Insekten als Lebensmittel – Aktuelle Informationen

Dr. Christine Wind und Dr. Elke Müller-Hohe (CVUA Freiburg), Silke Helble (RP Freiburg)

 

Am 31.12.2015 ist die neue Verordnung VO (EU) Nr. 2015/2283 über neuartige Lebensmittel in Kraft getreten. Sie gilt vollumfänglich seit dem 01.01.2018 und hat die bisher geltende VO (EG) Nr. 258/97 abgelöst. Nun ist zweifelsfrei geregelt: Ganze Insekten und Insektenteile sowie aus Insekten gewonnene Inhaltsstoffe gelten als neuartige Lebensmittel („Novel Food“) und müssen vor dem Inverkehrbringen gesundheitlich bewertet und zugelassen werden.

"Energieriegel" mit Buffalowürmern

Die Historie:

Vor dem 01.01.2018 galten aus Insekten gewonnene Inhaltsstoffe gemäß VO (EG) Nr. 258/97 als neuartige Lebensmittel und durften in der EU nur nach einer gesundheitlichen Bewertung und Zulassung in den Verkehr gebracht werden, sofern sie nicht bereits vor dem Stichtag 15.05.1997 in nennenswertem Umfang in der EU verzehrt wurden.

 

Ganze Insekten und Insektenteile (Beine, Flügel, Köpfe usw.) wurden von einigen EU-Mitgliedstaaten aufgrund einer unpräzisen Begriffsdefinition vom Anwendungsbereich der VO (EG) Nr. 258/97 ausgeschlossen. In diesen Staaten wurde das Inverkehrbringen von „Lebensmittel-Insekten“ daher häufig auch ohne Genehmigung toleriert (z. B. Niederlande, Belgien, Österreich, Dänemark, Finnland), sofern die allgemeinen lebensmittelrechtlichen EU-Vorschriften (wie VO (EU) Nr. 1169/2011, VO (EG) Nr. 178/2002, VO (EG) Nr. 852/2004) und ggf. vorhandene nationale Anforderungen erfüllt wurden. Andere Mitgliedstaaten hingegen stuften ganze Insekten und Insektenteile als neuartige Lebensmittel ein, die in der EU nur nach einer gesundheitlichen Bewertung und Zulassung in den Verkehr gebracht werden durften. Aus den unterschiedlichen Sichtweisen und Vorgehensweisen innerhalb der EU ergab sich eine Art „lebensmittelrechtliche Grauzone“.

Der aktuelle Stand:

Die bisher geltende Verordnung (EG) Nr. 258/97 wurde zum 01.01.2018 aufgehoben und durch die neue europäische Novel Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 abgelöst. Seit diesem Zeitpunkt sind die Vorgaben der neuen Novel Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 vollumfänglich gültig. Mit dieser Verordnung werden einige Unklarheiten der bisher geltenden Verordnung beseitigt. Unter anderem sind ganze Tiere wie Insekten nunmehr Teil der Begriffsbestimmung und fallen damit eindeutig in den Anwendungsbereich der Verordnung. Ganze Insekten und Insektenteile sowie aus Insekten gewonnene Inhaltsstoffe gelten als neuartige Lebensmittel („Novel Food“) und müssen vor dem Inverkehrbringen gesundheitlich bewertet und zugelassen werden.

Antrag auf Zulassung als neuartiges Lebensmittel:

Lebensmittelunternehmer, die Produkte aus oder mit Insekten in Verkehr bringen wollen, müssen einen entsprechenden Antrag auf Zulassung bei der Europäischen Kommission stellen. Der Antrag muss online gestellt werden. Dazu findet sich auf der Internetseite der Europäischen Kommission ein Portal für die Antragstellung („e-submission system“).

 

Der Antrag muss die in Artikel 10 der VO (EU) Nr. 2015/2283 genannten Anforderungen erfüllen und muss enthalten:

  • den Namen und die Anschrift des Antragstellers,
  • die Bezeichnung und die Beschreibung des neuartigen Lebensmittels,
  • die Beschreibung des Herstellungsverfahrens bzw. der Herstellungsverfahren,
  • die genaue Zusammensetzung des neuartigen Lebensmittels,
  • wissenschaftliche Daten, die belegen, dass das neuartige Lebensmittel kein Sicherheitsrisiko für die menschliche Gesundheit mit sich bringt,
  • soweit angebracht, die Analysemethode(n),
  • einen Vorschlag für die Bedingungen der beabsichtigten Verwendung und für spezifische Anforderungen an eine Kennzeichnung, die für die Verbraucher nicht irreführend ist, oder eine nachprüfbare Begründung dafür, weshalb diese Elemente nicht erforderlich sind.

 

Informationen zur Antragsstellung findet man in der von der EFSA veröffentlichten Leitlinie „Guidance on the preparation and presentation of an application for authorisation of a novel food in the context of Regulation (EU) 2015/2283“ (EFSA Journal 2016;14(11):4594).

Nach der Antragstellung werden die Anträge von der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) bewertet und den Mitgliedstaaten zur Kenntnis gegeben.

Anzeigeverfahren für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern:

Schokolade mit MehlwürmernDie neue VO (EU) Nr. 2015/2283 eröffnet auch die Möglichkeit eines Anzeigeverfahrens für traditionelle Lebensmittel aus Drittländern. Produkte aus Insekten können auf diesem Weg eine Zulassung erhalten, wenn der Lebensmittelunternehmer belegen kann, dass das Lebensmittel in einem Drittland seit mindestens 25 Jahren verzehrt wurde und keine Sicherheitsbedenken aufweist.

