Unbeschwert knabbern mit Chips und Co.?!
Elisabeth Steger
Am CVUA Freiburg wurden in der ersten Jahreshälfte 2023 Knabbererzeugnisse auf Kartoffelbasis umfassend untersucht. Die Ergebnisse dieser Untersuchungsreihe werden im Folgenden dargestellt.
Leitsätze für Kartoffelerzeugnisse - Chips und Co
Das Deutsche Lebensmittelbuch formuliert Verbrauchererwartungen in Bezug auf verschiedene Lebensmittelklassen. Nach den Leitsätzen für Kartoffelerzeugnisse aus dem Deutschen Lebensmittelbuch sind Kartoffel-Knabbererzeugnisse grundsätzlich in die drei Kategorien „Kartoffelchips“, „Stapelchips aus Kartoffeln“ und „Kartoffelsticks“ zu unterteilen. Klassischerweise handelt es sich bei „Kartoffelchips“ um frittierte Kartoffelscheiben gleichmäßiger Dicke mit glattem oder gewelltem Schnitt aus geschälten Kartoffeln. „Stapelchips aus Kartoffeln“ sind aus Teig geformte, frittierte Scheiben von weitgehend gleichmäßiger Form und Dicke. Der Teig wird überwiegend aus Kartoffeltrockenerzeugnissen hergestellt. Bei „Kartoffelsticks handelt es sich um frittierte Kartoffelstäbchen mit einer Schnittstärke von höchstens 5 x 5 mm aus geschälten Kartoffeln.
Rohstoffe – Kartoffeln und mehr
Abbildung 2: Chips mit Kartoffelschale
Die Leitsätze für Kartoffelerzeugnisse wurden zuletzt 2010 geändert. Tatsächlich hat sich das Angebot der Knabbererzeugnisse seitdem durchaus verändert. Gerade das Mitverwenden der Kartoffelschale ist heute bereits bei vielen Produkten üblich. Hiermit wird dem Verbraucher das Gefühl von Ursprünglichkeit vermittelt – ein Trend der ankommt, jedoch durch die Leitsätze so bislang nicht vorgesehen ist. Entsprechend ist diese Abweichung in der Bezeichnung des Lebensmittels klarzustellen, um eine Irreführung des Verbrauchers zu vermeiden. Derartige Erzeugnisse sind beispielsweise als „Kartoffelchips mit Schale“ zu bezeichnen.
Des Weiteren sind inzwischen zahlreiche Knabbererzeugnisse auf dem Markt vertreten, die auf Basis von Erbsen, Linsen oder eben auch klassisch aus Mais hergestellt werden. Solche Produkte werden oftmals auch mit der durch den alternativen Rohstoff gegebenen Nährstoffzusammensetzung, wie beispielsweise einem höheren Proteingehalt, beworben.
Würzung – neue Trends und alte Bekannte
Wo früher noch Würzmischungen mit den spannenden Namen „Chakalaka“ und „Currywurst“ als „neu“ oder „genial“ galten, sind inzwischen auch Würzungen mit süßem Geschmack z. B. „Popcorn“ oder „Karamell“, zu finden.
Gleichzeitig gibt es hier aber auch den Trend zurück zu ursprünglichen und puren Geschmacksrichtungen wie Salz, Rosmarin, Bärlauch oder Essig. Und auch der altbekannte Klassiker „Paprika“ erfreut sich weiterhin großer Beliebtheit.
Darstellung der Probenzahl und des Untersuchungsprogramms
Im ersten Halbjahr 2023 wurden am CVUA Freiburg 25 Kartoffelknabbererzeugnisse umfassend untersucht. Bei 13 Proben handelte es sich dabei um fettreduzierte Erzeugnisse. 12 Produkte wiesen einen herkömmlichen Fettgehalt auf.
Die Knabbererzeugnisse wurden sensorisch sowie im Hinblick auf ihre Zusammensetzung und Kennzeichnung untersucht.
