Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe - Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2023

Dr. Christina Skiera (CVUA KA)

 

Zusammenfassung

Im Jahr 2023 setzt sich der Trend der vergangenen Jahre für Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe in Proben tierischer Herkunft fort: Die Anzahl der auffälligen Proben ist weiterhin auf einem geringen Niveau.

 

Im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans wurden im Jahr 2023 über 3.200 Proben aus Schlacht- und Erzeugerbetrieben in Baden-Württemberg mit chemisch-physikalischen Methoden auf pharmakologisch wirksame Stoffe untersucht.

Bei 14 Tieren (0,4 % der untersuchten Proben) waren Rückstände nachweisbar. Überschreitungen von Rückstandshöchstmengen wurden dabei nicht festgestellt. Lediglich eine Forellenprobe aus einem baden-württembergischen Zuchtbetrieb und zwei im Zuge der Ermittlungen erhobenen Verdachtsproben enthielten Leukomalachitgrün, den Metaboliten von Malachitgrün, das zur Anwendung bei lebensmittelliefernden Tieren nicht zugelassen ist.

 

Weiterhin wurden in Baden-Württemberg Proben von rund 21.000 Tieren aus Schlachthöfen mit dem Hemmstofftest auf Antibiotikarückstände untersucht. Die Proben mit positiven Hemmstofftest-Befunden wurden am CVUA Karlsruhe mit chemisch-physikalischen Verfahren nachuntersucht und es wurden bei 28 Tieren (0,13 %) Antibiotikarückstände nachgewiesen. Bei 16 Tieren (0,08 %) überschritten die Gehalte die zulässigen Höchstmengen.

 

Darüber hinaus wurden 960 Proben aus dem Lebensmittelhandel am CVUA Karlsruhe auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe getestet. In 11 Proben (1,1 %) wurden Rückstände unterhalb der zulässigen Höchstmengen nachgewiesen. Nur eine Probe (0,1 %), Garnelen aus Bangladesch, entsprach nicht den rechtlichen Anforderungen.

 

Durch Einsatz von Tierarzneimitteln bei Tieren, die der Gewinnung von Lebensmitteln dienen, können Rückstände an pharmakologisch wirksamen Stoffen in tierischen Lebensmitteln auftreten. Um sicherzustellen, dass von diesen Rückständen keine Gefahr ausgeht oder unerwünschte Auswirkungen für die Verbraucherinnen und Verbraucher entstehen, unterliegen arzneiliche Wirkstoffe und deren Anwendung für lebensmittelliefernde Tiere in der EU strengen gesetzlichen Regelungen.

 

Die Überwachung von Rückständen pharmakologisch wirksamer Stoffe erfolgt auf allen Stufen der Produktionskette. Am CVUA Karlsruhe werden im Rahmen des Nationalen Rückstandskontrollplans (NRKP) Proben von lebensmittelliefernden Tieren von baden-württembergischen Erzeuger- und Schlachtbetrieben erhoben und zusätzlich auch Proben aus dem Lebensmittelhandel untersucht.

 

Chemisch-physikalische Untersuchungen nach dem NRKP

Im Jahr 2023 wurden am CVUA Karlsruhe rund 3.200 Proben lebensmittelliefernder Tiere aus Baden-Württemberg mittels chemisch-physikalischer Methoden auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe untersucht. Der Hauptteil der Proben (74 %) stammte dabei aus Schlachtbetrieben, 26 % der Proben wurden in Erzeugerbetrieben erhoben.

 

Auf dem Bild sind Muskel und Niere eines Rinds und eines Schweins sowie Probenröhrchen mit Milch, homogenisiertem Ei, Blutplasma und Urin zu sehen.

Abb. 1: Laborproben zur Untersuchung auf pharmakologisch wirksame Stoffe nach dem NRKP

 

In Proben von 14 Tieren (0,4 %) wurden Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe festgestellt. Die meisten der analysierten Stoffe stammten dabei aus der Gruppe der Antibiotika und der Gruppe der nicht-steroidalen entzündungshemmenden Mittel (NSAIDs, non-steroidal anti-inflammatory drugs). Davon entsprachen lediglich vier Proben (0,1 %) nicht den rechtlichen Vorgaben:

 

Der Urin eines Schlachtschweins enthielt das Steroidhormon Nandrolon, das bei der Schweinemast nicht eingesetzt werden darf. Allerdings kann es bei Schweinen abhängig von Alter und Geschlecht auch natürlicherweise (endogen) vorkommen. Da das Schwein lediglich zur Schlachtung nach Baden-Württemberg verbracht wurde, wurde dieser Fall zur Weiterverfolgung an die zuständige Überwachungsbehörde weitergegeben.

