Elektronenmikroskopische Erregerdiagnostik - Einblicke in die Welt der Mikroorganismen

Das Transmissionselektronenmikroskop des CVUA Stuttgart.Die Idee
Die elektronenmikroskopische Betrachtung einer Probe stellt bis zum heutigen Tage oft die einzige Möglichkeit dar, neue und bis zu diesem Zeitpunkt unbekannte Erreger zu erkennen und anhand charakteristischer Strukturen näher zu klassifizieren.
Daran kann auch die Tatsache nichts ändern, dass vor allem molekularbiologische Verfahren in der veterinärmedizinischen Erregerdiagnostik einen immer größeren Stellenwert einnehmen und aus dem Laboralltag heute nicht mehr wegzudenken sind. Dennoch sind diese modernen Methoden nicht immer geeignet, konventionelle Methoden und deren Vorteile zu ersetzen.
Einer der Gründe, warum man deshalb am CVUA Stuttgart schon seit langer Zeit über die Etablierung der elektronenmikroskopischen Erregerdiagnostik nachdachte, ist der "offene Blick" für eine Probe, der durch diese Methode ermöglicht wird.
Während viele Untersuchungsmethoden sehr spezifisch auf einen Erreger gerichtet sind, können mit dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) alle in einer Probe enthaltenen Mikroorganismen, vorausgesetzt sie sind in genügend hoher Anzahl vorhanden, morphologisch beurteilt werden.
Im Jahre 2001, als in den USA Anthraxbriefe verschickt wurden und auch in Deutschland immer wieder verdächtige Briefe in kürzerster Zeit untersucht werden mussten, zeigten sich einmal mehr die großen Vorteile der Transmissionselektronenmikroskopie bei der Erregerschnelldiagnostik.
Dies war am CVUA Stuttgart der Zeitpunkt, die notwendigen Informationen für die Auswahl eines geeigneten TEMs zu beschaffen und alle Vorbereitungen für die Etablierung solch eines Geräts in Angriff zu nehmen.

 

Die Umsetzung
Im Frühjahr 2005 war es schließlich soweit: Nach gründlicher Begutachtung von Elektronenmikroskopen verschiedenster Firmen wurde am CVUA Stuttgart ein TEM, welches den Anforderungen unseres Hauses am besten entsprach, installiert und mit der Etablierung der Methode begonnen.

 

Zur Geschichte
Bereits 1673 war Antoni van Leeuwenhoek mit Hilfe eines einfachen Lichtmikroskops in der Lage, Proben sichtbar zu machen, welche für das bloße Auge nicht zu erkennen waren.
Es dauerte aber bis in die 30er-Jahre des 20. Jahrhunderts, bis es durch Max Knoll und Ernst Ruska vom Hochspannungsinstitut der Technischen Hochschule in Berlin zur Entwicklung des ersten TEMs kam.
Zusammen mit Bodo von Borries baute Ruska 1939 dann das erste kommerzielle TEM bei Siemens in Deutschland.
Für diese zweifellos zu den bedeutendsten Erfindungen des 20. Jahrhunderts zählende Erfindung wurde Ruska 1986 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet.

 

Möglichkeiten und Grenzen
Der größte Vorteil des TEM liegt sicherlich darin, dass man nach einer einfachen und schnellen "Negativkontrast"-Präparation die Proben mit "offenem Blick" betrachten kann. Das heißt im Gegensatz zu vielen anderen Verfahren findet hier zunächst keine gerichtete Untersuchung auf einen bestimmten Erreger durch den Einsatz spezifischer Reagenzien (Sonden / Primer / Antikörper) statt, sondern mit Hilfe einer gänzlich unspezifischen Kontrastierung kann die Probe und somit alle in ihr enthaltenen Bestandteile (z.B. Mikroorganismen) morphologisch in ihrer Gesamtheit beurteilt werden. Auf diese Weise ist es auch möglich, mit einem Blick Mehrfachinfektionen in einer Probe zu erkennen.
Während das Auflösungsvermögen, also die Fähigkeit zwischen zwei nahe beieinander liegenden Punkten zu unterscheiden, beim Lichtmikroskop bei ca. 200nm liegt, ermöglicht das Transmissionselektronenmikroskop eine Auflösung von 0,2nm ("praktische Auflösung" von 10nm) welche auch zur Erkennung der kleinsten Viren (15-30nm) ausreicht.
Die TEM - Diagnose ermöglicht eine Diagnose der Virusgruppe (z.B. Parapox-Viren), nicht aber des spezifischen Typs und sie setzt relativ hohe Partikelkonzentrationen in der Probe voraus (>105 Partikel/ml). Allerdings stehen für Proben mit geringeren Partikelkonzentrationen auch Anreicherungsverfahren zur Verfügung.

 

Die Präparation
Ein weiterer großer Vorteil der TEM-Diagnostik ist die meist einfache und vor allem schnelle Probenpräparation. So können dringende Proben schon innerhalb einer Stunde auf enthaltene Mikroorganismen untersucht werden. In den meisten Fällen reicht hierfür ein einfacher Zentrifugationsschritt mit anschließender Kontrastierung des geklärten Überstands. Bei Proben mit niedrigem Partikelgehalt (<105 Partikel/ml) besteht die Möglichkeit, mit der Airfuge, einer speziellen Ultrazentrifuge für kleinste Probenmengen, eine Aufkonzentrierung der Probe durchzuführen.

 

Auswahl der Proben
Prinzipiell können alle Flüssigkeiten und Gewebe, die potentiell Mikroorganismen enthalten, mit dieser Methode untersucht werden. Dies sind in erster Linie Flüssigkeiten aus veränderten Haut- und Schleimhautbereichen (Bläschen, Aphten), Darminhaltsproben oder Zellkulturüberstände. Aber auch Hautkrusten, Organ- und Tupferproben können nach einem Homogenisierungsschritt im Labor kontrastiert und elektronenmikroskopisch untersucht werden.

 

Bakteriophagen beim entern& eines Bakteriums, Darminhalt, Huhn.Die ersten Bilder
Die kontrastierten Proben werden im TEM zunächst bei einer ca. 40.000-fachen Vergrößerung mäanderförmig durchgemustert und auffällige Partikel bei noch höheren Vergrößerungen morphologisch beurteilt, fotografiert und archiviert. Im Folgenden soll anhand erster Aufnahmen an unserem TEM das beachtliche Auflösungsvermögen und somit die gute Möglichkeit der Differenzierung einzelner Virusgruppen deutlich gemacht werden.

 

Ausblick
Noch befinden wir uns in der Etablierungsphase dieser neuen Methode, doch bereits jetzt können wir eine steigende Nachfrage nach diesem Diagnostikum im eigenen Haus und durch externe Einsendungen verzeichnen. Nach einer "passiven" Teilnahme am Laborvergleichstest zur elektronenmikroskopischen Erregerdiagnostik des Robert-Koch-Instituts (RKI) im Jahre 2005, werden wir im Jahre 2006, nachdem wir die erste Etablierungsphase abgeschlossen haben, aktiv an diesem Ringtest teilnehmen und somit auch die Anforderungen zur Qualitätssicherung in diesem Arbeitsgebiet erfüllen.

 

 Weitere Informationen:

Ausführlicher Beitrag mit umfangreichem Bildmaterial

 

Artikel erstmals erschienen am 07.09.2005