Cold Brew Kaffee – eine mikrobielle Gefahr?
Julia Röhnisch, Hatice Yasemin Seren, Dr. Dirk Lachenmeier, Dr. Daniela Noack (alle CVUA Karlsruhe)
Abb. 1: Cold Brew Kaffee
Cold Brew Kaffee ist ein aufkommender Trend in der Welt des Kaffees. Von Kaffeekonsumenten wird dieser als qualitativ hochwertiges Produkt mit besonderem Aromaprofil angesehen. Das Produkt ist ein Novum auf dem Markt; daher fehlen international anerkannte Standards und Definitionen darüber, was Cold Brew Kaffee ist und unter welchen Bedingungen er hergestellt wird [1]. Typischerweise bezeichnet „Cold Brew“ die mehrstündige Extraktion von gemahlenem Röstkaffee mit Wasser bei niedrigeren Temperaturen als der Körpertemperatur (normalerweise bei 8 °C oder Raumtemperatur; siehe auch unsere Empfehlung zur Herstellung weiter unten) [2]. Die Schwierigkeit bei der Herstellung des Cold Brew Kaffees besteht darin, das Extraktionsverfahren an die variablen Eigenschaften des Kaffees anzupassen. So beeinflusst der Verarbeitungszustand der Kaffeebohnen wie der Röst- und Mahlgrad das Extraktionsverhalten. Auch die Menge an eingesetztem Röstkaffee, die Temperatur und Härte des Wassers sowie die Extraktionsmethode und -dauer haben einen Einfluss auf die Qualität und den Geschmack des Cold Brew Kaffees [2; 3].
Cold Brew FAQ
Ist jeder (eis)kalte Kaffee ein Cold Brew Kaffee?
Nein. Kaffee, welcher mit heißem Wasser extrahiert und danach abgekühlt wurde, ist kein Cold Brew Kaffee. „Cold Brew“ bezieht sich lediglich auf das Extraktionsverfahren bei Temperaturen unterhalb der Körpertemperatur und ist kein Getränk per se [1; 2].
Wird jeder Cold Brew Kaffee kalt serviert?
Nein. Cold Brew Kaffee kann nicht nur kalt, sondern auch warm serviert werden. Ursprünglich wurde Cold Brew Kaffee als Konzentrat hergestellt, das mit heißem Wasser verdünnt und somit als warmes Getränk verzehrt wurde [3].
Was sollte bei der kalten Extraktion beachtet werden?
Bei der mehrstündigen Extraktion des gemahlenen Röstkaffees mit kaltem Wasser kommt es nicht darauf an, alle wasserlöslichen Stoffe des Kaffees zu 100 % zu extrahieren. Vielmehr führt eine etwa 70 %-ige Extraktion zu einem Cold Brew Kaffee mit einem ausgeglichenen Aromaprofil. Um dies zu erreichen, wird eine Extraktionsdauer von zwei bis maximal vier Stunden im Kühlschrank empfohlen [4].
Wie sollte Cold Brew Kaffee schmecken?
Cold Brew Kaffee weicht geschmacklich deutlich vom herkömmlichen heißgebrühten Kaffee ab. So hat Cold Brew Kaffee eine geringere Bitternote und ist süßlicher. Durch das kalte Extraktionsverfahren erhält der Kaffee vor allem fruchtige und florale Aromakomponenten [2; 3].
Hygieneanforderungen an Cold Brew Kaffee
Kaffee ist während der Verarbeitung und Herstellung vielen mikrobiellen Risiken ausgesetzt. Aufgrund der feuchtwarmen und tropischen Klimabedingungen beim Kaffeeanbau ist ein optimales Milieu für das Wachstum von verschiedenen Pilzgattungen gegeben. Durch Fehler bei der Verarbeitung und Lagerung können gegebenenfalls weitere Kontaminationen stattfinden. Hierbei spielen vor allem Enterobakteriazeen eine Rolle [5].
Das Rösten der Kaffeebohnen, die Verwendung von heißem Wasser und der unmittelbare Verzehr im heißen Zustand führen jedoch zu einer vernachlässigbaren mikrobiellen Belastung von heißgebrühtem Kaffee. Im Gegensatz dazu ist Cold Brew Kaffee denjenigen Getränken zuzuordnen, die hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit besondere Hygieneanforderungen benötigen. So findet bei der Herstellung von Cold Brew Kaffee kein Erhitzungsprozess und somit keine Abtötung der Mikroorganismen statt [5].
Cold Brew Kaffee weist ein nur leicht säuerliches Milieu auf (pH-Wert von 4,9 – 6,0), wodurch das mikrobielle Wachstum nicht gehemmt wird. Folglich können sich Hefen, Schimmelpilze sowie milchsäure- und essigsäurebildende Bakterien während des mehrstündigen Extraktionsverfahrens und der anschließenden Lagerung vermehren. Neben den genannten Verderbniserregern sind laut Literaturangaben auch pathogene Keime wie Salmonellen oder Listerien zu berücksichtigen. Um eine mikrobiologische Belastung des Cold Brew Kaffees zu verhindern, sind mögliche Kontaminationsquellen zu identifizieren. So können die verwendeten Geräte, Behältnisse und Zutaten sowie das Personal zu einer mikrobiellen Verunreinigung beitragen und somit die Lebensmittelsicherheit beeinträchtigen. Demnach muss Cold Brew Kaffee eine besondere Berücksichtigung im HACCP (Hazard Analysis Critical Control Point)-Konzept des Herstellers erfahren und bei Auffälligkeiten wird eine Stufenkontrolle empfohlen [2; 5].