 

In einer Forellenprobe aus einem baden-württembergischen Forellenzuchtbetrieb und in zwei Nachproben wurde Leukomalachitgrün, der Hauptmetabolit von Malachitgrün nachgewiesen. Die Gehalte lagen oberhalb des Referenzwertes für Maßnahmen für Leukomalachitgrün (siehe Infokasten). Die Ursachenforschung zu dem Fall ist noch nicht abgeschlossen.

Malachitgrün

Malachitgrün gehört chemisch zur Gruppe der Triphenylmethanfarbstoffe. Im Bereich der Aquakultur hat Malachitgrün eine lange Geschichte als Tierarzneimittel für Fische und Fischeier, vor allem zur Behandlung von Parasiten und Pilzerkrankungen. In der EU ist der Einsatz von Malachitgrün als Tierarzneimittel für lebensmittelliefernde Tiere allerdings seit 2004 nicht mehr zugelassen. Die Substanz steht im Verdacht, kanzerogene und genotoxische Eigenschaften zu besitzen.

 

Zur Harmonisierung der Kontrollen in der EU wurde für die Summe aus Malachitgrün und seinem Metaboliten Leukomalachitgrün gemäß Verordnung (EU) 2019/1871 ein sogenannter Referenzwert für Maßnahmen (RWM) festgelegt. Dieser soll sowohl das toxikologische Potential als auch das analytisch Machbare berücksichtigen. Derzeit liegt der RWM für die Summe von Malachit- und Leukomalachitgrün bei 0,5 µg/kg. Lebensmittel tierischen Ursprungs mit Rückständen an Malachitgrün und Leukomalachitgrün sind nicht verkehrsfähig, wenn die ermittelte Konzentration dem RWM entspricht oder darüber liegt. Praktisch gesehen gilt also bei der Bewertung dieser Rückstandsbefunde keine Nulltoleranz. Nichtsdestotrotz sollte jedem Nachweis und unabhängig vom festgestellten Gehalt nachgegangen und überprüft werden, ob eine unzulässige Behandlung stattgefunden hat.

 

Weitere Informationen zur bundesweiten Auswertung der Ergebnisse des NRKP finden sich auch im Jahresbericht zum NRKP des BVL

 

Hemmstoff-Untersuchungen

Nach § 10 der Tierischen Lebensmittelüberwachungsverordnung (Tier-LMÜV) sind die zuständigen Behörden verpflichtet, mindestens 2 % aller Kälber und 0,5 % aller gewerblich geschlachteten Huftiere auf Rückstände zu untersuchen. Die durch diese nationale Vorschrift geforderte Probenmenge übersteigt deutlich die Anzahl der Proben, die sich aus den europäischen Vorgaben ableitet. Die Differenz dieser Proben wird in der Regel direkt in den Schlachtbetrieben erhoben und zunächst mittels allgemeinem Hemmstofftest (AHT) untersucht.

Auf dem Bild ist eine in zwei Segmente geteilte Hemmstoffplatte zu sehen. Um das Testplättchen auf der linken Seite ist deutlich ein Hemmhof zu erkennen, um ein ausgestanztes Nierenstück auf der rechten Seite ist kein Hemmhof vorhanden.

Abb. 2: Hemmstoffplatte mit Testplättchen (mit Hemmhof) und ausgestanztem Nierenstück (kein Hemmhof)

 

Im Berichtsjahr wurden in Baden-Württemberg insgesamt Proben von fast 21 000 Tieren mittels AHT untersucht. Proben von rund 4 000 Tieren wurden davon am CVUA Karlsruhe getestet, die anderen Untersuchungen erfolgten zum größten Teil in den Laboren einiger Kreisbehörden mit großen Schlachtbetrieben und ein kleiner Teil am STUA Aulendorf.

Bei den Proben von 43 Tieren (0,21 %) ergaben sich positive Hemmstofftest-Befunde. Diese Proben wurden dann am CVUA Karlsruhe mit Hilfe chemisch-physikalischer Methoden weiter analysiert, um Wirkstoffe, die einen sog. Hemmhof verursachen, zu identifizieren und zu quantifizieren.