Abbildung 3: Collage von Verpackungen fettreduzierter Erzeugnisse
Ergebnisse der Kennzeichnungsprüfung
Die Kennzeichnung entsprach bei 21 % der Proben nicht den rechtlichen Vorgaben. Neben der Verwendung von nicht zugelassen gesundheitsbezogenen Angaben waren auch fehlerhafte Bezeichnungen, falsche Bezeichnungen von Zutaten, nicht ausreichend hervorgehobene Angaben von allergenen Bestandteilen im Zutatenverzeichnis und die Unterbrechung von Pflichtangaben auf der Kennzeichnung der Erzeugnisse entsprechend zu beurteilen. Auch ein ausschließlich in englischer Sprache gekennzeichnetes Produkt lag zur Beurteilung vor.
Ergebnisse der analytischen Untersuchungen
Bei der sensorischen Untersuchung der Produkte war nur ein Erzeugnis mit auffallend bitterem und damit für Knabbererzeugnisse aus Kartoffeln untypischem Geschmack festgestellt worden.
Nährwertangaben
Eine Probe war bezüglich des deklarierten Gehaltes an gesättigten Fettsäuren auffällig, der im Vergleich mit dem tatsächlich analytisch bestimmten Gehalt um ca. 40 % zu hoch war. Bei gesättigten Fettsäuren handelt es sich um Fettsäuren ohne Doppelbindung zwischen den Kohlenstoffatomen im Molekül. Sie kommen hauptsächlich in tierischen Fetten und nur in geringen Mengen in Lebensmitteln pflanzlichen Ursprungs vor.
Bei allen weiteren Proben konnten die in der Kennzeichnung angegebenen Nährwertgehalte analytisch bestätigt werden. Auch die Auslobungen bezüglich eines reduzierten Fettgehaltes waren für die entsprechenden Produkte zulässig.
Der Mittelwert des analytisch bestimmten Fettgehaltes der Knabbererzeugnisse lag für die klassischen Produkte bei 27,1 g/100 g. Für die mit reduziertem Fettgehalt ausgelobten Produkte lag der Fettgehalt im Mittel bei 17,1 g/100 g. Sie wiesen Fettgehalte zwischen 9,5 und 22,2 g/100 g auf. Bei den herkömmlichen Produkten war die Spannweite der Fettgehalte mit 6,7 g/100 g nur halb so groß. Das „fettigste“ Produkt wies einen Fettgehalt von 31,3 g/100 g auf.
Die Salzgehalte der Produkte streuten auffällig in einem Bereich von 0,6 bis 2,5 g/100 g. Gesetzliche Vorgaben für den Gehalt an Salz in Kartoffelknabbererzeugnissen bestehen nicht. Lediglich der sensorische Eindruck und die geschmackliche Ausrichtung des Erzeugnisses können die eingesetzte Salzmenge bestimmen. Nach den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Ernährung sollten Erwachsene täglich nicht mehr als 6 Gramm Salz zu sich nehmen. Bei einer durchschnittlichen Portionsgröße von 30 g Knabbererzeugnis wären bei einer Salzkonzentration von 2,5 g Salz in 100 g Chips bereits 12,5 % dieser Empfehlung ausgeschöpft.
Der Anteil an Eiweiß war ebenfalls für fettreiche und fettreduzierte Produkte vergleichbar und betrug im Mittel 6,0 g/100 g.
Trans-Fettsäuren
Die Gehalte an trans-Fettsäuren waren in den fettreichen und den fettärmeren Produkten vergleichbar und bewegten sich mit durchschnittlich 0,3 g/100 g Fett in einem unauffälligen Bereich.
Infokasten
Bei trans-Fettsäuren handelt es sich um ungesättigte Fettsäuren, mit mindestens einer Doppelbindung in trans-Konfiguration. Sie können in geringen Mengen in der Natur, beispielsweise im Pansen von Wiederkäuern, oder aber auch in höheren Mengen bei der industriellen Härtung von Fetten entstehen. Diese Fettsäuren mit spezieller trans-Konfiguration werden bei Aufnahme höherer Mengen mit der Entstehung von koronaren Herzerkrankungen in Verbindung gebracht [1].
