Aus der Laborpraxis: Wie hoch ist der Eiweißgehalt von Bier?

Susanne Geisen, Dr. Dirk W. Lachenmeier, CVUA Karlsruhe

 

Protein (Eiweiß) beeinflusst maßgeblich den gesamten Brauprozess und ist von großer Bedeutung für Geschmack, sowie die Trübungs- und Schaumstabilität von Bier. In diesem Beitrag wird die Bestimmung und Interpretation des Proteingehalts von Bier beleuchtet.

Deutschland ist bekannt als Land des Bieres. Das deutsche Reinheitsgebot aus dem Jahre 1516 stellt eine der ältesten heute noch gültigen lebensmittelrechtlichen Regelungen dar. Im EU-weiten Vergleich wird in Deutschland mit am meisten Bier produziert und konsumiert [1]. Auch wenn der Bierkonsum der Deutschen in den letzten Jahren rückläufig ist, liegt der durchschnittliche Bierverbrauch je Einwohner aus den Jahren 2004-2013 immer noch bei etwa 111 L/Jahr [2]. Lediglich Kaffee [Ø 153 L/Jahr], Wasser [Ø 140 L/Jahr] und Erfrischungsgetränke [Ø 119 L/Jahr] wurden häufiger konsumiert. Damit ist Bier, zumindest bezogen auf das absolute Volumen, das am meist getrunkene alkoholische Getränk. Doch auch das Marktangebot an alkoholfreien Bieren wird zunehmend größer. Ungeachtet der allgemeinen Beliebtheit von Bier ist nur wenig über dessen Nährwerte bekannt, abgesehen vom Alkoholgehalt, für den seit langer Zeit bereits eine Deklarationspflicht besteht.

 

Für alkoholfreie Biere wird die Kennzeichnung zusätzlicher Nährwerte, wie Brennwert, Gehalt an Fett, Kohlenhydrate, Eiweiß und Salz, ab 16. Dezember 2016 verpflichtend. Diese verpflichtende Nährwertdeklaration für Fertigpackungen fordert die neue EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) [3]. Begründet wird die verpflichtende Nährwertdeklaration mit dem Interesse der allgemeinen Öffentlichkeit an dem Zusammenhang zwischen Ernährung und Gesundheit. Hierbei stellt die Nährwertkennzeichnung eine wichtige Methode dar, um Verbraucher über die Zusammensetzung von Lebensmitteln zu informieren und ihnen zu helfen, eine fundierte Wahl zu treffen (Erwägungsgrund 10 LMIV). Auf den Etiketten zahlreicher alkoholfreier Biere ist bereits eine Nährwertkennzeichnung deklariert. Diese Nährwertangaben werden am CVUA Karlsruhe auf ihre Richtigkeit überprüft. Dafür werden geeignete Methoden zur analytischen Bestimmung der Nährwerte benötigt. Alkoholhaltige Getränke hingegen sind derzeit allerdings von der verpflichtenden Nährwertdeklaration noch ausgenommen.

 

Das Ausgangsmaterial zur Bierherstellung ist Getreide, wie Gerste oder Weizen, das zu mehr als 50 % aus Stärke besteht [4]. Der Eiweißgehalt der Gerste beträgt durchschnittlich 10 %. In Verbindung mit anderen Stoffen beeinflussen Proteine maßgeblich den gesamten Brauprozess und sind von großer Bedeutung für Geschmack, sowie Trübungs- und Schaumstabilität. Kenntnis über den Eiweißgehalt von Bier ist daher nicht nur unter ernährungsphysiologischen Aspekten von großem Interesse.

 

Aufgrund dessen wurden am CVUA Karlsruhe alkoholfreie Biere auf ihren Eiweißgehalt untersucht. Hierbei wurde die Eiweißbestimmung nach Kjeldahl angewandt, da sich diese Methode bereits bei anderen Matrices bewährt hat und auch in der LMIV zur Definition des Eiweißgehaltes vorgeschrieben ist [3]. In Tabelle 1 werden die analytisch ermittelten Eiweißgehalte den Gehaltsangaben auf dem Etikett gegenüberstellt.

