Update: Beanstandungsquote von Cannabidiol- und Hanfprodukten immer noch sehr hoch

Bettina Bastius, Laura Riedel, Patricia Golombek, Dirk Lachenmeier (CVUA Karlsruhe)

 

Das Interesse von Verbraucherinnen und Verbrauchern an hanfhaltigen Lebensmitteln, insbesondere solchen mit hohen Cannabidiol-Gehalten, wächst kontinuierlich. Auch im Jahr 2020 wurden über 120 hanfbasierte Produkte untersucht, um deren Rechtskonformität zu überprüfen. Wie in den Vorjahren ist die Beanstandungsquote sehr hoch. Vor allem aufgrund von nicht zugelassenen neuartigen Lebensmittelzutaten kam es bei 84 % der Proben zu einer Beanstandung. Fast 50 % der Produkte wurden aufgrund der enthaltenen Menge an THC als nicht sicher beurteilt.

Neben „klassischen“ Hanflebensmitteln wie Hanfsamen-Salatöl oder Hanfsamen-Schokolade sind mittlerweile auch hanfhaltige Back- und Teigwaren, Süßwaren und Kräutertees, Erfrischungsgetränke und Biere sowie Nahrungsergänzungsmittel auf dem Markt zu finden [1]. Im Fokus der Lebensmittelüberwachung stehen vor allem solche Produkte, die das nicht psychotrope Cannabinoid Cannabidiol, kurz CBD, in Form von Extrakten enthalten. Häufig werden diese Produkte als Nahrungsergänzungsmittel, also z. B. als CBD-Öle oder -Kapseln (Abb. 1) verkauft und aufgrund ihrer vermeintlich positiven Wirkung auf die Gesundheit stark beworben. Bei CBD-Ölen handelt es sich meist um Hanföle, die mit CBD-reichen Hanfextrakten, -isolaten oder synthetisch gewonnenem Cannabidiol angereichert werden.

Die Abbildung zeigt eine schwarze 10-ml Glasflasche mit einem CBD-Öl. Die Tropfpipette ist von der Flasche abgeschraubt und liegt gefüllt mit dem dunkel-grünlichen Öl im Vordergrund vor der Flasche. Neben der Flasche liegt ein Plastikbehältnis mit Kapseln, das von oben geöffnet ist. Vor dem Behältnis sind einige ockergelbfarbene Steck-Kapseln platziert, die ein Pulver mit Hanfextrakt enthalten. Weiterhin sind einige kleine Hanfsamen abgebildet, die bräunlich und rund aussehen. Im Hintergrund des Bildes befindet sich ein unscharfes Hanfblatt.

Abbildung 1: Beispiele für Proben mit CBD-Ölen, CDD-Kapseln und Hanfsamen (Foto: Laura Riedel/CVUA Karlsruhe)

 

Nachdem der Europäische Gerichtshof im November 2020 zu dem Entschluss gekommen ist, dass CBD keinen Suchtstoff im Sinne des Einheits-Übereinkommens darstellt [2], entschied die EU-Kommission am 03.12.2020, dass CBD als Lebensmittel eingestuft werden kann [3].

 

Allerdings zählen Produkte mit Hanfextrakt, CBD-Isolaten oder mit synthetisch gewonnenem Cannabidiol weiterhin zu den neuartigen Lebensmitteln im Sinne der Novel Food-Verordnung (VO (EU) Nr. 2015/2283), da derartige Produkte vor dem 15. Mai 1997 noch nicht in nennenswertem Umfang in der europäischen Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurden. Für neuartige Lebensmittel ist eine Zulassung nach vorangegangener Prüfung notwendig. Da bisher noch keine derartige Zulassung als neuartiges Lebensmittel für CBD-Produkte vorliegt, sind diese aktuell nicht verkehrsfähig.

Problematisch sind, neben der Einstufung als neuartiges Lebensmittel, auch die teilweise hohen Gehalte des psychotropen Stoffs Δ9-Tetrahydrocannabinol (THC).

delta-9-Tetrahydrocannabinol, kurz Δ9-THC

Bei Δ9-Tetrahydrocannabinol (nachfolgend nur „THC“) handelt es sich um eine psychotrope Verbindung, die zur Gruppe der Cannabinoide zählt. Je nach Hanfpflanze (Drogen- bzw. Faserhanf) unterscheidet sich das Verhältnis zwischen THC und anderen Cannabinoiden wie beispielsweise Cannabinol (CBN) und Cannabidiol (CBD).

