Rückstände von Chlorat und quartären Ammoniumverbindungen in Pangasiusfilet

Benjamin Dambacher; Dr. Christina Riemenschneider, Dr. Björn Hardebusch (CVUA Freiburg)

 

Chlorat und quartäre Ammoniumverbindungen (QAV) waren in den vergangenen Jahren Untersuchungsschwerpunkte der CVUAs. Befunde gab es unter anderem in pflanzlichen Lebensmitteln wie Obst und Gemüse, aber auch in tierischen Lebensmitteln wie Milch, Sahne, Käse oder Speiseeis [1; 2]. Das CVUA Freiburg hat 2019 im Rahmen eines bundesweiten Untersuchungsprogramms verschiedene Fischprodukte (Pangasiusfilet, Räucherlachs, pazifische Scholle, Rotbarschfilet, Kabeljau-Filet und Seelachsfilet) unter anderem auf diese Verbindungen untersucht.

 

Pangasianodon Hypophthalmus

Pangasianodon hypophthalmus, Foto: Staticd, Creative Commons

Mögliche Kontaminationsquellen von Chlorat und QAV in Fischerzeugnissen:

Fischprodukte sind sehr empfindliche Lebensmittel. Um die Qualität und Frische der Fischprodukte im tiefgefrorenen Zustand zu erhalten, wird ihre Oberfläche häufig mit einer Schutzschicht aus Wasser überzogen, indem das tiefgefrorene Erzeugnis kurzzeitig in Trinkwasser eingetaucht oder mit Trinkwasser besprüht wird. Diese als „Glasur“ bezeichnete dünne Eisschicht dient als eine Art Verpackungshilfe, die das Risiko eines Kontaktes mit Luft verringert und so die Haltbarkeit des Fischprodukts verlängert. Des Weiteren ist bekannt, dass speziell bei Pangasius bei der Produktion der Filets unter Verwendung wasserbindender Substanzen - meist Zusatzstoffe wie Zitronensäure, Carbonate oder Phosphate - Wasser zugefügt wird. Hierbei kann der Wasseranteil im Filet um bis zu 20% erhöht werden [3]. Sowohl die wasserbindenden Substanzen als auch das Wasser müssen im Zutatenverzeichnis deklariert sein.

 

Pangasiusfilet bei der ProbenvorbereitungAus Sicht des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist dabei nicht nur die Qualität der Fische von Bedeutung, sondern auch die Qualität des zur Erzeugung der „Glasur“ eingesetzten Trinkwassers und des bei der Verarbeitung der Fische verwendeten Prozesswassers (Wasser, das während der Produktherstellung eingesetzt wird). Bei der Verarbeitung von mikrobiologisch leicht verderblichen Lebensmitteln, wie z.B. Fischen, werden dem Prozesswasser häufig chlorhaltige Mittel zugesetzt, die durch chemischen Abbau zu Chlorat-Rückständen im Prozesswasser und damit auch in den verarbeiteten Lebensmitteln führen können. Voraussetzung für die Verwendung chlorhaltiger Mittel in Prozesswasser ist, dass im Endlebensmittel nur unbeabsichtigte, technologisch unvermeidbare Rückstände des Stoffes oder seiner Derivate (hier: Chlorat) verbleiben. Trinkwasser wird ebenfalls mit chlorhaltigen Mitteln desinfiziert und kann daher u.U. Chlorat-Rückstände enthalten. Wird ein solches Trinkwasser zur Erzeugung der Glasur auf Fischprodukten eingesetzt, können diese mit entsprechenden Rückständen kontaminiert sein.

 

Neben der Problematik von Rückständen im eingesetzten Wasser ist der Einsatz von rückstandsfreien Arbeitsgeräten/-flächen wichtig für die Herstellung von sicheren Lebensmitteln. Arbeitsgeräte und Arbeitsflächen werden mit Desinfektionsmitteln gereinigt, die z.B. Benzalkoniumchlorid (BAC) oder Didecyldimethylammoniumchlorid (DDAC) enthalten können. Nach dem Reinigungsvorgang müssen diese Mittel durch Nachspülen mit (heißem) Wasser sorgfältig entfernt werden, da sonst anhaftende Rückstände von den gereinigten Oberflächen auf die Lebensmittel übergehen können [4].

 

In einem bundesweiten Monitoring-Projekt 2019 zu Rückständen von Quartären Ammoniumverbindungen und Chlorat in Fischprodukten sollte die Belastungssituation ermittelt werden. Das CVUA Freiburg hat im Rahmen dieses Monitoring-Projektes verschiedene Fischprodukte (Pangasiusfilet (17 Proben), Räucherlachs (28 Proben), pazifische Scholle (17 Proben), Rotbarschfilet (9 Proben), Kabeljau-Filet (8 Proben) und Seelachsfilet (7 Proben)) untersucht.

