Schick wie Mami mit Kindernagellack

Das Kosmetik-Team des CVUA Karlsruhe

 

Kreativität, Verkleiden und Rollenspiele, Spaß und Freude oder Nachahmen von Erwachsenen: All das kann Kinder motivieren, Nagellack zu verwenden. Um unseren Kleinen hier ein „sicheres“ Vergnügen zu ermöglichen, haben wir bei 75 Kindernagellacken aus 5 Einzelprodukten und 20 Sets die Zusammensetzung und Kennzeichnung überprüft. Die Ergebnisse sind ernüchternd: 33 Nagellacke waren zu beanstanden, davon enthielten sechs verbotene Substanzen, acht nicht zugelassene Farbstoffe und sieben nicht zugelassene Konservierungsstoffe.

 

Auf dem Bild sind Kinderhände abgebildet. Die eine hält den Pinsel eines blau-glitzernden Nagellackes und trägt den Nagellack auf den Daumen der anderen Hand auf. Im Hintergrund steht der Nagellack

Abbildung 1: Kindernagellack beim Auftrag (Bildquelle: CVUA Karlsruhe)

 

Schön bunt, am besten glitzernd und auffällig verpackt mit kindlichen Motiven – so präsentieren sich Kindernagellacke oft im Handel. Sie werden häufig in attraktiv gestalteten Sets verkauft. Sie sind eher wie Spielwaren aufgemacht und gekennzeichnet. Das rührt daher, dass sie häufig von Spielwarenherstellern in Fernost produziert und über Handelsgesellschaften in Europa vertrieben werden. Europäische Anforderungen an Kosmetika scheinen oft nicht bekannt zu sein. Das Netzwerk amtlicher Kosmetiklabore in Europa nimmt daher Kinderkosmetika seit Jahren unter die Lupe. [1]

Rechtliche Regelung

Nagellacke sind als kosmetische Mittel einzustufen. Damit unterliegen sie den rechtlichen Vorgaben der EU-Kosmetikverordnung (VO (EG) Nr. 1223/2009) sowie der nationalen Verordnung über kosmetische Mittel. Kinderkosmetik wird rechtlich nicht von der Kosmetik für Erwachsene abgegrenzt. Als Kinderkosmetik werden aus Sachverständigensicht alle kosmetischen Mittel aufgefasst, die explizit für Kinder beworben werden oder deren Erscheinungsbild auf Kinder abzielt.

 

In kosmetischen Mitteln dürfen Stoffe des Anhang II der EU-Kosmetikverordnung nicht verwendet werden. Spuren dieser „verbotenen“ Stoffe sind nur erlaubt, wenn dies technisch unvermeidbar ist und das Produkt als sicher bewertet werden kann. In dekorativen Kosmetika dürfen nur hierfür zugelassene Farb- und Konservierungsstoffe verwendet werden.

Kinder als Zielgruppe der untersuchten Produkte stellen eine besonders schützenswerte Verbrauchergruppe dar. Gerade bei der Verwendung durch Kinder ist zu erwarten, dass der Nagellack nicht nur auf die eigentlich vorgesehene Weise auf die Nägel aufgebracht wird, sondern auch Hautpartien angemalt werden. Es ist auch vorhersehbar, dass die bemalten Fingernägel in den Mund genommen werden und auf diese Weise lösliche Bestandteile der Nagellacke in den Körper gelangen. Auch ist der menschliche Nagel für einzelne Inhaltsstoffe durchlässig. Aspekte, die bei der Bewertung der Sicherheit dieser Produkte seitens der Verantwortlichen zu berücksichtigen sind. Kindernagellacke sind häufig wasserbasiert und damit besser in Speichel löslich. Dies macht auch eine Konservierung der Produkte erforderlich. Im Handel werden aber auch Nagellacke die analog zu Produkten für Erwachsene hergestellt sind, angeboten. Diese enthalten Lösungsmittel wie Alkohol, Butyl- oder Ethylacetat, in dem als Polymer typischerweise Nitrocellulose gelöst ist.

 

Bei Nitrocellulose-Nagellacken ist zu beachten, dass häufig verbotene N-Nitrosamine als Verunreinigung auftreten. Die Gehalte an Nitrosaminen in Nagellacken werden regelmäßig auf ihre technische Vermeidbarkeit geprüft [2,3].

N-Nitrosamine

N-Nitrosamine bilden sich im Nagellack aus sekundären Aminen, die als Verunreinigung enthalten sind, und Nitrit aus der Nitrocellulose.

 

N-Nitrosamine sind Verbindungen, von denen sich die meisten im Tierversuch als erbgutverändernd und krebserzeugend erwiesen haben. Bekannte N‑Nitrosamine, wie z.B. Nitrosodimethylamin (NDMA) und N‑Nitrosodiethylamin (NDEA) sind in fast allen untersuchten Tierspezies wirksam. Es besteht daher der Verdacht, dass sie auch beim Menschen krebsauslösend wirken. Für solche Stoffe gilt ein Minimierungsgebot. N-Nitrosamine sind in kosmetischen Mitteln verboten. Allerdings erlaubt die EU-Kosmetikverordnung Spuren an N-Nitrosaminen, die technisch unvermeidbar sind, solange das kosmetische Mittel sicher für den Verbraucher ist.

