Potenzsteigerung durch Nahrungsergänzungsmittel - nur das Portemonnaie gerät in Hochform

T. Rajcic de Rezende, V. Bock, D.W. Lachenmeier, O. el-Atma, CVUA Karlsruhe

 

Insbesondere im Internet werden Nahrungsergänzungsmittel mit angeblich natürlichen, pflanzlichen Inhaltsstoffen angeboten, die eine positive Wirkung bei Potenzstörungen oder Libidoverlust haben sollen. Solche Produkte können unzulässige Wirkstoffe enthalten und ggf. hohe Risiken bei der Einnahme bergen. Daher werden sie in regelmäßigem Abstand überprüft. Beim letzten Projekt im Jahr 2022 konnten glücklicherweise keine verschreibungspflichtigen Arzneistoffe nachgewiesen werden, die Produkte wurden jedoch wegen anderer verbotener Substanzen und irreführender Angaben beanstandet.

Weißer Kreis mit schwarzem, gemaltem Männchen. Um den Kreis herum befinden sich blaue Kapseln

Abb.1: Die Abbildung wurde von einer künstlichen Intelligenz anhand der englischsprachigen Anfrage "Blue pills with man symbol for potency illegally sold as food supplement" mit DALL-E 2 auf openAI.com erstellt

 

Sexualstörungen bei Männer werden als Potenzstörungen bezeichnen und können in verschiedenen Lebensphasen und aus diversen Gründen entstehen. Die bekanntesten Arten sind:

  • Erektionsstörungen: Einschränkung der erektilen Funktion (erektile Dysfunktion)
  • Libidostörungen: geringere sexuelle Appetenz (Lustlosigkeit)
  • Ejakulationsstörungen: vorzeitige, verspätete oder ausbleibende Samenergüsse

 

Das sexuelle Wohlbefinden kann durch diese Störungen stark eingeschränkt werden und zu Frustration und psychischer Belastung in der Partnerschaft führen. Zudem wird das Thema in der Regel ungern offen angesprochen und die üblichen Medikamente dafür sind rezeptpflichtig. Viele Betroffene suchen daher zunächst auf eigene Faust nach Lösungen für ihre Probleme und wenden sich der anonymen Welt des Online-Handels zu. Aber auch Männer, die eigentlich keine Probleme haben, aber ihre sexuelle Leistung und Ausdauer noch weiter verstärken bzw. verbessern möchten, werden im Internet auf der Suche nach rezeptfreien und „natürlichen“ Produkten fündig.

 

Der Online-Handel bietet viele Produkte mit zahlreichen unrealistischen Wirkversprechen an. Darunter sind auch Nahrungsergänzungsmittel mit angeblich natürlichen, pflanzlichen Inhaltsstoffen. Bei Kontrollen wird jedoch festgestellt, dass sie auch verschreibungspflichtige arzneiliche Wirkstoffe enthalten. Bei der Einnahme solcher „illegalen Arzneimittel“ in unbekannter Dosierung und ohne ärztliche Aufsicht können unerwünschte Wirkungen auftreten und Potenzstörungen werden gleichzeitig nicht konsequent behandelt.

 

Die Überwachung

In Baden-Württemberg werden solche Nahrungsergänzungsmittel regelmäßig stichprobenartig, aber auch im Rahmen von Projekten, oder bei Verdacht überprüft. Im Jahr 2022 haben das CVUA Karlsruhe und die Kontaktstelle Internethandel beim Regierungspräsidium Tübingen im Rahmen eines Projektes zur Überwachung des Internethandels 20 Produkte mit fragwürdigen Inhaltstoffen sowie zahlreichen Wirkversprechen im Internet recherchiert. Die zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörden konnten davon 10 Produkte als amtliche Proben erheben, die in Zusammenarbeit mit der Arzneimitteluntersuchungsstelle am CVUA Karlsruhe auf unzulässige wirksame Stoffe untersucht wurden.

 

Ergebnisse

Kreisdiagramm, dass die aufgeführten Beanstandungsgründe in verschiedenen Farben darstellt.

