Dinkel oder Weizen? – ein Update
Hans-Ulrich Waiblinger (CVUA Freiburg)
Handelt es sich bei Dinkel um Weizen? Nicht jeder Verbraucher hat hierfür die richtige Antwort “ja“ auf diese botanische Fachfrage gleich parat, so eine Befragung des Bundesinstitutes für Risikobewertung (BfR).
Dinkel ist eine Weizenart und botanisch sehr eng mit dem herkömmlichen Weizen (auch als Weichweizen bezeichnet) verwandt. Aufgrund seiner geringen Ansprüche im Anbau ist Dinkel besonders im Bio-Anbau gefragt. Hierzulande ist Dinkel mit dem Ruf einer ursprünglichen, natürlichen Getreideart auch beim Verbraucher nach wie vor sehr beliebt. Aufgrund der etwas geringeren Ernteerträge und der aufwändigeren Verarbeitung ist Dinkel normalerweise teurer als herkömmlicher Weizen. Da Verbraucher bereit sind, für Dinkelprodukte einen höheren Preis zu bezahlen, dient die Überprüfung auf Beimengungen von herkömmlichem Weizen dem Schutz des Verbrauchers vor Täuschung.
Dinkelkörner (links) sind meist etwas länglicher und schmaler als Körner von herkömmlichem Weizen (rechts)
Moderne Dinkelsorten lassen sich analytisch nur schwer von herkömmlichem Weizen unterscheiden. 2021 konnte eine neue Methode entwickelt und in die Routine der Lebensmittelüberwachung eingeführt werden. Sie erlaubt eine zweifelsfreie Unterscheidung [Lit. 1, 2] und auch wirkliche Urweizenarten wie Einkorn und Emmer lassen sich mit dieser Methode auf Verunreinigungen durch „Weizen“ (also herkömmlichen Weizen) prüfen.
Seitdem hat das CVUA Freiburg nahezu 500 Proben von Körnern, Mehlen und daraus hergestellten Produkten wie Broten oder Nudeln mit der Methode untersucht. Das Verfahren wurde inzwischen auch im Ringversuch erfolgreich validiert und kürzlich in der amtlichen Sammlung von Untersuchungsverfahren als nationaler Standard veröffentlicht [Lit 3, 4] (siehe auch Infokasten unten, „Neu entwickelte Methode ist nun nationaler Standard“).
Keine Unterschiede bei Glutenunverträglichkeit und Allergien
Dinkel (botanisch Triticum aestivim ssp. spelta) ist mit herkömmlichem Weichweizen oder Brotweizen (Triticum aestivum ssp. aestivum) sehr eng verwandt. So ist es nicht verwunderlich, dass Zöliakiekranke Dinkel genauso wie herkömmlichen Weizen meiden müssen, da die enthaltenen Gliadine in der Glutenfraktion sehr ähnlich und auch in vergleichbaren Konzentrationen enthalten sind. Dasselbe gilt wohl auch hinsichtlich der Allergenität von Weichweizen und Dinkel. Das BfR kommt in seiner Stellungnahme von 2023 zum Schluss, dass „es somit bislang keine aussagekräftigen klinischen Daten gibt, die grundsätzlich ein geringeres allergenes Potenzial von Dinkel gegenüber anderen Weichweizen-Unterarten belegen würden.“ Eine Studie der Universitäten Hohenheim und Mainz lässt allerdings hoffen, dass zumindest die wirklichen Ur-Weizenarten Emmer und besonders Einkorn hier eine geringere Allergenität aufweisen. Auch die mit Entzündungsreaktionen in Verbindung gebrachten ATIs (Alpha-Amylase/Trypsin-Inhibitoren) sind danach besonders bei Einkorn in geringeren Mengen enthalten.
Ergebnisse von Proben aus 2023
Insgesamt 164 Proben von Dinkelmehlen und -broten sowie Kekse, Nudeln und Nahrung für Säuglinge und Kleinkinder wurden auf Verunreinigung durch herkömmlichen Weizen („Weichweizen“) untersucht. Mehr als 10 % Weichweizen im Gesamt-Weizenanteil wurde in insgesamt 29 Proben (= 17,6 %) festgestellt und damit prozentual seltener als in den beiden Vorjahren (jeweils 22 % der Proben).
