Tätowierfarben – auch 2013 ein Sorgenkind der Überwachung

Die Kosmetik-Sachverständigen der CVUAs Freiburg und Karlsruhe

 

Nach wie vor ist die Begeisterung den Körper mit bunten Tätowierungen zu verschönern ungebrochen, viele Prominente machen es vor. Die vorhandenen gesundheitlichen Risiken werden nicht beachtet. Aufgrund dieses Trends und der unerfreulichen Ergebnisse der Vorjahre wurden im Jahr 2013 wieder verstärkt Tätowierfarben untersucht. 30 der 114 in den CVUAs Freiburg und Karlsruhe untersuchten Tätowierfarben wurden beanstandet, 11 Proben mussten als gesundheitsschädigend beurteilt werden. Damit liegt die allgemeine Beanstandungsquote mit 26,3 %, insbesondere aber die Quote der als ge-sundheitsschädigend beurteilten Proben mit 9.7 %, wieder überdurchschnittlich hoch.

Nickel in Tätowierfarben

Im Berichtsjahr wurden zwei Tätowierfarben wegen erhöhter Nickelgehalte als gesundheitsschädigend beurteilt.

 

Höchstmengen an Schwermetallen sind derzeit für Tätowierfarben nicht gesetzlich geregelt. Das Committee of Experts on Cosmetic Produkts beim Europarat hat bereits 2003 erste Kriterien für eine Bewertung von Farbmitteln für Tätowierungen und Permanent Make-up erarbeitet und veröffentlicht. Eine neuere Resolution ResAP(2008)1 wurde veröffentlicht. Auf der Basis dieser Resolution aus 2008 werden Tätowier- und Permanent Make-up Farben für die Parameter, die noch nicht in der Tätowiermittelverordnung geregelt sind, generell beurteilt. Danach soll Nickel nur in technisch unvermeidbaren Gehalten (as low as technically achievable) in den Produkten enthalten sein.

Eigene Untersuchungen über mehrere Jahre ergaben, dass die Nickelgehalte i.d.R. unter  5 mg/kg Tätowierfarbe liegen. Somit ist davon auszugehen, dass ein Gehalt über 5 mg/Nickel im Fertigprodukt technisch vermeidbar ist.

In 2013 wurden 109 Tätowierfarben hinsichtlich ihres Nickelgehalts mit folgendem Ergebnis untersucht. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Ergebnisse der letzten 3 Jahre:

 

Der ermittelte Gehalt an Nickel lag in drei Produkten mit 7,8, 12,3 und 70 mg/kg über den üblicherweise in vergleichbaren Erzeugnissen enthaltenen Gehalten von  5 mg/kg.

Bei der Probe mit 70 mg/kg handelte es sich um eine Beschwerdeprobe. Hier wurde offensichtlich eine Tätowierfarbe oder ein Eyeliner (Herkunft unklar) zur Tätowierung eines Unterlidstriches verwendet. Grund der Beschwerde waren allergische Reaktionen im Augenbereich und eine Hornhautverätzung. Auch wenn nicht ausgeschlossen werden konnte, dass die gleichzeitig verwendete Betäubungsmittelsalbe einen Beitrag zu diesen Verletzungen haben könnte, wurde die Probe aufgrund des hohen Nickelgehaltes als gesundheitsschädlich aufgrund des hohen allergenen Potentials eingestuft. Alle drei Proben wurden als gesundheitsschädlich beurteilt.

