Aloe-Vera-Öl - Gibt es das wirklich?

Tabea Dietz, Sandra Schweikle, Eva-Maria Kratz und Jürgen Geisser

 

Produkte wie Gesichtsöle, Haaröle und Körperöle werden mit besonderer werblicher Hervorhebung von Aloe Vera auf den Markt gebracht. Aus Sicht der Sachverständigen des CVUA Karlsruhe sind diese Werbeaussagen irreführend.

Aloe Vera ist seit Jahrhunderten eine bekannte Heilpflanze, die unter anderem bei Hautproblemen zum Einsatz kommt. Das Gel aus dem Blattinneren der Pflanze ist von wachsendem Interesse und besitzt breite Anwendungsfelder wie z. B. in kosmetischen Mitteln [1].

Abgebildet ist der Querschnitt von Aloe Vera

Abb.1: Aloe Vera

 

Das Blattinnere der Aloe Vera besteht zu 98,5 % aus Wasser und enthält über 75 beschriebene Inhaltsstoffe, darunter Polysaccharide wie Aloverose, Vitamine, organische Säuren und Glucose. Aloverose wird als wertgebender Bestandteil der Aloe Vera angesehen. Es soll hauptsächlich für dessen hautpflegende Wirkungen verantwortlich sein. Für die kosmetische Anwendung sind vor allem die feuchtigkeitserhöhende und hautberuhigende Wirkung, z. B. bei durch Sonnenbrand geschädigter Haut, von Bedeutung. Darüber hinaus besitzt Aloe Vera durch seine hautverjüngende Wirkung Anti-Aging-Aktivität. Ausgehend von der Literatur sind mindestens 10 % Aloe Vera in kosmetischen Produkten als eine wirksame Konzentration anzusehen [1].

In kosmetischen Mitteln wird das aus den Blättern der Aloe-Vera-Pflanze gewonnene Gel bzw. das daraus hergestellte getrocknete Pulver (Konzentrat) verwendet. Ein aktueller Trend ist, „Pflegeöle mit Aloe Vera“ auszuloben. Einige Hersteller bieten deshalb derzeit Aloe-Vera-Öl (Blätterextrakte in Öl) als Rohstoff sowie als Bestandteil in kosmetischen Mitteln an [1].

Diese Öle werden mit Angaben wie „entzündungshemmend“ oder „verbesserte Feuchtigkeit“ beworben. Aus folgendem Grund halten wir es für nicht plausibel, dass für diese ausgelobten Wirkungen relevante Anteile an Aloe Vera in derartigen Produkten enthalten sind: Die für die positive Wirkung bekannten Inhaltsstoffe der Aloe-Vera-Pflanze sind wasserlöslich. Es ist deshalb nicht zu erwarten, dass diese Bestandteile (z. B. Aloverose) in den wasserfreien Aloe-Vera-Öl-Produkten enthalten sind. Wir konnten aus den uns zur Verfügung stehenden Informationen bisher nicht entnehmen, dass es Bestandteile der Aloe Vera gibt, die bei der Extraktion in das Öl übergehen und einen besonderen hautpflegenden Effekt haben. Eigene Extraktionsversuche unterstützen diese Vermutung. Aufgrund der besonderen Hervorhebung von Aloe Vera wird Verbraucher:innen aber suggeriert, dass auch besondere Pflege damit verbunden ist, die über die Pflegewirkung der reinen Öle hinausgeht.

Gemäß Artikel 20 der EU-Kosmetikverordnung [2] dürfen u. a. Bezeichnungen kosmetischer Mittel keine Merkmale oder Funktionen vortäuschen, die die betreffenden Produkte nicht besitzen. Da uns dafür bisher keine plausiblen Belege erbracht werden konnten, gehen wir davon aus, dass diese Werbeaussage eine Irreführung der Verbraucher:innen im Sinne der EU-Kosmetikverordnung darstellt.

 

Versuche zum Nachweis von Aloe-Vera-Bestandteilen in Öl

Mittels NMR (Kernspinresonanz) wurden vergleichende Untersuchungen an klassischen Pflanzenölen (Lebensmittel) und den Aloe-Vera-Öl-Proben vorgenommen. Für die Untersuchungen wurden Aloe-Vera-Öle mit Wasser für 30 Minuten geschüttelt, um die darin enthaltenen Aloe-Vera-Bestandteile in die Wasserphase zu überführen. Dies sollte kein Problem darstellen, da typische Bestandteile von Aloe Vera wie Glucose, Äpfelsäure und Aloverose nur schwer in Pflanzenöl gelöst werden können, aber entsprechend leicht beim Ausschütteln in die Wasserphase übergehen. Die Wasserphase wurde dann mittels NMR untersucht: Die Spektren der „Aloe-Vera-Öle“ und die der reinen Pflanzenöle waren nahezu identisch. Hinweise auf wirksame Mengen an Aloe-Vera-Bestandteilen, wie z. B. die gut bekannten charakteristischen Signale der Aloverose, wurden in den Spektren nicht festgestellt. Es waren maximal Spuren an Zuckern und Säuren nachweisbar.