Insgesamt 88 und damit etwas mehr als die Hälfte aller Proben wiesen keine oder nur geringe Verunreinigungen durch Weichweizen von 5 % und weniger auf.
Besonders bei festgestellten Anteilen von mehr als 15-20 % Weichweizen und – laut Deklaration - alleiniger Verwendung von Dinkel als Weizenart wurde die Bezeichnung „Dinkel“ als irreführend beurteilt. Dies war bei insgesamt 7 Proben der Fall (ein Mehl, vier Brote und zwei Proben von Teigwaren).
In Einzelfällen konnten Befunde nicht abschließend bewertet werden, etwa wenn Weizengluten, also Klebereiweiß aus Weizen als Zutat in Broten verwendet wurde. Weizengluten wird in der Regel aus herkömmlichem Weizen hergestellt und aus technologischen Gründen zur Erzielung einer besseren Teigstabilität zugesetzt.
Allerdings werden Angaben wie „Urgetreide“ oder „Urkorn“ bei Produkten mit Zutatz von Weichweizengluten als kritisch im Hinblick auf eine mögliche Verbrauchertäuschung angesehen.
Wie werden die Befunde derzeit beurteilt?
Einträge durch herkömmlichen Weizen lassen sich bei Dinkelmehlen aus Mühlenbetrieben nicht ganz vermeiden. Allerdings zeigen die Untersuchungen, dass bei Dinkelmehlen Weichweizen-Anteile von weniger als 5 % technisch machbar sind. Lebensmittelrechtlich verankerte Grenzwerte für einen tolerierbaren Gehalt von Weichweizen in Dinkel existieren nicht. Aus dem Bereich des Marktinterventionsrechts können Akzeptanzwerte zur Orientierung herangezogen werden, wie etwa der Akzeptanzwert von 3 % Fremdgetreide in Hartweizen. Betrachtet man Backwaren auf Dinkelbasis, geben in Deutschland die Leitsätze der Lebensmittelbuchkommission für Brot und Kleingebäck eine Handreichung: So werden Dinkelbrot und –brötchen zu mindestens 90 % aus der Getreideart Dinkel (bezogen auf den Anteil an Getreideerzeugnissen) hergestellt. Unter Berücksichtigung der Messunsicherheit der Methode werden derzeit bei reinen Erzeugnissen aus Dinkel, Emmer oder Einkorn Befunde ab 10 % Weichweizen als auffällig angesehen; bei Broten und Kleingebäck ab 15 % Weichweizen.
Produktgruppen separat betrachtet
Anteile von Weichweizen sind bei ganzen, ungemahlenen Körnern eher selten. So waren bei allen 12 Proben von Körnern von Dinkel, Emmer und Einkorn die Ergebnisse unauffällig (< 5 %). Auffällige Weichweizenanteile von mehr als 10 % bzw. 15 % (s. Infokasten) wurden am häufigsten angetroffen bei Dinkelmahlerzeugnissen (4 von 22 = 18 %), Broten (6 von 40 = 15 %) sowie in Zwieback und Keksen für Babies und Kleinkinder (4 von 21 = 19 %).
Aber auch in anderen Keksen und sonstigem Gebäck (1 von 18 = 6 %) und Teigwaren (5 von 48 = 10,4 %) wurden erhöhte Anteile nachgewiesen.
Als sehr hilfreich in der Ursachenforschung hat sich in einigen Fällen die Untersuchung weiterer Proben der verwendeten Mehle erwiesen. Dies war auch bei manchen Broten erforderlich, die aus verschiedenen Weizenarten, wie Dinkel, Emmer und Einkorn gleichzeitig hergestellt waren.
Im Vergleich mit den Vorjahren hat sich besonders bei Teigwaren der Anteil auffälliger Befunde (mehr als 10 % Weichweizen) von 34,4 % im Jahr 2021 auf nun 10,4 % deutlich verringert. Auch bei Mehlen ist eine leichte Verbesserung seit Einführung der Untersuchungen erkennbar (18,2 % auffällig gegenüber 22,2 % im Jahr 2021). Allerdings hat bei Broten und Kleingebäck der Anteil an Proben mit erhöhtem Weichweizenanteil (mehr als 15 % Weichweizen) seit 2021 etwas zugenommen (15,0 % statt 12,5 %).