 

Die Eiweißgehalte der alkoholfreien Biere schwanken zwischen 0,33 g/100 g und 0,65 g/100 g. Es liegen allgemein niedrige Eiweißgehalte in alkoholfreien Bier vor. Unabhängig von der Biermatrix stimmen die analytisch ermittelten Eiweißgehalte gut mit den deklarierten Gehalten überein. Die größte Abweichung der Gehalte ergibt sich für das Biermischgetränk.

 

 

 

 

 

Rechtlicher Hintergrund zur Angabe des Eiweißgehaltes

Seit dem 13.Dezember 2014 ist die Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) VO (EU) 1169/2011 mit neuen Anforderungen bezüglich der Kennzeichnung von Lebensmitteln in Kraft [3]. Eine Änderung betrifft die Kennzeichnung von Nährwerten auf vorverpackten Lebensmitteln mit einem Alkoholgehalt von weniger als 1,2% vol, welche ab 13. Dezember 2016 verpflichtend wird. Eine gegenwärtig freiwillig bereit gestellte Nährwertdeklaration muss den Vorgaben der LMIV entsprechen. Derzeit ist eine Nährwertdeklaration nur dann verpflichtend, wenn mit gesundheits- oder nährwertbezogenen Angaben geworben wird. Dies ist bei alkoholfreien Bieren mit einer Auslobung von Mineralstoffen und/oder Vitaminen zutreffend.

 

Zur Kontrolle der Einhaltung der LMIV hinsichtlich der Nährwertangaben wurde von der EU-Kommission ein Leitfaden in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegebene Nährwerte entwickelt [5]. Bei einer Eiweißangabe < 10 g/100 g ist eine Toleranz von ± 2 g/100 g zulässig, wobei die Messunsicherheit bereits berücksichtigt wurde. Die Angabe des Eiweißgehaltes auf dem Etikett kann folglich, unter Berücksichtigung der Rundungsleitlinien, von dem analytisch nachweisbaren Eiweißgehalt um ± 2 g/100 g abweichen. Bei Überschreitung der zulässigen Toleranz entspricht die Eiweißangabe nicht den rechtlichen Vorschriften und Verbraucher können gegebenenfalls getäuscht werden.

 

Der Eiweißgehalt der untersuchten Proben wird auf dem Etikett in Form einer Nährwerttabelle angegeben. Die Nährwerttabelle beinhaltet neben dem Eiweißgehalt auch Angaben zum Brennwert, Fett, Kohlenhydrat- und Salzgehalt. Werden bestimmte Mineralstoff- oder Vitamingehalte ausgelobt, so sind deren signifikante Mengen ebenfalls im Zuge der Nährwertdeklaration aufzuführen.

 

Die auf dem Etikett der Proben angegebenen Eiweißgehalte weichen nur geringfügig von den am CVUA Karlsruhe nach Kjeldahl ermittelten Eiweißgehalten ab. Die deklarierten Eiweißgehalte wurden unter Berücksichtigung der Toleranz nach dem EU-Guidance-Dokument in allen Fällen bestätigt. Eine Beanstandung bezüglich des Untersuchungsziels „Eiweiß“ in Bier musste somit bislang nicht ausgesprochen werden.

 

 

Bestimmung des Rohproteingehalts nach Kjeldahl

Die Proteinbestimmung nach Kjeldahl stellt eine präzise aber unspezifische Methode zur Bestimmung des Eiweißgehaltes dar. Analytisch bestimmt wird der Stickstoffgehalt der Probe, welcher nachfolgend, aufgrund des natürlichen Vorkommens von Stickstoff in Aminosäuren, auf den Proteingehalt umgerechnet werden kann.