Ergebnisse
Insgesamt wurden 23 verschiedene Cold Brew Kaffee-Proben aus Coffee Shops während der Sommermonate 2020 erhoben. Darunter waren auch solche, mit angeschlossenem Röstereibetrieb. Diese Proben wurden auf ein weites Spektrum von Mikroorganismen untersucht. Darunter waren Verderbniserreger wie aerobe Milchsäurebakterien, Hefen und Schimmelpilze, Hygieneindikatoren wie Enterobacteriaceae, Pseudonomas spp. und koagulasepositive Staphylokokken, potentiell pathogene Keime wie präsumtive Bacillus cereus und pathogene Listeria monocytogenes sowie Salmonella spp.
Zwei der 23 untersuchten Proben (9 %) zeigten Auffälligkeiten bezüglich der mikrobiellen Belastung. Dabei wies eine der Proben eine deutlich erhöhte Keimzahl an potentiellen Verderbniserregern (Milchsäurebakterien (siehe Abb. 1), Hefen) auf und wurde auch vom Geschmacksprofil als grenzwertig säuerlich eingestuft. Bei einer weiteren Probe wurden präsumtive Bacillus cereus-Keime (siehe Abb. 1) in geringer Menge nachgewiesen. Dabei handelt es sich um Bakterien, die teilweise in der Lage sind, Toxine zu bilden, die Erbrechen oder Durchfall auslösen können. Bei dieser Probe handelte es sich um einen Cold Brew Kaffee, der nach der Herstellung bereits fünf Tage gelagert worden war.
Abb. 2: Typische Milchsäurebildnerkolonien auf selektivem Agar (Spiralplatte).
Abb. 3: Einzelne Bacillus cereus – Kolonien auf selektivem Agar mit typischer Hofbildung
Fazit
Erfreulicherweise wies nur ein geringer Anteil der untersuchten Proben eine mikrobielle Belastung auf. Das Untersuchungsprojekt des CVUA Karlsruhe hat jedoch gezeigt, dass die Einhaltung der erforderlichen Hygienemaßnahmen für die Herstellung von Cold Brew Kaffee besonders wichtig ist und in Zukunft weiterhin überwacht werden sollte. Das Risiko einer mikrobiellen Belastung von Cold Brew Kaffee ist mit dem von alkoholfreien Getränken zu vergleichen. Zur Ermittlung einer möglichen Kontaminationsquelle eignet sich eine Stufenkontrolle, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Zutaten und den Extraktionsprozess sowie auf die Lagerungsbedingungen des Endprodukts gerichtet werden sollte.
Generell ist sowohl für Verbraucher zu Hause als auch für handwerklich herstellende Coffee-Shops zu empfehlen, dass der Cold Brew Kaffee frisch hergestellt und am selben Tag aufgebraucht wird. Eine lange Lagerung (mehrere Tage bis Wochen) des Cold Brew Kaffee führt zu einem erhöhten Risiko einer mikrobiellen Belastung und beeinträchtigt zudem den Geschmack (auch durch chemische Prozesse wie Oxidation). In diesem Zusammenhang sollte der Cold Brew Kaffee mit Filterkaffe verglichen werden: Der Filterkaffee würde nie so lange aufbewahrt, sondern bereits nach einigen Stunden aufgrund seiner geschmacklichen Veränderung entsorgt werden [2]. Auch ein Cold Brew Kaffee sollte spätestens am Ende des Arbeitstages entsorgt werden, sofern die mikrobielle Sicherheit sowie die Produktqualität nicht anderweitig sichergestellt werden (z. B. Pasteurisation, Sterilabfüllung etc.).
Empfehlungen zur Selbstherstellung von Cold Brew Kaffee
Cold Brew Kaffee gelingt am besten, wenn 80 Gramm gemahlener Röstkaffee mit einem Liter Wasser (15 °C) in ein Behältnis gegeben und anschließend im Kühlschrank gelagert wird. Nach einer Stunde sollte der Kaffee umgerührt und für eine weitere Stunde kühl gestellt werden. Nach dem Filtrieren mit einem geeigneten Kaffeefilter ist der Cold Brew Kaffee direkt zu servieren und aufzubrauchen [2].
Literatur
[1] Schwarz, S., Lachenmeier, D. W., Claassen, L. (2020): Defining Cold Brew Cof-fee Through Extraction. In: Tea & Coffee Trade Journal, 192(8), 31–32 (http://doi.org/10.5281/zenodo.4032880).
[2] Kwok, R.; Lee Wee Ting, K.; Schwarz, S.; Claassen, L.; Lachenmeier, D.W. (2020): Current Challenges of Cold Brew Coffee – Roasting, Extraction, Flavor Pro-file, Contamination, and Food Safety. In: Challenges, 2020, 11, 26 (https://doi.org/10.3390/challe11020026)
[3] NCA (2019): Cold brew coffee toolkit for industry; National Coffee Association of U.S.A., Inc.: New York, NY, USA, 2019 (https://www.ncausa.org/Portals/56/PDFs/Cold%20Brew/2018_NCAColdBrewToolkit.pdf).
[4] Schwarz, S. (2020): Cold Brew: 2 Stunden reichen! In: Food Service, 26.06.2020 (https://www.food-service.de/management/menschen/kolumne-dr.-steffen-schwarz-cold-brew-2-stunden-reichen-45542).
[5] Lopez, J. Cold brew coffee regulations and policies. Assoc. Food Drug Off. J. 2021, 81, in press. https://www.ifpti.org/s/Lopez_AFDO-Journal-Article_FINAL_June2020.pdf
Bildnachweis
Alle CVUA Karlsruhe