinen wurden PCB mehrere Jahrzehnte lang weltweit für technische Zwecke kommerziell produziert, jedoch ist die Herstellung und Verwendung bereits seit den 80er Jahren in fast allen Industrieländern verboten.

 

Vorkommen in der Umwelt und Toxizität

Aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften sind Dioxine und PCB persistent, wodurch sie sich in der Umwelt anreichern. Sie können über die Luft, Böden und Sedimente auch in Futter- und Lebensmittel gelangen. Da es sich bei Dioxinen und PCB um fettlösliche Substanzen handelt, reichern sich diese in Tieren sowie beim Menschen bevorzugt im Fettgewebe oder der Leber an (Bioakkumulation).

 

Bewertet werden festgestellte Dioxin- und PCB-Gehalte in Form von Summenparametern, bei deren Berechnung die unterschiedliche Toxizität der einzelnen Verbindungen relativ zum sogenannten „Seveso-Gift“ 2,3,7,8-TCDD (der giftigsten Einzelverbindung unter den Dioxinen) berücksichtigt wird. Die Konzentrationen der Einzelsubstanzen werden dabei über sogenannte Toxizitätsäquivalenzfaktoren (TEF) gewichtet, die als Summenwert das sogenannte Toxizitätsäquivalent (TEQ) ergeben.

Hintergrund der Untersuchung von Wildschweinen auf Dioxine und PCB

In Verbindung mit der Anreicherung der Dioxine und PCB in der Umwelt, werden insbesondere Waldböden als mögliche Schadstoff-Senke für diese Verbindungen diskutiert. Wildschweine sind Allesfresser und nehmen durch das Wühlen im Boden während der Nahrungssuche erdbehaftete pflanzliche und tierische Nahrungsbestandteile auf. Durch die Untersuchung von Wildschweinfleisch oder -leber können somit Umweltkontaminationen mit Dioxinen und PCB, aber auch anderen organischen Schadstoffen wie per- und polyfluorierte Alkylsubstanzen (PFAS) erkannt werden. Daher können Wildschweine als Bioindikator für das gesamte Ökosystem betrachtet werden. Durch die Funktion der Leber als Entgiftungsorgan, reichern sich organische Kontaminanten insbesondere dort an.

Untersuchungsergebnisse von Wildschweinfleisch und -leber im Allgemeinen

In allen untersuchten Proben Wildschweinfleisch und -leber konnten Dioxine und PCB nachgewiesen werden. Für Dioxine und PCB in Fleisch und Leber von Wild gibt es derzeit keine EU-weiten Höchstgehaltsregelungen. Dennoch werden die Bezugsgrößen der Höchstgehalte für Fleisch und Leber von verschiedenen Nutztieren gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1881/2006 zugrunde gelegt, das heißt die Gehalte an Dioxinen und PCB werden in Wildschweinfleisch auf Fett und in Wildschweinleber auf das Frischgewicht bezogen. Eine Übersicht über die mittleren Gehalte (Median) sowie den Bereich der Gehalte zeigt Tabelle 1.

 

Tabelle 1: PCDD/F- und PCB-Gehalte der untersuchten Wildschweinproben – Fleisch und Leber

Tabelle 1: PCDD/F- und PCB-Gehalte der untersuchten Wildschweinproben – Fleisch und Leber

Was sind Indikator-PCB?

Unter den Indikator-PCB versteht man die sechs ndl-PCB PCB 28, PCB 52, PCB 101, PCB 138, PCB 153 und PCB 180. Diese PCB haben in Summe einen maßgeblichen Anteil an den Gesamt-PCB-Gehalten in Lebens- und Futtermitteln. Deshalb wird die Summe dieser sechs PCB als geeigneter Indikator für die PCB-Belastung in Lebens- und Futtermitteln betrachtet und als Bewertungsgrundlage herangezogen.

Die nationale Kontaminantenverordnung trifft Höchstgehaltsregelungen bezüglich ndl-PCB für Wildschweinfleisch. Für PCB 28, PCB 52, PCB 101 und PCB 180 gilt abhängig vom Fettgehalt jeweils ein Höchstgehalt von 0,008 mg/kg Produkt (für Proben mit einem Fettgehalt bis 10 %) bzw. 0,08 mg/kg Produkt (für Proben mit einem Fettgehalt > 10 %). Für PCB 138 und PCB 153 gilt jeweils ein Höchstgehalt von 0,01 mg/kg Produkt (bei Fettgehalten bis 10 %) bzw. 0,1 mg/kg Produkt (bei Fettgehalten > 10 % Fett). Die Gehalte von PCB 28 und PCB 52 in den untersuchten Proben waren alle mindestens um Faktor 1000 kleiner als der gültige Höchstgehalt. Für PCB 101 und PCB 138 lagen die Gehalte im Vergleich mit den festgesetzten Höchstgehalten 100- bis 1000-fach niedriger, für PCB 153 und PCB 180 10- bis 100-fach.

Untersuchungsergebnisse von Leberproben im Einzelnen

Bei 46 der 49 untersuchten Wildschweinlebern ist der Beitrag der Dioxine zum WHO-PCDD/F-PCB-TEQ größer als der Beitrag der dioxinähnlichen PCB. Der Anteil an Dioxinen liegt bei diesen 46 Proben zwischen 51 % und 89 %. Bei 3 Leberproben beträgt der Dioxinanteil am Gesamt-TEQ mindestens 38 %.

 

Sonstige Untersuchungen von Nutztieren, wie z. B. Weiderindern, deren Belastung auch häufig durch die Aufnahme von Bodenpartikeln beeinflusst wird, zeigen im Vergleich meist höhere dl-PCB Gehalte als Dioxingehalte. Eine genaue Erklärung für den höheren Beitrag der Dioxine liegt bei den Wildschweinproben nicht vor.

