Welche Menge an Backwaren mit Mohn darf man pro Tag eigentlich essen?

Sind mohnhaltige Lebensmittel für Kinder empfehlenswert?

Constanze Sproll und Manuela Mahler, CVUA Karlsruhe

 

29 Proben mohnhaltiger Backwaren wurden am CVUA Karlsruhe 2014/2015 auf ihren Morphin-Gehalt untersucht. Aus den Ergebnissen wurde jeweils die Menge berechnet, die man essen müsste, um den ARfD-Wert für Morphin von 10 µg/kg Körpergewicht zu erreichen.

 

Die Untersuchung ergab, dass es für eine erwachsene Person nahezu unmöglich ist, den ARfD-Wert durch den Genuss von Mohn-Brötchen oder süßen Backwaren mit Mohn zu überschreiten. Kleinkindern sollte jedoch vorsichtshalber kein unbegrenzter Zugriff auf Feine Backwaren mit Mohn, wie Mohnstriezel, Mohnschnitten und Mohnkuchen gewährt werden.

 

Infokasten

Was ist ein ARfD?

Die akute Referenzdosis (ARfD) ist von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert als diejenige Substanzmenge, die pro Kilogramm Körpergewicht über die Nahrung mit einer Mahlzeit oder innerhalb eines Tages ohne erkennbares Risiko aufgenommen werden kann. Sie wird nur für solche Stoffe festgelegt, die aufgrund ihrer akuten Toxizität schon bei einmaliger oder kurzzeitiger Exposition gesundheitliche Schädigungen hervorrufen können. In der Regel wird der ARfD-Wert aus der niedrigsten in Tierversuchen experimentell ermittelten Dosis ohne erkennbare schädliche Wirkung (NOAEL = No Observed Adverse Effect Level) unter Einrechnung eines sinnvollen Sicherheitsfaktors (in der Regel ein Faktor 100) abgeleitet.

 

Mit dem prozentualen Ausschöpfungsgrad der akuten Referenzdosis lässt sich ein potenzielles gesundheitliches Risiko beim einmaligen Verzehr einer hohen Menge eines bestimmten Lebensmittels während einer Mahlzeit bzw. an einem Tag zahlenmäßig erfassen und vergleichen. Ein Ausschöpfungsgrad der ARfD von mehr als 100 Prozent bedeutet aufgrund des Sicherheitsfaktors keine konkrete Gesundheitsgefährdung, sondern er zeigt an, dass ein mögliches Risiko mit der geforderten Sicherheit nicht mehr auszuschließen ist.

 

Für Morphin wurde von der EFSA (Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit) bereits 2011 ein ARfD-Wert von 10 µg/kg Körpergewicht veröffentlicht. Ein 60 Kilogramm schwerer Erwachsener muss somit eine Dosis von 600 µg Morphin aufnehmen, um den ARfD-Wert zu erreichen; ein 15 Kilogramm schweres Kleinkind hingegen nur 150 µg.

 

Morphingehalt von Feinen Backwaren und Mohnbrötchen – die aktuelle Situation

Für den Gehalt von Morphin in Mohn stehen sehr viele Daten zur Verfügung. Für den Gehalt in Backwaren ist die Datenlage eher dürftig (EFSA 2011). Hienzu kommt, dass die Verarbeitung des Mohns und der Backvorgang einen entscheidenden Einfluss auf den Morphingehalt der fertigen Backware hat.

 

Die Morphin-Gehalte aller am CVUA Karlsruhe untersuchten Proben lagen im moderaten Bereich. Spitzenreiter waren meist die „Feinen Backwaren“ mit Mohn wie Mohnstreifen und Mohnstriezel. In Mohn-Brötchen wurden deutlich niedrigere Gehalte festgestellt. Dies liegt in erster Linie am deutlich geringeren Mohnanteil von Mohnbrötchen, ca. 1 bis 7 Prozent Mohn bei den untersuchten Proben. Der festgestellte Höchstgehalt bei den „Feinen Backwaren“ mit Mohn betrug 410 µg Morphin/kg. Bei den Mohnbrötchen wurden immerhin trotz geringeren Mohnanteils bis zu 200 µg Morphin/kg Brötchen ermittelt.

