Augen auf bei Online-Kauf!

J. Hengen, D. Lachenmeier, S. Maixner, G. Marx, M. Kohl-Himmelseher, E. Kratz

 

Eine Zusammenstellung von Erfahrungen aus 7 Jahren Internetüberwachung von Produkten, die dem LFGB unterliegen.

 

Der Onlinehandel (mit Lebensmitteln) boomt unvermindert. Derzeit finden sich in der Kategorie Lebensmittel und Getränke auf dem Portal Amazon.de knapp 300.000 Angebote [2]und über 320.000 Angebote im Bereich kosmetischer Mittel [3].
Nach neueren Studien kaufen zwar immer mehr Deutsche im Internet Lebensmittel ein [4], der Onlinehandel mit Lebensmitteln hat derzeit allerdings einen Marktanteil von lediglich ca. 0,3%. Nach Daten des Bundesverbandes dt. Versandhändler wurden im Jahre 2013 im Onlinehandel mit Lebensmitteln 753 Millionen Euro umgesetzt. Kosmetische Mittel brachten sogar 1083 Mio. € in 2013 ein [1].
Bei Testkäufen von Steinobstbränden, die auf die Kontaminante Ethylcarbamat untersucht wurden, waren 60% der 43 erhaltenen Proben zu beanstanden. 17 der insgesamt 43 Proben (ca. 40%) wiesen Kennzeichnungsmängel auf. 5 der 43 Proben (entsprechend 12%) wiesen sensorische Abweichungen in Geruch und Geschmack auf, die analytisch bestätigt werden konnten.
In 8 der 43 Proben (19%) wurde die Kontamination mit Ethylcarbamat mit Spitzenwerten von 3,9 mg/l (+/- 0,07 mg/l) nachgewiesen. Diese Quote von auffälligen Produkten aus dem Internethandel ist in der gleichen Größenordnung wie die Beanstandungsquote von risikoorientiert aus dem Präsenzhandel entnommen Proben.
Ein Wert von 1 mg/l in der trinkfertigen Spirituose kann durch Einhalten der Empfehlungen der EU-Kommission zur Prävention und Reduzierung von Ethylcarbamat in Steinobstbränden unterschritten werden (2010/133/EU).
Ähnliche Erfahrungen wurden auch bei Testkäufen von kosmetischen Mitteln gemacht:
Von 33 Anfang 2013 durch Testkauf beschafften Produkten mit Granatapfelbestandteilen (vorrangig Granatapfelsamenöl) als wertgebende Inhaltsstoffe waren 71% nicht zu beanstanden. In 3 Produkten konnte eine für Granatapfelsamenöl typische Fettsäure trotz Auslobung nicht nachgewiesen werden, diese Produkte wurden als irreführend beanstandet.
Bei ebenfalls 2013 durchgeführten Untersuchungen von Tattoo-Farben von dt. Onlinehändlern auf Schwermetalle (n= 20) und von Anti-Aging Cremes (n=2) auf überhöhte Zusätze von Vitamin A waren alle Proben hinsichtlich des Untersuchungsziels nicht zu beanstanden.
Nach unseren bisherigen Erfahrungen scheint das Risiko von Produkten, die sowohl online als auch im Präsenzhandel erworben werden können, über beide Kanäle vergleichbar zu sein. Bei Borderlineprodukten, die im Grenzbereich zwischen Lebensmittel, Arzneimittel und kosmetischem Mittel anzusiedeln sind und die größtenteils nur über den Internethandel vertrieben werden, muss allerdings genauer hingeschaut werden:
So wurden 2012 Nahrungsergänzungsmittel, die als Schlankheitsmittel aufgemacht waren, auf nicht deklarierte Arzneistoffe untersucht. Dazu wurden 16 Schlankheitsmittel bei Onlinehändlern in Baden-Württemberg erhoben und 15 Schlankheitsmittel (davon 8, die bei den baden-württembergischen Onlinehändlern vor Ort nicht erhoben werden konnten) per Testkauf im Internet bestellt.
Die Proben, die durch amtliche Probenahme vor Ort erhoben werden konnten, waren bezüglich nicht deklarierter pharmakologisch wirksamer Zusatzstoffe (Arzneistoffe) nicht zu beanstanden. Eine Probe, die als Testkauf beschafft wurde, enthielt jedoch Sibutramin, ein wegen starker Nebenwirkungen nicht mehr zugelassenes Anorexikum (Appetitzügler). Weitere Testkäufe wurden wegen der enthaltenen Sennesdrogen mit stark abführender Wirkung als Arzneimittel eingestuft.
Auch eine Pilotstudie mit durch Spam-E-Mails beworbenen Lifestyle-Produkten zeigte, dass sich erhöhte Aufmerksamkeit im Borderlinebereich lohnt. Die Shops, für die in Spam-E-Mails Werbung gemacht wurde, gaben sich auf den ersten Blick den Anschein von Apotheken und hatten sich mit (gefälschten oder dubiosen) Gütesiegeln geschmückt. Die durch Testkauf erworbenen Produkte (als rein pflanzlich beworben) enthielten in zwei von drei Fällen den synthetischen Arzneistoff Sibutramin, der wie oben erwähnt seine Zulassung verloren hat. Auffällig waren auch die Zahlungswege, denn das Geld wurde an eine belgische Bank überwiesen, die Ware kam jedoch aus England.
Fazit: Im Internet wird eine breite Palette von Lebensmitteln und kosmetischen Mitteln angeboten. Bei als besonders „wirksam“ beworbenen Produkten ist erhöhte Aufmerksamkeit geboten.
Testkäufe für das „Ethylcarbamatprojekt“ und die Kosmetikprojekte wurden von der Stabsstelle Ernährungssicherheit am RP Tübingen durchgeführt.
 

 

 

Artikel erstmals erschienen am 10.06.2014