 

Bei Proben von 28 Tieren (0,13 %) wurden pharmakologisch wirksame Stoffe nachgewiesen und quantifiziert. Alle Wirkstoffe stammten aus der Gruppe der Antibiotika und nicht-steroidalen Entzündungshemmer. In Proben von 10 Tieren wurden gleich mehrere Wirkstoffe gefunden. Bei Proben von 16 Tieren (0,08 %) überschritten die festgestellten Rückstände die zulässigen Höchstmengen. Nachfolgende Tabelle (Tabelle 1) gibt einen Überblick über die Rückstandsbefunde.

 

Tabelle 1: Proben mit positivem AHT und anschließendem Rückstandsbefund.

Dargestellt ist jeweils die Gesamtzahl an Muskel- bzw. Nieren-Proben pro identifiziertem Wirkstoff (gesamt) sowie die Anzahl, bei welcher es bei bestimmten Wirkstoffen zu einer Höchstmengenüberschreitung kam (>HM). Mehrfachzählungen sind möglich.

Wirkstoff

Muskel

Niere

  gesamt  

    >HM    

  gesamt  

    >HM    

Benzylpenicillin 2 0 9 4
Doxycyclin 4

3

6 3
Oxytetracyclin (Summe) 4 0 6 4
Ketoprofen* 3 0 4 0
Enrofloxacin/Ciprofloxacin (Summe) 2 1 2 2
Tetracyclin (Summe) 2 1 2 1
Chlortetracyclin 1 0 3 0
Meloxicam 1 1 2 1
Sulfadimidin 1 1 1 1
Trimethoprim 1 1 1 1
Flunixin 0 0 2 0
Gentamycin 0 0 1 1
Tulathromycin 0 0 1 1
Florfenicol 0 0 1 1
Kanamycin 0 0 1 0
Marbofloxacin 0 0 1 0
Neomycin 0 0 1 0

*Hinweis zu Ketoprofen: Der Wirkstoff Ketoprofen aus der Gruppe der nicht-steroidalen Entzündungshemmer ist für Rinder, Schweine und Equiden ohne Erfordernis einer Rückstandshöchstmenge zugelassen. Jedoch ist bei der Anwendung von Ketoprofen eine Wartezeit abhängig vom eingesetzten Präparat einzuhalten. Weiterführende Informationen zu Ketoprofen siehe Infokasten im Jahresbericht 2022)

 

Untersuchung von Proben aus dem Lebensmittelhandel

Neben den Proben aus baden-württembergischen Erzeuger- und Schlachtbetrieben werden am CVUA Karlsruhe auch Proben aus dem Lebensmittelhandel untersucht. Ein Schwerpunkt liegt hierbei auf tierischen Lebensmitteln, die in der Vergangenheit schon einmal auffällig waren und beispielsweise über das europäische Schnellwarnsystem RASFF („Rapid Alert System for Food and Feed“) als Warnmeldungen gemeldet wurden. Auch Proben aus Drittstaaten stehen im Fokus, da in Nicht-EU-Staaten häufig andere gesetzliche Anforderungen gelten. Beispiele sind Corned Beef sowie Rindfleisch aus Südamerika und Shrimps aus Aquakultur in Südostasien.

Auf dem Bild sind verschiedene Lebensmittel aus dem Lebensmittelhandel zu sehen. Dies sind: zwei Gläser mit Honig, Milch in einer Glasflasche, ein Stück eingeschweißtes Fleisch, 6 bunt gefärbte gekochte Eier, ein Fischfilet, 2 verschiedene Arten von Shrimps.

Abb. 3: Laborproben zur Untersuchung auf pharmakologisch wirksame Stoffe aus dem Lebensmittelhandel

 

Im Berichtsjahr wurden am CVUA Karlsruhe 960 Proben aus dem Lebensmittelhandel auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe getestet. In 11 Proben (1,1 %) wurden Rückstände nachgewiesen, eine Probe (0,1 %) entsprach nicht den rechtlichen Vorgaben. Eine Übersicht über die untersuchten Proben gibt Tabelle 2.