   

Infobox

Nickel hat ein hohes allergenes Potential und ist der häufigste Auslöser einer Kontaktallergie. So äußert sich das Bundesinstitut für Risikobewertung z.B. in seiner Stellungnahme Nr. 012/2013 vom 25. Oktober 2012 Nickel in Tätowiermitteln kann Allergien auslösen: „Nickel ist nach wie vor das Kontaktallergen mit der höchsten Sensibilisierungsrate (Uter et al. für ESSCA 2012). Bei der Nickelallergie handelt es sich um eine Überempfindlichkeitsreaktion vom Typ IV. Typ IV-Immunreaktionen sind durch die Beteiligung von T-Helferzellen und Makrophagen charakterisiert. Im Verlauf der Immunreaktion kommt es zu teils schweren Hautveränderungen (Läsionen). Als Inhaltsstoff in kosmetischen Mitteln dürfen Nickel und seine Salze wegen der hohen Sensibilisierungspotenz bis auf die technisch nicht vermeidbaren Gehalte laut Anlage 1 der Kosmetikverordnung (KVO) nicht verwendet werden. Tätowiermittel werden in die Haut eingebracht. Eventuell enthaltene wasserlösliche Stoffe werden deshalb zu 100 % bioverfügbar. Nickel hat ein extremes Sensibilisierungspotenzial und kann Tattoo-assoziierte Kontaktallergien auslösen. Aufgrund der steigenden Anzahl von Menschen, die sich ein Tattoo stechen lassen, ist zu erwarten, dass die Rate von Nickelallergien in den nächsten Jahren zunehmen wird, wenn keine regulatorischen Maßnahmen ergriffen werden. Nickel in Tätowiermitteln ist aufgrund seines hohen Sensibilisierungspotenzials geeignet, die Ge-sundheit zu schädigen. Dies kann auch eine Einschränkung therapeutischer Optionen bedeuten, da Zahn- und Körperimplantate Nickel enthalten können. Nickel sollte deshalb in Tätowiermitteln nicht enthalten sein.“ Bei einer nickelhaltigen Tätowierfarbe, die unter die Haut eingebracht wird, besteht ein immerwährender Kontakt zum sensibilisierenden und Allergie auslösenden Stoff. Somit wird klar, warum Nickel nur in technisch unvermeidbaren Gehalten in den Produkten enthalten sein soll (EU Resolution ResAP(2008)1). Der entsprechende Personenkreis kann sich anders als z.B. bei Schmuck (keinen tragen) nicht vor der Nickelbelastung schützen. Daher stellt ein festgestellter Gehalt an Nickel ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für den Verbraucher dar und wurde als gesundheitsschädigend i. S. von § 26 LFGB beurteilt.

 

Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in schwarzen Tätowierfarben, Wimperntuschen und Kajalstiften

Polyaromatische Kohlenwasserstoffe sind vor allem in schwarzen Tätowierfarben, Wimperntuschen und Kajalstiften zu erwarten, die das Pigment Carbon Black (= Ruß, C.I. 77266) enthalten. C.I. 77266 kann durch unvollständige Verbrennung organischen Materials hergestellt werden, wobei auch PAK entstehen. Die Gruppe der PAK umfasst über 100 Substanzen, die chemisch aus mehreren kondensierten Benzolringen aufgebaut sind und meist in Form komplexer Gemische von Einzelsubstanzen vorliegen. Die Umweltbehörde der USA (US-EPA) hat 16 PAK benannt, die in Umweltproben relevant sind. Als Leitkomponente wird Benzo(a)pyren (BaP) herangezogen. PAK besitzen gesundheitsschädliche Eigenschaften. Nach CLP-VO (siehe Infobox) sind Vertreter nach Kategorie 1B oder nach Kategorie 2 als kanzerogen, mutagen oder reproduktionstoxisch eingestuft. Acht PAK sind als Kanzerogene der Kategorie 1B eingestuft, Naphthalin als Kanzerogen der Kategorie 2, und Benzo(a)pyren sowohl als kanzerogen (Kategorie 1B), mutagen (Kategorie 1B) und reproduktionstoxisch (Kategorie 1B). Neben der Einstufung der PAK in der CLP-VO sind bei der Beurteilung der Proben Expertengutachten zu berücksichtigen, die PAK als genotoxisch (erbgutschädigend) einstufen.