 

Pangasiusfilet mit Glasierwasser

Pangasiusfilet aus den Untersuchungen 2019

Aktuelle Untersuchungsergebnisse:

Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen waren insbesondere die Pangasiusfilet-Proben auffällig, weshalb der Bericht ausschließlich diese Ergebnisse darstellt. Beim Pangasius (Schlankwels) handelt es sich um einen asiatischen Süßwasserfisch (siehe Infokasten Pangasius). Die auf dem deutschen Markt gehandelten Erzeugnisse stammen praktisch ausschließlich aus vietnamesischen Aquakulturbetrieben. Die Fische werden bereits im Ursprungsland geschlachtet, filetiert und tiefgefroren, so dass die Fischfilets auch bereits dort mit den untersuchten Stoffen verunreinigt werden.

 

Ergebnisse zu Chlorat-Untersuchungen:

In 15 der 17 Proben (88 %) wurden Rückstände an Chlorat nachgewiesen. Die festgestellten Gehalte lagen bei 11 Proben im Bereich von 0,01 – 0,1 mg/kg und waren somit bei den meisten Proben als unauffällig zu beurteilen. Drei Proben enthielten jedoch Chloratgehalte im Bereich zwischen 2,0 und 2,7 mg/kg und wurden aufgrund der Kontamination als nicht zum Verzehr geeignet beurteilt. Das am höchsten belastete Pangasiusfilet wies einen Chloratgehalt von 44,3 mg/kg auf. In diesem Fall wurde die akute Referenzdosis um mehr als das 3-fache überschritten, so dass diese Probe als gesundheitsschädlich beurteilt wurde. [Übersicht siehe Abb. 2]

 

Grafik: Chloratrückstände in Pangasiusfilet 2019

Chloratgehalte in 17 Pangasiusfilets in mg/kg aus dem Untersuchungsprogramm 2019

 

Chlorat hemmt reversibel die Aufnahme von Jodid in die Schilddrüse und kann insbesondere bei empfindlichen Personengruppen wie Kindern, Schwangeren oder Personen mit Schilddrüsenfunktionsstörungen unerwünschte gesundheitliche Effekte verursachen. Neben Auswirkungen auf die Schilddrüsenfunktion kann Chlorat auch Schädigungen der Erythrocyten (Methämoglobin-Bildung, Hämolyse) bewirken. Chlorat ist ein in der EU seit dem Jahr 2008 nicht mehr zugelassenes Pflanzenschutzmittel (Nichtaufnahme-Entscheidung 2008/865/EG). Neben der Anwendung als Pflanzenschutzmittel kann Chlorat beispielsweise auch infolge einer Umweltkontamination oder als Rückstand durch den Einsatz als Reinigungsmittel bzw. Desinfektionsmittel (Biozid) in das Lebensmittel gelangen [5].

 

Ergebnisse zu quartären Ammoniumverbindungen:

14 der 17 untersuchten Pangasiusfilets (82 %) waren frei von DDAC und BAC. In zwei Proben wurde BAC mit Gehalten von 0,14 bzw. 0,18 mg/kg bestimmt. In einem Filet wurde ein außergewöhnlich hoher BAC-Rückstand von 157 mg/kg festgestellt. Ein Fisch mit 157 mg/kg BAC würde, bei einer üblichen Portion von ca. 200 g Fisch, eine Totalaufnahme vom Verbraucher von 31,4 mg BAC bedeuten. In diesem Fall würde die akute Referenzdosis um mehr als das 4-fache überschritten. Diese Probe wurde daher als gesundheitsschädlich beurteilt.

 

BAC und DDAC besitzen biozide Eigenschaften und werden daher häufig als Desinfektionsmittel zur Reinigung von Oberflächen und Schneidgeräten verwendet. Die Gesamtergebnisse dieser Untersuchungen werden in die bundesweite Auswertung des Monitoring-Projektes einfließen und im Monitoringbericht 2019 veröffentlicht werden.

 

Handlungsbedarf gegeben:

Rückstände von Chlorat und Benzalkoniumchlorid in Pangasiusfilet sind, zumindest in höheren Gehalten gesundheitlich nicht unbedenklich. Drei Proben mit Chlorat-Gehalten von 2,0 mg/kg, 2,4 mg/kg, 2,7 mg/kg wurden als „nicht zum Verzehr geeignet" beurteilt. Eine Probe mit einem Chlorat-Gehalt von 44,3 mg/kg sowie eine Probe mit einem BAC-Gehalt von 157 mg/kg wurden als "gesundheitsschädlich" beurteilt. Somit waren insgesamt 5 der 17 untersuchten Pangasiusproben (29 %) als "nicht sichere Lebensmittel" im Sinne der europäischen Basisverordnung (Art. 14 der VO (EG) 178/2002) zu beurteilen. Es handelte sich bei den Proben um Ware für die Gastronomie bzw. Gemeinschaftsverpflegung oder um Ware aus solchen Betrieben. Die beanstandete Ware wurde aus dem Verkehr gezogen und von den Großkunden zurückgerufen.