 

Tabelle 2: LFGB-Proben mit Rückstandsbefunden

 Aufgelistet sind alle Proben, in welchen ein oder mehrere pharmakologisch wirksame Stoffe nachgewiesen wurden, sortiert nach Lebensmittelgruppen. Erläuterung zur Bewertung:

"unter HM" = Gehalt des Stoffes in der Probe liegt unterhalb der gesetzlich festgelegten Höchstmenge im entsprechenden Gewebe;

"über HM" = die Rückstandshöchstmenge für diesen Stoff wurde in der Probe überschritten;

"über RWM" = der Referenzwert für Maßnahmen dieses Stoffes wurde in der Probe überschritten;

Proben

Herkunft

Rückstandsbefunde

entspricht den

rechtlichen

Vorgaben

Wirkstoff

Wirkstoffgruppe

Bewertung

Fleisch

Gesamtprobenzahl: 411

Schweinefleisch

Deutschland

Doxycyclin

Antibiotika

unter HM

ja

Fleischerzeugnis

Gesamtprobenzahl: 16

Corned Beef

Brasilien

Ivermectin

Antiparasitika

unter HM

ja

Corned Beef

Brasilien

Ivermectin

Antiparasitika

unter HM

ja

Corned Beef

Brasilien

Ivermectin

Antiparasitika

unter HM

ja

Corned Beef

Brasilien

Ivermectin

Antiparasitika

unter HM

ja

Krebstiere

Gesamtprobenzahl: 94

Black Tiger Garnele

Bangladesh

Malachitgrün,

Leukomalachitgrün

Farbstoff mit 

antiparasitärer und

antibiotischer Wirkung

über RWM

nein

White Tiger Garnele

Vietnam

Doxycyclin,

Sulfadiazin

Antibiotika

unter HM

ja

Eier

Gesamtprobenzahl: 153

Eier aus

Freilandhaltung

Niederlande

Flubendazol,

Aminoflubendazol

Antiparasitika

unter HM

ja

Hühnereier

Deutschland

Lasalocid

Antiparasitika

über HM

(Statistisch

nicht gesichert)

ja

Wachteleier

-

Oxytetracyclin

Antibiotika

unter HM

ja

Honig

Gesamtprobenzahl: 110

Sommerblüten-Honig

Deutschland

Enrofloxacin,

Ciprofloxacin

Antibiotika

unter HM

ja

 

Eine Probe „Black Tiger Garnele“ aus Aquakultur in Bangladesch entsprach nicht den rechtlichen Vorgaben. Sie enthielt Malachitgrün und seinen Hauptmetaboliten Leukomalachitgrün. Der Gehalt lag dabei über dem Referenzwert für Maßnahmen (RWM) für Malachitgrün und Leukomalachitgrün. (weitere Informationen zu Malachitgrün siehe „Infokasten Malachitgrün“)

Bei der Rückstandsuntersuchung von Aquakulturprodukten aus dem südostasiatischen Raum werden EU-weit immer wieder Malachitgrün und dessen Metabolit nachgewiesen. In den Jahren 2022/2023 gab es hierzu 16 Warnmeldungen über das RASFF-System. Die missbräuchliche Anwendung von Malachitgrün-Präparaten lässt sich mit den geringen Kosten, der hohen Verfügbarkeit und der hohen Wirksamkeit von Malachitgrün als Tierarzneimittel erklären.

 

Fazit

Auch im Jahr 2023 waren die Zahlen der nicht konformen Proben bei der Untersuchung auf Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe auf einem niedrigen Niveau.

In den Jahren 2018 bis 2022 lagen der Anteil der NRKP-Proben, in denen Rückstände pharmakologisch wirksamer Stoffe nachgewiesen wurden, konstant zwischen 0,3 % und 0,4 % und der Anteil der nicht-konformen NRKP-Probe unter 0,1 % der Gesamtprobenzahl. Damit setzen die Untersuchungsergebnisse von 2023 mit 0,4 % NRKP-Proben mit nachgewiesenen Rückständen und 0,1 % nicht-konformen NRKP-Proben ganz diesen Trend fort. Auch die aus den Hemmstoff-Untersuchungen resultierenden nicht-konformen Wirkstoff-Befunde lagen in den Jahren 2018 bis 2022 immer unter 0,1 %. Dazu passt auch das Ergebnis von 2023 mit 0,08 %.

Etwas höher mit 0,1 % bis 0,6 % war in den Jahren 2018 - 2022 der Anteil an nicht-konformen LFGB-Proben. Im Berichtsjahr lag der Anteil an nicht-konformen LFGB-Proben mit 0,1 % im gleichen Bereich wie in den Vorjahren.

 

Weitere Informationen:

 

 

Artikel erstmals erschienen am 07.10.2024