Unzulässige gesundheitsbezogene Angaben
Neu war bei den zum Untersuchungsprogramm vorgelegten Proben der Zusatz von Guarana und Koffein zu einem Produkt. Offenbar wollte der Hersteller mit diesen Zusätzen seinen ganz eigenen Beitrag zu endlosen Fernsehabenden oder langen Partys leisten. Das Produkt wurde mit den Aussagen „Das einzige Chip, das dich wachhält“, „Sorgt für den Extra Kick beim Snacken“ und „Energy Kick“ beworben.
Die Auslobungen zum „Extra Kick“ bzw. zur „Wachheit“ mussten jedoch als unzulässige gesundheitsbezogene Angabe eingestuft werden, da ein Zusammenhang zwischen dem Verzehr des Produkts und den Funktionen des menschlichen Organismus (hier: Wachheit) hergestellt wird.
Infokasten
Nach der sogenannten Health-Claims-Verordnung (Verordnung über nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel) können gesundheitsbezogene Angaben, die Körperfunktionen, psychische Funktionen oder Verhaltensfunktionen beschreiben oder darauf verweisen, in die Gemeinschaftsliste mit allgemein zugelassenen Angaben aufgenommen werden. Diese Liste enthält jedoch keine gesundheitsbezogenen Angaben zu Chips mit Guarana, Guarana selbst oder Koffein.
Zudem lag der nach den Angaben in der Kennzeichnung im Produkt enthaltene Koffeingehalt außerdem in einem Konzentrationsbereich, in dem nach Einschätzung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bei Aufnahme einer Portion von 30 g kein Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen dem Konsum von Koffein und erhöhter Wachsamkeit festgestellt werden kann. Wollte man mit dem vorgelegten Produkt die Aufnahme einer Koffeinkonzentration erzielen, die nach Aussage der EFSA einen signifikanten Einfluss auf die Aufmerksamkeit Erwachsener hat, so hätte man fast zwei ganze Packungen des Erzeugnisses (230 g Chips) verzehren müssen [2].
Synthetische Farbstoffe
Zusätzlich zur zuvor beschriebenen Probenserie wurden bereits im Frühjahr 2023 9 Proben Kartoffelchips auf Sudanfarbstoffe untersucht. Bei den Sudanfarbstoffen handelt es sich um synthetisch hergestellte Farbstoffe, deren Verwendung bei der Herstellung von Lebensmitteln verboten ist. Im Rahmen der Untersuchung konnten erfreulicherweise keine Sudanfarbstoffe in den untersuchten Chips festgestellt werden.
Fazit
Abbildung 4: Chips mit gewelltem Schnitt
Von den im Frühjahr und Sommer 2023 untersuchten Kartoffelknabbererzeugnissen waren 21 % zu beanstanden. 79 % der Proben waren damit unauffällig. Der Beurteilungsschwerpunkt lag bei den beanstandeten Proben auf kleineren Kennzeichnungsmängeln. Bezüglich der Zusammensetzung musste nur eine Probe beurteilt werden.
Demnach ist ein unbeschwertes Knabbern weiterhin möglich…egal ob mit viel oder wenig Fett…ob salzig und herzhaft oder eben auch mal süß...Hauptsache es knuspert und schmeckt.
Literatur
[1] Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) (2013): Höhe der derzeitigen trans-Fettsäureaufnahme in Deutschland ist gesundheitlich unbedenklich. Stellungnahme 028/2013 vom 6. Juni 2013
http://www.bfr.bund.de/cm/343/hoehe-der-derzeitigen-trans-fettsaeureaufnahme-in-deutschland-ist-gesundheitlich-unbedenklich.pdf
[2] Scientific Opinion on the substantiation of a health claim related to caffeine and increased alertness pursuant to Article 13(5) of Regulation (EC) No 1924/20061, EFSA Journal 2014;12(2):3574
Bildnachweis
alle CVUA Freiburg