 

Infobox

CMR- und genotoxische Stoffe

CMR steht für die Stoffeigenschaften: kanzerogen (krebserzeugend), mutagen (erbgutverändernd) oder reproduktionstoxisch (fortpflanzungsgefährdend) (von engl. carcinogenic, mutagenic and toxic to reproduction) nach der VO (EG) Nr. 1272/2008 (CLP-VO) über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen. Sie werden in drei Kategorien eingeteilt:

Kategorie 1A = Stoffe, die beim Menschen bekanntermaßen CMR-Eigenschaften haben Kategorie

1B = Stoffe, die wahrscheinlich beim Menschen CMR-Eigenschaften haben

Kategorie 2 = Stoffe, die im Verdacht auf CMR-Wirkung beim Menschen stehen


Genotoxizität ist die unerwünschte Schädigung oder Veränderung des Erbgutes und nicht unbedingt identisch mit Mutagenität. Mutagenität ist die Induktion permanenter vererbbarer genetischer Veränderungen. Im EFSA Journal(2008) 724 werden eine Reihe von PAK hinsichtlich ihrer genotoxischen Eigenschaften bewertet. (The EFSA Journal (2008) 724: Polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe in der Nahrung, wissenschaftliches Gutachten des Gremiums für Kontaminanten in der Lebensmittelkette)

  

Die deutsche Tätowiermittelverordnung beinhaltet keine Reinheitsanforderungen für die verwendete Farbmittel oder Regelungen bezüglich PAK. Empfehlungen für Höchstwerte finden sich in der Resolution „ResAP(2008)1 on requirements and criteria for the safety of tattoos and permanent make-up“ des Europarates. Unter Berücksichtigung des Gesundheitsschutzes und des Standes der Technik wird hier ein Summenwert von 0,5 mg/kg und für BaP ein Wert von 5 µg/kg genannt.

 

Für Wimperntuschen und Kajalstifte gelten die Vorschriften der EU-Kosmetikverordnung, d.h. Verbot der in Anhang II aufgelisteten PAK, ausgenommen die Gehalte sind als gesundheitlich unbedenklich und technisch unvermeidbar zu beurteilen.

 


Im Jahr 2013 wurden 58 Proben schwarze Tätowierfarben, Wimperntuschen und Kajalstifte auf PAK untersucht. Bei 9 Proben Tätowierfarben wurden aufgrund des Gehaltes an PAK ein ernsthaftes Gesundheitsrisiko für den Verbraucher festgestellt und die Proben als gesundheitsschädigend i. S. von § 26 LFGB beurteilt.

Die auffälligsten Proben enthielten  die als genotoxisch eingestufte Leitsubstanz BaP in Gehalten von 71 bis 350 µg/kg. Der in der ResAP(2008)1 empfohlene Höchstwert für BaP von 5 µg/kg ist damit weit überschritten. Gemäß einer Stellungnahme des BfR (Nr. 044/2011 vom 1.7.2011) stellen Tätowiermittel, die den Orientierungswert von BaP 5 µg/kg überschreiten, eine ernste Gesundheitsgefahr dar..

Bei positiven Befunden in Tätowiermitteln, die ausschließlich PAK zwar mit  CMR-Einstufung aber ohne erwiesene Genotoxizität enthalten (Z.:B. Naphthalin), werden die Proben bei Überschreitung der Summe von 0,5 mg/kg (s. ResAP(2008)1 wegen eines technisch vermeidbaren Gehaltes an PAK beanstandet. Bei deutlichen Überschreitungen dieses Richtwertes ist eine Einzelfall-Risikobewertung erforderlich. Dies war bei 5 Proben der Fall.

Lediglich bei einem Kajalstift. bei dem die EU-Kosmetikverordnung und nicht die Tätowiermittelverordnung anzuwenden ist, wurde der als Kanzerogen Kat. 1B und nach EU-Kosmetikverordnung verbotene Stoff Benzo(a)antracen mit 252 µg/kg gefunden. Unter Berücksichtigung der geringen Exposition wurde die Probe nicht als gesundheitlich bedenklich beurteilt, allerdings ist der Gehalt technisch vermeidbar und das Produkt daher nicht verkehrsfähig.

  

Weitere Informationen

 

 

 

 

 

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 26.05.2014