 

 

Welche Menge mohnhaltiger Lebensmittel darf man nun eigentlich essen?

Worst-case-Szenarios für die Lebensmittel-Matrix „Brötchen“

Zur Beleuchtung des worst-case-Szenarios, also der Situation im schlechtesten Fall, wurde für das Lebensmittel „Brötchen“ der hier maximal festgestellte Morphin-Gehalt von 200 µg/kg zugrunde gelegt. Das Gewicht dieses Brötchens betrug 85 Gramm, so dass beim Verzehr rechnerisch 17 µg aufgenommen werden. Dies schöpft den ARfD für eine 60 kg schwere erwachsene Person (10 µg x 60 = 600 µg) zu 2,8  Prozent aus. Es müssten also 35 Brötchen verzehrt werden, um den ARfD-Wert zu erreichen. Dies ist überaus unwahrscheinlich.

Aufgrund des geringeren Körpergewichts liegt die Verzehrs-Menge zum Erreichen des ARfD für Kleinkinder viel niedriger. Aber auch ein 15  Kilogramm schweres Kind müsste mehr als 9 Brötchen essen, um den ARfD-Wert zu überschreiten.

 

Worst-case-Szenario für die Lebensmittel-Matrix „Feine Backware mit Mohn“

Wenn man die ermittelten Untersuchungsergebnisse zugrunde legt, ist es für einen Erwachsenen nahezu unmöglich den ARfD-Wert auszuschöpfen. Ein Erwachsener mit 60 kg Körpergewicht müsste 10 Stück à 150 Gramm der „Feinen Backware“ mit dem höchsten festgestellten Morphingehalt (Mohnstriezel) verzehren.

Für ein Kind mit 15 Kilogramm Körpergewicht reichen beim Mohnstriezel dagegen schon 3 Stücke. Zugrunde gelegt wurde auch hier ein Gewicht von 150 g pro Stück Kuchen. Je nach Gewicht des jeweiligen Kuchenstücks kann die Anzahl der Kuchenstücke, die zur Ausschöpfung des ARfD notwendig ist, selbstverständlich stark variieren.

 

Ein Ausschöpfungsgrad der ARfD von mehr als 100 Prozent bedeutet, wie oben beschrieben, keine konkrete Gesundheitsgefährdung. Grundsätzlich ist es jedoch nicht zu empfehlen, Kleinkindern unbegrenzte Mengen mohnhaltiger Lebensmittel zur Verfügung zu stellen.

Der Verzehr von süßem Kuchen sollte bei Kleinkindern im Rahmen einer gesunden Ernährung ohnehin nur in sehr begrenzter Menge erfolgen.

 

 

Literatur:

 

EFSA (2011): Scientific Opinion on the risk for public health related to the presence of opium alkaloidsin poppy seed / EFSA Journal 9(11):2405

(Deutschsprachige Kurzfassung in der Webnachricht vom 8 November 2011)

 

Perz RC, Sproll C, Lachenmeier DW, Buschmann R (2007): Opiate in Speisemohn - ein Problem der Globalisierung des Handels / Deut. Lebensm.-Rundsch. 103:193-197.

 

Sproll C, Perz RC, Lachenmeier DW (2006): Optimized LC/MS/MS Analysis of Morphin and Codein in Poppy Seed and Evaluation of Their Fate during Food Processing as a Basis for Risk Analysis / J Agric Food Chem 54:5292-5298.

 

Sproll C, Perz R C, Buschmann R, Lachenmeier DW (2007): Guidelines for reduction of morphin in poppy seed intended for food purposes / Eur Food Res Technol 226:307-310.

 

Frühere Artikel:

Morphin in Mohn

Opiate in Mohnsaat – Heute noch ein Problem?

 

 

Artikel erstmals erschienen am 23.11.2015