 

Die Bestimmung untergliedert sich in die drei Schritte. Zunächst muss der in der Probe gebundene Stickstoff für eine quantitative analytische Bestimmung zugänglich gemacht werden. Dazu wird die Probe mit konzentrierter Schwefelsäure aufgeschlossen, so dass das Kohlenstoffgerüst zu CO2 oxidiert und der gebundene Stickstoff in eine analytisch erfassbare Form überführt wird. Die bei der Oxidation frei werdenden Gase (CO2, H2S) können gegebenenfalls ein starkes Schäumen verursachen. Zusätzlich wird beim Erhitzen des Bieres die enthaltende Kohlensäure schneller freigesetzt. Folglich ist beim Aufschluss des Bieres mit konzentrierter Schwefelsäure eine schonende Erhitzung unter Aufsicht erforderlich, um ein Überschäumen der Probe zu verhindern. Erst nach einem vollständigen Aufschluss der Probe kann der Stickstoffgehalt quantitativ über zwei weitere Schritte erfasst werden. Die allgemein geringen Eiweißgehalte in Bier haben zur Folge, dass bei den vorliegenden Proben verhältnismäßig geringe Mengen an Stickstoff erfasst werden müssen. Aufgrund dessen führen bereits kleinere Fehler in der Durchführung zu unerwünscht großen Abweichungen der Analysenergebnisse.

 

Der analytisch ermittelte Stickstoffgehalt wird abschließend noch in den Rohproteingehalt umgerechnet. Hierbei muss die Aminosäurezusammensetzung des zu untersuchenden Lebensmittels bekannt sein, da der Stickstoffanteil im Eiweiß eines Lebensmittels von dieser Zusammensetzung abhängt. Laut LMIV wird durch Multiplikation mit dem Faktor 6,25 vom Gesamtstickstoffanteil auf den Eiweißgehalt umgerechnet (unter der Annahme, dass der Stickstoffanteil in Eiweiß 16% beträgt).

 

 

Zum Ursprung von Eiweiß in Bier

Der Eiweißgehalt von Bier wird maßgeblich beeinflusst vom Eiweißgehalt der eingesetzten Rohstoffe, deren Gehalt an eiweißabbauenden Enzymen und dem Herstellungsprozess [4]. Als Eiweißliefernde Rohstoffe in der Bierherstellung sind Getreide, wie Gerste oder Weizen, Hopfen und Hefe zu nennen. Zu Beginn der Bierherstellung, während dem Mälzen und Maischen, werden die Nährstoffe des Getreides durch getreideeigene Enzyme abgebaut und somit in eine (wasser-) lösliche Form überführt. Der Anteil an gelösten Stoffen wie Stärke und Proteine ist hierbei abhängig vom Enzymgehalt des Malzes. Die löslichen und lösbaren Stoffe werden mit Wasser entzogen und in flüssige Form, die sogenannte Würze, überführt. Dieser Würze wird unter Erhitzung Hopfen zugeführt, dessen Bitterstoffe insbesondere eine für Pils typisch bittere Note in das Bieraroma einbringen. Des Weiteren wirkt sich die Art des zugeführten Hopfens auch auf die Zusammensetzung der Würze aus, insbesondere auf den Proteingehalt. So erhöht die Hopfenzugabe den Anteil an niedermolekularen Eiweißverbindungen in der Würze; die Bitterstoffe des Hopfens besitzen jedoch eine verstärkende Wirkung auf die (hitzebedingte) Eiweißfällung höhermolekularer Verbindungen. Beim Kochen der Würze koagulieren hochmolekulare Eiweißverbindungen (Molekulargewicht 60.000) und führen zum sogenannten Bruch. Hierbei sorgen die ausgeflockten Substanzen für die Klärung des Bieres. Nach dem Hopfen und Kochen der Würze liegt trotz dem hopfenbedingten Eintrag von Eiweißverbindungen ein niedrigerer Stickstoffgehalt in der Würze vor. Das Ausscheiden von trübungsaktiven Eiweißverbindungen gemeinsam mit weiteren Bestandteilen beeinflusst den folgenden Gärungsverlauf und ist von großer Bedeutung für die Zusammensetzung des Bieres und damit für Geschmack, Vollmundigkeit und Stabilität. Das Verbleiben eines gewissen Anteils an nieder- und hochmolekularen Eiweißverbindungen in der Würze ist jedoch notwendig für die Geschmacksbildung während der Gärung und die Schaumstabilität.