Abb.2: Beanstandungsgründe im Rahmen des Projektes "Potenzmittel aus dem Internethandel"

 

Verbotener Inhaltsstoff

Nur 1 Probe war diesbezüglich auffällig und enthielt in geringer Menge die verbotene Substanz „Yohimbin“. Dabei handelt es sich um einen Inhaltsstoff der Pflanze Pausinystalia yohimbe, die als Zutat nicht aufgeführt war. Bei der Verwendung von P. yohimbe und Zubereitungen daraus in Lebensmitteln bestehen Sicherheitsbedenken. Yohimbin wird eine aphrodisierende Wirkung zugesprochen, die aber bisher nicht zweifelsfrei belegt ist. Als unerwünschte Wirkungen werden gelegentlich Schwindel, Speichelfluss, Schwächegefühl, Frostgefühl und Schweißausbrüche, nervöse Erregung, Herzklopfen, Schlaflosigkeit und Magenbeschwerden beschrieben, nach weiteren Literaturangaben Kopfschmerzen, sowie gastrointestinale Beschwerden [1, 2, 3].

Yohimbe (P. yohimbe) wurde deswegen in die Liste der verbotenen Stoffe aufgenommen (vgl. Anhang III Teil A der VO (EG) Nr. 1925/2006). Der Einsatz von Yohimberinde und Zubereitungen daraus ist somit in Lebensmitteln nicht zulässig, also auch nicht in Nahrungsergänzungsmitteln.

 

Unzulässiger Zusatzstoff

Aus anderen Gründen verboten ist ein Stoff, der bei einer Probe als Zutat „Reis-Extrakt mit Reis-Spelz“ mit der Zusatzstoffkategorie „Trennmittel“ angegeben war. Bei dieser Zutat handelte es sich um einen Extrakt aus nicht essbaren Reisbestandteilen wie Hülsen oder Schalen. Er ist keine charakteristische Lebensmittelzutat und erfüllt ausschließlich eine technologische Funktion im Endprodukt. Eine Zulassung als Zusatzstoff liegt für derartige Erzeugnisse bisher nicht vor, somit dürfen sie nicht verwendet werden.

 

Neuartige Zutaten

In 4 Produkten waren außerdem Extrakte aus teilweise nicht üblichen Pflanzen(teilen) enthalten. Es wurden angereicherte Stoffe deklariert, die in der EU keine Verzehrgeschichte als sicheres Lebensmittel haben. Derartige Inhaltstoffe werden als neuartige Lebensmittelzutaten bezeichnet und bedürfen vor dem Inverkehrbringen einer Zulassung, in der die Sicherheit nachgewiesen werden muss.

 

Nicht zum Verzehr geeignet

2 weitere Produkte wurden aufgrund ihres Piperin-Gehalts in der Tagesdosis als für den menschlichen Verzehr ungeeignet eingestuft. Bei Piperin handelt es sich um einen natürlichen Bestandteil des Pfeffers, der in isolierter Form Nahrungsergänzungsmitteln zugesetzt wird. In Human- und Tierstudien wurden aber bei der kombinierten Gabe von Piperin mit verschiedenen (Arznei-)Stoffen Wechselwirkungen beobachtet. Deshalb sollten nach Ansicht des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) Personen, die Arzneimittel einnehmen, die Anwendung von Nahrungsergänzungsmitteln mit Gehalten an isoliertem Piperin über einer bestimmten Tagesdosis entweder grundsätzlich vermeiden oder zumindest Rücksprache mit einem Arzt halten [4].

Beide Proben überschritten die als sicher bewertete Menge um mindestens das 4-fache. Zudem waren in der Kennzeichnung keine Warnhinweise angebracht, die besonders empfindliche Verbrauchergruppen (z. B. Jugendliche und Personen, die Arzneimittel einnehmen) vom Verzehr ausschließen.

 

Kennzeichnung

Alle Proben wurden aufgrund diverser Kennzeichnungsmängel beanstandet. Meistens waren die Angaben sowohl im Internet als auch auf der Verpackung auffällig und entsprachen nicht den rechtlichen Vorgaben. Insbesondere waren die nährwert- und gesundheitsbezogene Angaben nicht rechtskonform, und die Angaben im Internet wichen teilweise von den Angaben auf der Verpackung ab.

 

Wirkversprechen

Die Produkte wurden mit verschiedenen Wirkversprechen ausgelobten, die zum Teil bisher wissenschaftlich nicht belegt werden konnten und daher verboten sind.

 

Das Bild zeigt Beispiele für verschiedene Wirkversprechen, die in der Aufmachung der untersuchten Produkte zu finden waren

Abb.3: Beispiele für verschiedene Wirkversprechen, die in der Aufmachung der untersuchten Produkte zu finden waren.

 

Bisher sind für keinen Stoff sog. gesundheitsbezogene Angaben, die sich auf die Sexualität des Manns und/oder seine Leistungsfähigkeit beziehen, zugelassen. Es gibt zwar für einige Mineralstoffe zugelassene Angaben, die sich auf die Fruchtbarkeit im Allgemeinen oder auf bestimmte männliche Funktionen beziehen, wie z. B.