 

Die Cannabinoide werden in der Pflanze durch Drüsenhaare gebildet, die sich an der gesamten Oberfläche außer an den Samen und Wurzeln befinden [4] [5].

Für die Verwendung als Lebensmittel muss sichergestellt werden, dass die Samen nicht durch andere Pflanzenteile mit THC kontaminiert werden. Durch Wasch- oder andere Prozessschritte (z. B. Schälen) kann die Verschleppung einer derartigen Kontamination in das verarbeitete Lebensmittel verhindert werden [6] [7].

Aktuelle Untersuchungsergebnisse aus dem Jahr 2020

Im Jahr 2020 wurden am CVUA Karlsruhe 129 CBD- und Hanfprodukte im Rahmen der amtlichen Lebensmittelüberwachung untersucht.

59 Proben (46 %) wurden aufgrund der enthaltenen Menge an THC als nicht sicher im lebensmittelrechtlichen Sinn beurteilt. Davon wurden 55 Proben als ungeeignet für den menschlichen Verzehr eingestuft (Art. 14 Abs. 1 und 2 b der Basis-Verordnung (VO (EG) Nr. 178/2002) in Verbindung mit Abs. 5 dieser Verordnung). Vier der Proben wurden aufgrund ihres hohen THC-Gehaltes sogar als gesundheitsschädlich bewertet (Art. 14 Abs. 1 und 2 a in Verbindung mit Abs. 4 der Basis-VO).

 

Für die Entscheidung, ob ein Lebensmittel ungeeignet für den Verzehr durch den Menschen ist, wird die akute Referenzdosis (ARfD) von 1 µg THC pro Kilogramm Körpergewicht herangezogen. Ein THC-haltiges Lebensmittel gilt hingegen als gesundheitsschädlich, wenn die niedrigste Dosis mit beobachtetem toxischem Effekt, der LOAEL (lowest observed adversed effect level), überschritten wird. Der LOAEL von THC entspricht einer Dosis von 2,5 mg/Tag [8].

Akute Referenzdosis

Die akute Referenzdosis (ARfD) ist von der WHO definiert als die Substanzmenge, die pro Kilogramm Körpergewicht über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko aufgenommen werden kann. Mit dem prozentualen Ausschöpfungsgrad der ARfD lässt sich ein potenzielles gesundheitliches Risiko beim einmaligen Verzehr während einer Mahlzeit bzw. an einem Tag zahlenmäßig erfassen und vergleichen. Ein Ausschöpfungsgrad der ARfD von mehr als 100 % bedeutet nicht zwangsläufig eine konkrete Gesundheitsgefährdung, sondern zeigt an, dass ein mögliches Risiko mit der geforderten Sicherheit nicht mehr auszuschließen ist. Dennoch sollte ein damit einhergehendes höheres Gefährdungspotential hinsichtlich des vorsorgenden Verbraucherschutzes nicht akzeptiert werden.

Neben der Beanstandung als nicht sicheres Lebensmittel kam es in insgesamt 108 Fällen (84 %) zu einer Beanstandung der Proben aufgrund ihrer Einstufung als neuartige Lebensmittel nach Art. 3 Abs. 2 a) der Novel-Food-Verordnung.

 

In weiteren Fällen wurden Proben aufgrund unzulässiger Verwendung von gesundheits- und nährwertbezogenen Angaben (48 Proben, 37 %) sowie aufgrund fehlender oder mangelhafter Kennzeichnung (42 Proben, 33 %) beanstandet. Allerdings wurde in einigen Fällen auf die nähere Beurteilung der Kennzeichnung verzichtet, wenn die untersuchten Proben bereits aufgrund zu hoher THC-Gehalte oder der Verwendung nicht zugelassener neuartiger Lebensmittel als nicht verkehrsfähig eingestuft wurden.

 

Ein Balkendiagramm zeigt die Anzahl der beanstandeten Proben im Jahr 2020, sortiert nach Beanstandungsgründen. Die Gesamtprobenzahl lag dabei 2020 bei 129. 4 Proben wurden als gesundheitsschädlich, 55 Proben als nicht zum Verzehr geeignet beanstandet. 108 Proben wurden aufgrund von Verstößen gegen die Novel Food-Verordnung, 42 Proben aufgrund ihrer Kennzeichnung und 48 Proben aufgrund von Verstößen gegen die Health Claims Verordnung beanstandet.