 

Untersuchungsergebnisse des Projektes „Aloe-Vera-Öl“ am CVUA Karlsruhe

Im Rahmen eines Projekts am CVUA Karlsruhe wurden insgesamt 14 verschiedene Aloe-Vera-Öl-Produkte untersucht. Von diesen wurden 4 Produkte, die ausschließlich aus Öl bestanden und als Aloe-Vera-Öl ausgelobt waren, vorläufig als irreführend beanstandet, da keine wirksamen Gehalte an Aloe-Vera-Bestandteilen nachgewiesen werden konnten. Zwei Proben wiesen außerdem Kennzeichnungsmängel auf (fehlende Chargennummer und Mindesthaltbarkeitsdatum, unvollständige Liste der Bestandteile). Nicht beanstandet wurden Zwei-Phasen-Produkte, die aus einer Öl-Phase und einer wässrigen Aloe-Vera-Phase bestanden sowie Produkte, die zwar in ihre Aufmachung die Bezeichnung „Öl“ enthielten, jedoch einen hohen Wasseranteil mit Emulgatoren besaßen.

Da uns die Herstellungsprozesse der Aloe-Vera-Öl-Produkte nicht bekannt sind und die Möglichkeit besteht, dass nicht alle Aloe-Vera-Bestandteile erfasst wurden, muss vor einer abschließenden Beurteilung der Öle der jeweils verantwortlichen Person die Gelegenheit gegeben werden, die Werbeaussage durch hinreichende Nachweise für einen maßgeblichen Gehalt an hautpflegenden Aloe-Vera Bestandteilen zu belegen. Nachweise für ausgelobte Wirkungen sind verpflichtender Bestandteil der Produktinformationsdatei, die für jedes kosmetische Mittel geführt werden muss. Die Hersteller der von uns untersuchten Proben konnten jedoch bisher keine plausiblen Belege liefern, dass Aloe-Vera-Bestandteile in den besagten Produkten enthalten sind. Ein Erklärungsversuch für die Wirksamkeit von Aloe-Vera-Ölen war, dass ein Aloe-Vera-Pulverkonzentrat intensiv in Pflanzenöl unter sehr hohen Scherkräften eingearbeitet wird. Dabei sollte die Aloe Vera kolloidal und stabil im Öl verteilt werden. Dieser Beleg war für uns allerdings nicht nachvollziehbar. Zum einen konnte bei dem Produkt keine Aloe Vera extrahiert werden, zum anderen war das Produkt sehr klar, was gegen die kolloidale Verteilung des Aloe-Vera-Pulvers sprach. Hier wäre eine Trübung zu erwarten. Ohne weitere Belege werden die Aloe-Vera-Öle als irreführend beurteilt.

 

Fazit

Anhand der Untersuchungsergebnisse des Projektes „Aloe-Vera-Öl“ konnte der Verdacht bestätigt werden, dass Aloe-Vera-Öle keine wirksamen Aloe-Vera-Bestandteile enthalten und es sich damit um eine Irreführung der Verbraucher:innen handelt. Allein die Verwendung von Aloe Vera im Herstellungsprozess, ohne dass dies in nennenswerten Mengen ins Endprodukt übergeht, ist nicht ausreichend für eine Bezeichnung als Aloe-Vera-Öl. Bei der Bewertung von Werbeaussagen kosmetischer Mittel ist stets zu berücksichtigen, wie Verbraucher:innen diese wahrnehmen. Da ihnen Aloe Vera als wirksamer Bestandteil kosmetischer Mittel bekannt ist, müssen bei der Bewerbung als Aloe-Vera-Öl auch wertgebende Mengen an Aloe-Vera-Bestandteilen im Endprodukt enthalten sein.

 

Literatur

[1] Lebensmittelchemische Gesellschaft - Fachgruppe in der Gesellschaft Deutscher Chemiker - Arbeitsgruppe Kosmetische Mittel, Datenblatt Aloe Vera, Stand: 11/2021.

[2] VO (EG) 1223/2009: Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über kosmetische Mittel (ABl. L 342/59), zuletzt geändert durch die Verordnung (EU) 2021/1902 vom 29. Oktober 2021 (ABl. L 387/120)

[3] VO (EU) 655/2013: Verordnung (EU) Nr. 655/2013 der Kommission vom 10. Juli 2013 zur Festlegung gemeinsamer Kriterien zur Begründung von Werbeaussagen im Zusammenhang mit kosmetischen Mitteln (ABl. L 190 S. 31)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 07.06.2022