„Zink trägt zu einer normalen Fruchtbarkeit und einer normalen Reproduktion bei“

„Zink trägt zur Erhaltung eines normalen Testosteronspiegels im Blut bei“

„Selen trägt zu einer normalen Spermabildung bei“

 

Diese rechtfertigen inhaltlich jedoch keine Angaben zur Sexualität und Leistungsfähigkeit allgemein. Die beworbenen Aussagen waren daher größtenteils nicht zugelassen oder gingen über die Bedeutung der zulässigen Aussagen hinaus.

Weitere auffällige Untersuchungsergebnisse

Die in den letzten Jahren durchgeführten Untersuchungen (Nahrungsergänzungsmittel zur Förderung der „Manneskraft“ – alles nur natürlich? & Statt eiserner Kraft bald gar kein Saft?) haben gezeigt, dass nicht nur Nahrungsergänzungsmittel, sondern auch übliche Lebensmittel wie Schokolade und Getränkepulver verschreibungspflichtige Arzneistoffe gegen Potenzstörungen enthalten können. Die Zwielichtigkeit der Produkte ging bereits aus der Aufmachung hervor. Die meisten dieser Produkte wurden aus Drittländern importiert.

Beispielsweise wurden die Arzneistoffe Tadalafil und/oder Sildenafil seit 2018 in 11 Proben nachgewiesen [5, 6]. Bei 5 dieser Proben handelte es sich um Nahrungsergänzungsmittel, bei den übrigen 6 Proben um Lebensmittel des allgemeinen Verzehrs. Beide Verbindungen sind sich sowohl strukturell als auch funktionell sehr ähnlich und werden zur Behandlung von Erektionsstörungen bei Männern verwendet. Tadalafil ist beispielsweise der Wirkstoff des Produkts Cialis und Sildenafil ist der Wirkstoff von Viagra.

Für diese Arzneiwirkstoffe werden auch unerwünschte Wirkungen beschrieben wie z. B. Kopfschmerzen, bei gleichzeitiger Alkoholzufuhr Hautrötungen (Flush), Rückenschmerzen, Nasenschleimhautentzündung (Rhinitis), veränderte Farbwahrnehmung und viele weitere. Es sind auch Wechselwirkungen mit nitrathaltigen Medikamenten möglich [2, 7].

Tadalafil und/oder Sildenafil waren in den Produkten nicht deklariert, aber die gewählten Aufmachungen (z. B. mit roten Herzen, Paarabbildungen) implizierten ein sexuelles Wohlbefinden. Zudem enthielten die Produkte auch Pflanzen wie Ginkgoblätter (Ginkgo biloba), Ginsengwurzel (Panax ginseng) oder Macawurzel (Lepidium meyenii). Diesen Pflanzen werden aphrodisierende, potenzsteigernde und durchblutungsfördernde Wirkungen zugeschrieben, die jedoch bisher nicht hinreichend belegt werden konnten.

Alle diese Proben wurden aufgrund der nachgewiesenen verbotenen Arzneistoffe als nicht zugelassene Funktionsarzneimittel eingestuft.

 

Fazit

Im Rahmen des Internetprojektes 2022 war ein Produkt mit einer verbotenen Substanz auffällig, es konnten jedoch glücklicherweise keine verschreibungspflichtigen Arzneistoffe nachgewiesen werden. Trotzdem mussten alle Proben auf Grund von unzulässigen Inhaltsstoffen oder Mengen und vor allem auf Grund unzulässiger Angaben oder Wirkversprechen beanstandet werden.

Auch die Erfahrungen der vergangenen Jahre haben gezeigt, dass solche Produkte zur Potenzsteigerung immer wieder auffällig sind und unzulässige Arzneistoffe enthalten können. Es wird daher zur Vorsicht beim Kauf solcher Produkte geraten. Im günstigsten Fall wird nur der Geldbeutel geschädigt, während die erhofften Wirkversprechen nicht erfüllt werden. Wenn dagegen entsprechende Wirkstoffe enthalten sind, besteht das Risiko gesundheitsschädlicher Nebenwirkungen.

Die Einnahme von solchen Nahrungsergänzungsmitteln ohne entsprechende ärztliche Kontrolle kann Risiken bergen. Daher ist es wichtig, beim Auftreten von Störungssymptomen einen Facharzt aufzusuchen, um eine korrekte Diagnose und Behandlung zu erhalten.

 

Literatur

 

 

Artikel erstmals erschienen am 05.10.2023