Abbildung 2: Übersicht Beanstandungsgründe bei CBD- und hanfhaltigen Produkten (2020)

 

Kein signifikanter Rückgang der THC-Gehalte

In 70 untersuchten CBD-Ölen und anderen CBD-haltigen Nahrungsergänzungsmitteln wurde 2020 ein durchschnittlicher Gehalt an THC von etwa 579 mg/kg ermittelt, während die Gehalte 2019 (46 Proben) durchschnittlich 689 mg/kg betrugen. Im Jahr 2018 (7 Proben) lag der durchschnittliche Gehalt mit 2676 mg/kg deutlich über den Werten der Folgejahre.

 

In allen drei betrachteten Jahren weisen die ermittelten THC-Gehalte große Schwankungen auf. So wurden im Jahr 2020 beispielsweise THC-Gehalte von 2 bis 3200 mg/kg gemessen. Aufgrund der hohen Schwankungen kann daher statistisch kein signifikanter Rückgang der Gehalte belegt werden.

 

Mögliche Maßnahmen zur Reduktion des THC-Gehaltes könnten die von der EU vorgeschriebene Verwendung von zertifizierten Hanfsamen sein. Aber auch eine verbesserte Herstellungspraxis bei der Gewinnung von CBD-Extrakten aus Teilen der Hanfpflanze und stärkere Eigenkontrollen der Hersteller könnten in Zukunft wirkungsvoll sein, um die Gehalte der psychotropen Substanz zu reduzieren und die Gefahr für die Verbraucherinnen und Verbraucher zu minimieren.

 

Rückgang der als gesundheitsschädlich eingestuften Proben

Auch wenn kein statistisch signifikanter Rückgang der absoluten und auf die empfohlene Tagesdosis bezogenen THC-Gehalte festgestellt werden konnte, zeigte sich erfreulicherweise ein Rückgang der Anzahl der Proben, die aufgrund ihres THC-Gehalts als gesundheitsschädlich beurteilt wurden. Im Jahr 2020 wurden 3 % (4 Proben) der CBD- und hanfhaltigen Produkte als gesundheitsschädlich eingestuft, während es im Vorjahr 2019 noch 15 % (10 Proben) waren.

 

Literatur

[1] Lachenmeier, D. W. (2004). Hanfhaltige Lebensmittel - Ein Problem? Deutsche Lebensmittel-Rundschau, 100(12), 481-490.

[2] Europäischer Gerichtshof. 19.11.2020. Urteil in der Rechtssache C-663/18. ECLI:EU:C:2020:938

[3] Europäische Kommission. 3.12.2020. Cannabidiol-Produkte können als Lebensmittel eingestuft werden (https://ec.europa.eu/germany/news/20201203-cannabidiol-produkte_de)

[4] Petri G, Oroszlán P, Fridvalzky L (1988). Histochemical detection of hemp trichomes and their correlation with the THC content. Acta Biol Hung 39, 59-73.

[5] Mahlberg PG, Kim ES (2001). THC (Tetrahydrocannabinol) accumulation in glands of Cannabis (Cannabiaceae). Hemp report 3 (17).

[6] Matthäus B, Brühl L (2008). Virgin hemp seed oil: An interesting niche product. Eur J Lipid Sci Technol 110, 655-661.

[7] Przybylski R (2006). Hemp – revival of a forgotton oilseed crop. Lipid Technol 18, 58-62.

[8] EFSA CONTAM Panel (EFSA Panel on Contaminants in the Food Chain) (2015). Scientific Opinion on the risks for human health related to the presence of tetrahydrocannabinol (THC) in milk and other food of animal origin. EFSA Journal 2015;13(6):4141, 125 pp. doi:10.2903/j.efsa.2015.4141

[9] Lachenmeier, D. W. (2019). Hanfhaltige Lebensmittel – ein Update. Deutsche Lebensmittel-Rundschau, 115(8), 351–372.

 

Rechtsquellen

Verordnung (EU) 2015/2283 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2015 über neuartige Lebensmittel, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 1852/2001 der Kommission (ABl. L 327 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 8 VO (EU) 2019/1381 vom 20.6.2019 (ABl. L 231 S. 1)

 

Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (ABl. L 31 S. 1), zuletzt geändert durch Art. 1 VO (EU) 2019/1381 vom 20.6.2019 (ABl. L 231 S. 1)

 

 

Artikel erstmals erschienen am 12.07.2021