 

Unsere Untersuchungen

2024 wurden 25 Kinderkosmetikprodukte risikobasiert aus dem Handel erhoben und überprüft. Davon wurden lt. Kennzeichnung 22 Produkte in China produziert, die übrigen drei in Europa (Frankreich, Spanien). Bei 20 Produkten handelte es sich um Sets, die Nagellacke in unterschiedlichen Farben enthielten. Insgesamt wurden 75 verschiedene Kindernagellacke analysiert. Das Untersuchungsspektrum umfasst neben der Kennzeichnungsprüfung verbotene Stoffe wie Nitrosamine, nicht zugelassene Konservierungsstoffe und Farbstoffe.

 

Die verwendeten Farbstoffe wurden primär mittels Hochdruckflüssigkeitschromatographie (HPLC) und Diodenarraydetektion bestimmt. Ergänzend gelang es, mittels HPLC und hochauflösender Massenspektrometrie (HRMS) in Verbindung mit einer umfassenden Spektrendatenbank auf weitere toxikologisch relevante Inhaltsstoffe und Verunreinigungen zu prüfen und mit weiteren Methoden zu quantifizieren. Die Ergebnisse der Untersuchungen sind in Abbildung 2 graphisch zusammengefasst.

 

Das Bild zeigt ein Kuchendiagramm mit der Verteilung der Beanstandungsgründe auf stoffliche Beanstandungen und Kennzeichnungselemente. Die Beanstandungsgründe der Kennzeichnung werden in einem ergänzenden Balkendiagramm detaillierter aufgeschlüsselt

Abbildung 2: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse und Beanstandungsgründe

 

Von den Produkten waren 68 % (17 von 25) zu beanstanden. 33 der hieraus untersuchten 75 Nagellack-Einzelproben waren als nicht verkehrsfähig zu beurteilen. Hauptgrund für die Beanstandungen war, dass die in den Produkten verwendeten Farbstoffe nicht gekennzeichnet waren. Darüber hinaus fanden sich in sechs Produkten Farbstoffe, deren Verwendung in kosmetischen Mitteln nicht zulässig ist, hierunter waren der Azofarbstoff CI 21095 sowie Rhodamin B (CI 45170). Zwei Produkte mit verschiedenen Nagellacken auf Nitrocellulosebasis enthielten die Nitrosamine N‑Nitrosodiethanolamin (NDELA) und N‑Nitrosodimethylamin (NDMA) sowie in einem Fall zusätzlich N‑Nitrosodiethylamin (NDEA) in Gehalten, die technologisch vermeidbar sind. Ein Nagellack enthielt mit 0,5 mg/kg NDELA und 2 mg/kg NDEA auffällig hohe Gehalte; in der Regel sind diese Nitrosamine nicht nachweisbar (< 0,01 mg/kg).

 

In sieben untersuchten Produkten konnte Benzisothiazolinon nachgewiesen werden; ein Stoff mit sensibilisierenden Eigenschaften, der in kosmetischen Mitteln zur Konservierung nicht verwendet werden darf.

 

Fünf der untersuchten Produkte enthielten die verbotene Substanz 1-Methyl-2-pyrrolidon mit Gehalten von 0,02 bis 1 %. 1-Methyl-2-pyrrolidon ist als fortpflanzungsschädigend (reproduktionstoxisch Kategorie 1B) eingestuft und kann darüber hinaus Haut- und Augenirritationen hervorrufen. 1-Methyl-2-pyrrolidon wird wegen seiner thermischen Stabilität und hohen Polarität oft als Lösungsmittel, z. B. für polymere Acrylate oder Farbpigmente, verwendet und gelangt vermutlich dadurch in die Nagellacke. Eine Gefahr für die Gesundheit der Kinder bestand trotz der nachgewiesenen hohen Gehalten nicht.

 

Fazit

Zahlreiche untersuchte Kindernagellacke weisen erhebliche Qualitäts- und Kennzeichnungsmängel auf. Dies könnte unter anderem daran liegen, dass sie häufig von Spielwarenherstellern in Fernost produziert und über Handelsgesellschaften in Europa vertrieben werden. Die europäischen Anforderungen an Kosmetika sind offensichtlich häufig nicht bekannt.

 

Aus diesem Grund raten wir Verbrauchern und Verbraucherinnen bewusst Kinderprodukte auszuwählen, die weniger Spielcharakter haben und von bekannten Kosmetikherstellern hergestellt sind.

 

Da sehr viele Produkte nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprachen, werden wir auch im Jahr 2025 wieder Kindernagellacke überprüfen.

 

Literatur

[1] Keine Entwarnung für die Qualität von Kinder-Kosmetik: Internationale Studie zeigt weiterhin viele Verstöße auf: Internetbeitrag CVUA Karlsruhe online unter: EDQM-Beitrag Kids cosmetics

[2] Nagellack – selten frei von Schadstoffen, aber kein Risiko für die menschliche Gesundheit, Internetbeitrag CVUA Karlsruhe online unter ua-bw Nagellack

[3] BVL Report 16.3 Bericht zur Lebensmittelsicherheit 2020 - Monitoring, S. 100f: online unter Monitoringbericht 2020

 

 

Artikel erstmals erschienen am 15.05.2025