 

Ziel des Malz- und Maischprozesses ist eine für den jeweiligen Biertyp spezifische definierte Zusammensetzung der Würze. Die Charakterisierung von Biergattungen richtet sich gemäß § 3 BierV [6] nach dem Stammwürzegehalt, wobei es sich gemäß § 8 VorlBierG-DV [7] um den Gehalt der unvergorenen Anstellwürze handelt. Hierbei muss bei alkoholfreien Bieren berücksichtigt werden, dass der Stammwürzegehalt nachträglich verringert wird und somit die Typisierung des Bieres nicht mehr mit Standardverfahren überprüft werden kann.

 

 

Bierherstellung mittels offener Gärung

 

Die gekochte und gehopfte Würze dient der Hefe als Nahrung. So wird während der Gärung die abgebaute Stärke zu Alkohol umgesetzt. Die für den Stoffwechsel der Hefen notwendigen stickstoffhaltigen Substanzen stammen aus dem Abbau der Proteine. Eine ausreichende Menge an freiem Aminostickstoff ist von großer Bedeutung für den Ablauf der Gärung und damit auch für die Bildung eines normalen Spektrums an Gärungsnebenprodukten. Eine mangelhafte Versorgung der Hefen mit Stickstoff führt zu einer schleppenden Gärung mit unerwünschten Gärungsnebenprodukten. Dies wirkt sich nachteilig auf den Geschmack des Bieres aus. Am Ende der Bierherstellung sollten noch ausreichend schaumbildende Proteinverbindungen vorliegen.

Zusammenfassend wird die Proteinzusammensetzung in den einzelnen Brauprozessschritten vom Rohstoff bis hin zum fertigen Bier fortlaufendend verändert. Die enthaltenen Proteinfraktionen sind hierbei vom verwendeten Rohstoff und Gehalt und Art an eiweißabbauenden Enzymen abhängig, sodass während des Herstellungsprozesses nur noch bedingt Einfluss auf die Proteinzusammensetzung genommen werden kann. Dabei haben Proteine in Verbindung mit anderen Stoffen wesentlich Einfluss auf den Brauprozess. So sind sie maßgeblich an der Trübungsstabilität beteiligt und tragen zur Vollmundigkeit und einem abgerundeten Geschmack bei. Auch für die Bildung und Stabilität des Bierschaumes sind Proteinverbindungen verantwortlich [4].

 

Quellen

[1]   Brauer-Bund (The Brewers of Europe), Bier Statistics 2014 Edition: http://www.brauer-bund.de/download/Archiv/PDF/statistiken/141105%20BoE%20Beer%20Statistics%202014.pdf

[2]   Brauer-Bund, Getränkeverbrauch 2004-2013: http://www.brauer-bund.de/download/Archiv/PDF/statistiken/140602_Getr%C3%A4nkeverbrauch2004-2013bunt.pdf

[3]   VO (EU) 1169/2011 – Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV) des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (ABl. L 50 S. 48), zuletzt geändert am 22.11. 2013

[4]   Narziss L., Back W., „Die Bierbrauerei Band I und II“, 8. überarbeitete und ergänzte Auflage, Wiley VCh Verlag GmbH & Co. KGaA, 2012

[5]   EU-Guidance-Dokument der Kommission in Bezug auf die Festlegung von Toleranzen für auf dem Etikett angegeben Nährwerte, Dezember 2012

[6]   BierV - Bierverordnung vom 2. Juli 1990 (BGBl. I S. 1332), zuletzt geändert am 8.5.2008

[7]   VorlBierG-DV – Verordnung zur Durchführung des Vorläufigen Biergesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 29.Juli 1993 (BGBl. I S. 1422, zuletzt geändert am 8.12.2000

 

 

 

 

 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 03.11.2015