 

Abbildung 1: Beitrag der PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte der untersuchten Wildschweinleberproben (n = 49) zum WHO-PCDD/F-PCB-TEQ (Ergebnisse bezogen auf Frischgewicht)

Abbildung 1: Beitrag der PCDD/F- und dl-PCB-Gehalte der untersuchten Wildschweinleberproben (n = 49) zum WHO-PCDD/F-PCB-TEQ (Ergebnisse bezogen auf Frischgewicht)

Untersuchungsergebnisse von Fleisch- und Leberproben derselben Tiere

Bei den fünf Tieren, von denen jeweils Fleisch und Leber zur Untersuchung vorlagen, zeigten die Lebern zum Teil deutlich höhere Belastungen als das zugehörige Fleisch (jeweils in Bezug auf den Fettgehalt). Insbesondere die Gehalte an Dioxinen waren in den Lebern um Faktor 5 bis 20 höher als im Fleisch des entsprechenden Tieres (Abbildung 2).

 

Abbildung 2: Vergleich der WHO-PCDD/F-PCB-TEQs von 5 Wildschweinproben, jeweils im Fleisch und der Leber desselben Tieres (Ergebnisse jeweils bezogen auf Fett)

Abbildung 2: Vergleich der WHO-PCDD/F-PCB-TEQs von 5 Wildschweinproben, jeweils im Fleisch und der Leber desselben Tieres (Ergebnisse jeweils bezogen auf Fett)

Vergleich mit der tolerierbaren wöchentlichen Aufnahme

Im November 2018 wurde von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine neue Stellungnahme zur Bewertung des Risikos für die menschliche Gesundheit durch mit Dioxinen und dioxinähnlichen PCB belastete Lebens- und Futtermitteln veröffentlicht [1]. In dieser Stellungnahme wurde eine tolerierbare wöchentliche Aufnahmemenge (TWI; tolerable weekly intake) für die Summe aus Dioxinen und dioxinähnlichen PCB (WHO-PCDD/F-PCB-TEQ) festgelegt. Der TWI beschreibt eine Stoffmenge, die bei einer lebenslangen Aufnahme als gesundheitlich unbedenklich angesehen wird. Dabei wird der TWI speziell für Verbindungen herangezogen, die sich im Körper über einen längeren Zeitraum ansammeln können und nur langsam wieder ausgeschieden werden.

 

Mit dieser Stellungnahme wurde der von der EFSA veröffentlichte TWI von bis dahin geltenden 14 pg auf 2 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/ kg Körpergewicht pro Woche abgesenkt [1]. Bei einem angenommenen Körpergewicht von 70 kg ergibt sich somit eine als toxikologisch unbedenklich anzusehende wöchentliche Aufnahme von 140 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ.

Hinweis:

Nach EFSA-Empfehlung von 2012 wird zur Darstellung der als toxikologisch unbedenklich angesehenen Aufnahmemengen ein angenommenes Körpergewicht von 70 kg als europäischer Durchschnittswert herangezogen [2].

WaidmannsheilWendet man den TWI auf die in den untersuchten Wildschweinfleischproben festgestellten Summengehalte von Dioxinen und dl-PCB an, wird dieser für drei Proben, die Gehalte von mehr als 4 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/g Fett aufwiesen, durch den Verzehr von 140 g, 230 g bzw. 490 g Fleisch je Woche vollständig ausgeschöpft. Bei den niedriger belasteten Fleischproben wird der TWI im Mittel erst bei einer Verzehrsmenge von mehr als 1,4 kg überschritten. Im Hinblick auf die Ausschöpfung des TWI auch unter Berücksichtigung der Aufnahme aus anderen Lebensmitteln wird der gelegentliche Verzehr von Wildschweinfleisch deshalb als unbedenklich angesehen.

 

Bei den 13 Leberproben, bei denen Gehalte von mehr als 2 pg WHO-PCCD/F-PCB-TEQ/g Frischgewicht festgestellt wurden, wird der TWI bei Verzehrsmengen von nur 3 g bis 52 g Wildschweinleber pro Woche vollständig ausgeschöpft. Insgesamt liegen bei 43 % der untersuchten Proben die Gehalte für die Summe aus Dioxinen und dl-PCB so hoch, dass eine für Wildscheinleber als üblich zu Grunde gelegte Portionsgröße von 150 g zu einer Überschreitung des TWI führen würde. Auf diese Gegebenheiten geht auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit in seinem veröffentlichten „Verbrauchertipp Gesundheit und Lebensmittelsicherheit – Bei Verzehr von Innereien beachten“ ein. In diesem Verbrauchertipp wird allgemein empfohlen, Innereien wildlebender Tierarten nur gelegentlich und insbesondere Innereien von Wildschweinen nur selten zu verzehren.

Neben der Belastung mit Dioxinen und PCB wird in dem Verbrauchertipp auch auf eine möglicherweise erhebliche Belastung von Wildschweinleber mit perfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) hingewiesen. Diese Belastung von Wildschweinleber mit PFAS wird auch durch Untersuchungsergebnisse des CVUA Freiburg aufgezeigt.

 

Literatur

[1] Risk for animal and human health related to the presence of dioxins and dioxin-like PCBs in feed and food, EFSA Journal 2018; 16(11):5333.

[2] EFSA Scientific Committee; Guidance on selected default values to be used by the EFSA Scientific Committee, Scientific Panels and Units in the absence of actual measured data. EFSA Journal 2012; 10(3):2579.

 

Bildnachweis

alle CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 09.12.2020