Neu entwickelte Methode ist nun nationaler Standard
Die verwendete Methode beruht auf der sogenannten Digitalen Polymerasekettenreaktion, ist also ein molekularbiologisches Verfahren. Das CVUA Freiburg hat sie zusammen mit dem Kantonalen Labor Zürich und dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit entwickelt und validiert [1, 2]. Das Prinzip haben wir bereits in dem Beitrag aus 2022 erläutert.
Mit diesem Verfahren wurde nun erstmalig eine Methode zur Artendifferenzierung auf Basis der Digitalen PCR in einem aufwändigen Ringversuch getestet und validiert. Die Ringversuchsergebnisse haben die Eignung der Methode nicht nur zur Differenzierung von Dinkel und Weichweizen, sondern auch zur mengenmäßigen Bestimmung bestätigt. Die ermittelten Messunsicherheiten lassen eine quantitative Beurteilung der Befunde zu. Besonders bei Mehlen ist von geringen relativen Messunsicherheiten von ± 20 % bis ± 30 % auszugehen. Die Methode wurde in der Amtlichen Sammlung von Untersuchungsverfahren als nationale Standardmethode veröffentlicht [3]. Weitere Details zum Ringversuch und den Ergebnissen sind jetzt veröffentlicht worden [4].
Fazit
Viele Verbraucher schätzen Dinkel als ursprüngliche, natürliche Getreideart und bevorzugen Produkte wie Dinkelmehl oder Dinkelnudeln häufig auch gegenüber Lebensmitteln aus herkömmlichem Weizen (Weichweizen). Das CVUA Freiburg hat seit 2021 über 500 Dinkelprodukte mit einer neu entwickelten, jetzt im Ringversuch erfolgreich getesten Methode auf Verunreinigungen durch herkömmlichen Weichweizen untersucht. Im Jahr 2023 wurde in insgesamt 29 Proben (= 17,6 %) mehr als 10 % Weichweizen im Gesamt-Weizenanteil festgestellt und damit prozentual seltener als in den beiden Vorjahren. Besonders bei Nudeln hat sich die Situation im Vergleich zu den Vorjahren verbessert.
Sensible Verbrauchergruppen aufgepasst: Da es sich bei Dinkel und bei Weichweizen um eng verwandte Weizenarten handelt, sollten Weizenallergiker und Personen mit einer Glutenintoleranz Dinkelprodukte genauso meiden wie Weichweizen.
Weitere Informationen
CVUAs BW: Dinkel oder Weizen? (Beitrag vom 18.02.2022)
CVUAs BW: Untersuchungen auf Herkunft und Echtheit
Literatur
- Koeppel R, Guertler P, Waiblinger HU (2021) Duplex droplet digital PCR (ddPCR) method for the quantification of common wheat (Triticum aestivum) in spelt (Triticum spelta). Food Control 130: 108382
- Gürtler P, Waiblinger HU, Köppel R (2021) Quantitative Bestimmung des Weichweizenanteils in Dinkelprodukten. Lebensmittelchemie 75, 206-209
- Amtliche Sammlung von Untersuchungsverfahren nach § 64 LFGB: BVL L 16.00-8 (2023-12). Untersuchung von Lebensmitteln - Nachweis und Bestimmung von Weichweizen (Triticum aestivum) in Dinkel-Erzeugnissen mittels droplet digital PCR
- Waiblinger HU, Bruenen-Nieweler C, Frost K, Guertler P, Klapper R, Matthes N, Sciurba E, Koeppel R and Szabo K (2024) Interlaboratory validation of a droplet digital PCR method for the quantification of common wheat (Triticum aestivum) in spelt (Triticum spelta) products. Journal of Consumer Protection and Food Safety
https://doi.org/10.1007/s00003-024-01503-x bzw. https://rdcu.be/dBXbn
Bildnachweis
alle CVUA Freiburg