 

Entsprechend Artikel 14 der VO (EU) Nr. 2015/2283 können Antragsteller, die ein traditionelles Lebensmittel aus einem Drittland in der Union in Verkehr zu bringen beabsichtigen, der Kommission diesbezüglich eine Meldung übermitteln, statt das in Artikel 10 genannte Verfahren zu befolgen.

 

Die Meldung muss folgende Angaben enthalten:

  • Namen und Anschrift des Antragstellers,
  • die Bezeichnung und Beschreibung des traditionellen Lebensmittels,
  • die genaue Zusammensetzung des traditionellen Lebensmittels,
  • das Ursprungsland oder die Ursprungsländer des traditionellen Lebensmittels,
  • den Nachweis über die Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in einem Drittland,
  • einen Vorschlag über die Bedingungen der beabsichtigten Verwendung und spezifische Anforderungen an eine Kennzeichnung, die für die Verbraucher nicht irreführend ist, oder eine nachprüfbare Begründung dafür, dass diese Elemente nicht erforderlich sind.

 

Hilfestellung findet man in der von der EFSA veröffentlichten Leitlinie „Guidance on the preparation and presentation of the notification and application for authorisation of traditional foods from third countries in the context of Regulation (EU) 2015/2283“ (EFSA Journal 2016;14(11):4590).

 

Mit der Zulassung werden neuartige Lebensmittel in der so genannten Unionsliste aufgeführt. Dann dürfen sie unter den in der Liste festgelegten Bedingungen und mit den vorgeschriebenen Kennzeichnungselementen in Verkehr gebracht werden.

 

FAZIT : Derzeit können entsprechende Produkte in der EU rechtmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn ihnen eine Zulassung als Novel Food erteilt und sie in die Unionsliste aufgenommen wurden.

 

Mit Stand 26.06.2018 sind aktuell (noch) keine Insekten oder Insekten-basierte Produkte in der Unionsliste aufgeführt. Die Europäische Kommission veröffentlicht jedoch auf ihrer Website die in Bearbeitung befindlichen Anträge auf Zulassung eines neuartigen Lebensmittels.

 

Die Übergangsmaßnahmen:

Unter Berücksichtigung der Übergangsmaßnahmen nach Artikel 35 Absatz 2 der neuen europäischen Novel Food-Verordnung (EU) Nr. 2015/2283 dürfen Insekten und Insekten-basierte Produkte, die sich bereits auf dem Markt befinden, weiter vermarktet werden, wenn

  • sie bis zum 01.01.2018 rechtmäßig in Verkehr waren, und
  • bis spätestens 01.01.2019 ein Zulassungsantrag (bzw. eine Meldung über ein traditionelles LM) als Novel Food bei der Kommission gestellt wurde oder wird (Frist gemäß Artikel 8 Absatz 5 DVO (EU) 2017/2469), bis zu einer Entscheidung über das Antragsverfahren.

 

Somit ist zu folgern, dass in Deutschland hergestellte und auf dem deutschen Markt zu findende Produkte aus ganzen Insekten und Insektenteilen, die in einzelnen EU-Mitgliedstaaten oder im Nachbarland Schweiz aufgrund nationaler einzelstaatlicher Regelungen vor dem 01.01.2018 rechtmäßig in Verkehr waren, im Rahmen der o.g. Fristen auch weiter vermarktet werden dürfen. Es ist im Einzelfall zu prüfen, ob die o.g. Bedingungen erfüllt sind und die Übergangsregelung somit angewendet werden kann.

 

Das Nachbarland Schweiz:

In der Schweiz dürfen seit dem 01.05.2017 gemäß der Verordnung des EDI (Eidgenössisches Departement des Innern) über neuartige Lebensmittel insgesamt 3 Insektenarten zu Lebensmittelzwecken produziert und als Lebensmittel selbst oder als Zutat in Lebensmitteln in Verkehr gebracht werden, ohne dass eine weitere Bewilligung notwendig ist. Es handelt sich dabei um Mehlwürmer, Heimchen und Wanderheuschrecken, die als ganze Tiere, zerkleinert oder gemahlen zum menschlichen Verzehr verwendet und vermarktet werden dürfen.

 

Literatur

  • Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission
  • Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel
  • Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit
  • Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über Lebensmittelhygiene
  • Durchführungsverordnung (EU) 2017/2468 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Festlegung administrativer und wissenschaftlicher Anforderungen an traditionelle Lebensmittel aus Drittländern gemäß der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel
  • Durchführungsverordnung (EU) 2017/2469 der Kommission vom 20. Dezember 2017 zur Festlegung administrativer und wissenschaftlicher Anforderungen an die Anträge gemäß Artikel 10 der Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates über neuartige Lebensmittel
  • Leitlinie „Guidance on the preparation and presentation of an application for authorisation of a novel food in the context of Regulation (EU) 2015/2283“ (EFSA Journal 2016;14(11):4594)
  • Leitlinie „Guidance on the preparation and presentation of the notification and application for authorisation of traditional foods from third countries in the context of Regulation (EU) 2015/2283“ (EFSA Journal 2016;14(11):4590)
  • Verordnung des EDI über neuartige Lebensmittel SR 817.022.2

 

Auf der Homepage des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit sind weitere Informationen zu neuartigen Lebensmitteln dargestellt.

 

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Artikel erstmals erschienen am 02.05.2018