 

Im Jahr 2020 wird das CVUA Freiburg gezielt Pangasius aus dem Fischgroßhandel für Endverbraucher untersuchen, um zu überprüfen, ob die Situation hier ebenso unbefriedigend ist.

Toxikologie Chlorat und QAV

Allgemeines zur akuten Referenzdosis:

Zur möglichen Abschätzung der akuten Exposition von Verbrauchern legt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) eine akute Referenzdosis (ARfD) für Stoffe fest. Die ARfD ist definiert als diejenige Substanzmenge pro kg Körpergewicht, die über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko für den Verbraucher aufgenommen werden kann [5]. Sie wird nur für solche Stoffe festgelegt, die aufgrund ihrer akuten Toxizität schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Exposition gesundheitliche Schädigungen hervorrufen können.

Toxizität

Beispielhaft für Chlorat

Die EFSA hat zur möglichen Abschätzung der Exposition eine tolerierbare tägliche Aufnahmemenge (TDI) von 0,003 mg/kg Körpergewicht bzw. für die akute Exposition eine ARfD von 0,036 mg/kg Körpergewicht festgelegt [5].

 

Bei einem angenommenen Körpergewicht für eine erwachsene Person von 70 kg (16,15 kg für ein Kind) ergibt sich somit eine Aufnahmemenge von 2,52 mg Chlorat (0,58 mg für ein Kind), die an einem Tag nicht überschritten werden darf. Beim Verzehr einer angenommenen Portion Fisch von 200 g kann dementsprechend ab einem Chloratgehalt von 12,6 mg/kg Fisch (2,9 mg/kg ein für Kind) eine akute Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen werden [6].

Beispielhaft für Benzalkoniumchlorid

Zur möglichen Abschätzung der langfristigen Exposition hat die EFSA einen erlaubte Tagesdosis (ADI) von 0,1 mg/kg Körpergewicht und für die akute Exposition eine ARfD von 0,1 mg/kg Körpergewicht festgelegt [7].

 

Bei einem angenommenen Körpergewicht für eine erwachsene Person von 70 kg (16,15 kg für ein Kind) ergibt sich somit eine Aufnahmemenge von 7 mg (1,6 mg für ein Kind), die an einem Tag nicht überschritten werden darf. Beim Verzehr einer angenommenen Portion Fisch von 200 g kann dementsprechend ab einem BAC-Gehalt von 35 mg/kg Fisch (8 mg/kg für ein Kind) eine akute Gesundheitsgefährdung nicht mehr ausgeschlossen werden.

Pangasius

Pangasianodon hypophthalmus

Pangasianodon hypophthalmus (Jungfisch),

Foto: Marrabbio2, Creative Commons

Beim Pangasius oder Schlankwels handelt es sich um einen zur Ordnung der Welsartigen gehörenden Süßwasserfisch, der in den Flusssystemen des Mekong und Chao Praya in Thailand, Vietnam, Laos und Kambodscha vorkommt. Die auf dem deutschen Markt gehandelten Erzeugnisse stammen praktisch ausschließlich aus vietnamesischen Aquakulturbetrieben im Mekong-Delta. Hauptmastspezies für den Export stellt dabei Pangasionodon hypophthalmus (s. Abb.) dar. Die Fische werden in der Regel bereits im Ursprungsland geschlachtet, filetiert und tiefgefroren.

 

 

Weitere Informationen

[ 1 ] Homepage CVUA Freiburg

[ 2 ] Homepage CVUA Stuttgart

[ 3 ] Internetbericht “Fremdwasser in Pangasiusfilets”; Dr. Elke Müller-Hohe und Benjamin Dambacher, CVUA Freiburg

[ 4 ] H. Knapp, P. Fecher, K. Werkmeister, Bayerisches Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Erlangen, „Desinfektionsmittelrückstände in Lebensmitteln“, Lebensmittelchemie 65, 1-16 (2011)

[ 5 ] Stellungnahme der EFSA "Risks for public health related to the presence of chlorate in food", EFSA Journal 2015;13 (6):4135 [103 pp.]

[ 6 ] Stellungnahme: „BfR entwickelt neues Verzehrsmodell für Kinder“; Information

[ 7 ] Stellungnahme der EFSA "Reasoned opinion on the dietary risk assessment for proposed temporary maximum residue levels (MRLs) of didecyldimethylammonium chloride (DDAC) and benzalkonium chloride (BAC). EFSA Journal 2014;12(4):3675, 23 pp.

 

 

Bildnachweis

siehe Bildunterschrift, CVUA Freiburg

 

 

Artikel erstmals erschienen am 15.01.2020