Wiedersehen mit einem alten Bekannten – die bakterielle Nierenkrankheit der Salmoniden (BKD)
Ein Bericht aus unserem Laboralltag
Dr. Elisabeth Nardy
Die bakterielle Nierenkrankheit (engl.: bacterial kidney disease, BKD) wird hervorgerufen durch einen der ältesten bekannten bakteriellen Erreger bei Salmoniden, dem Bakterium Renibacterium salmoninarum. Die Krankheit wurde nahezu weltweit nachgewiesen. Aufgrund der chronischen Verlaufsform wird die BKD häufig nicht erkannt und klinische Ausbrüche kommen nur sporadisch vor, können aber zu hohen Verlusten führen. In einem interessanten Fall kam es zu einem BKD-Ausbruch mit Verlustgeschehen bei Regenbogenforellen-Setzlingen nach einer Fischlieferung. Im Lieferbetrieb wurde ebenfalls der Erreger nachgewiesen, diese Fische entwickelten jedoch keine klinischen Symptome.
Vorkommen in Baden-Württemberg
Der Errger der BKD wird in Baden-Württemberg immer wieder in Fischzuchten nachgewiesen. Am CVUA Stuttgart wurde seit 2010 insgesamt bei 119 Proben eine molekularbiologische Untersuchung auf Renibacterium salmoninarum eingeleitet. In 14 Proben verlief diese Untersuchungen mit positivem Ergebnis (siehe Grafik). Die Untersuchungen wurden am CVUA Freiburg als Zentrallabor für BKD-PCR in Baden-Württemberg durchgeführt.
Untersuchungen auf Renibacterium salmoninarum
Die positiven Proben verteilten sich auf insgesamt 6 Betriebe, wobei pro Jahr 1 – 2 Betriebe auffällig wurden (siehe Grafik). Im beobachteten Zeitraum gab es mehrere Betriebe, bei denen die Erkrankung erneut ausbrach, nachdem sie mehrere Jahre klinisch nicht sichtbar war. Bei anderen Betrieben trat die Erkrankung nur einmalig auf. Untersucht und beprobt wurden jedoch nur klinische und pathologisch-anatomische Verdachtsfälle, ein flächendeckendes Monitoring wurde nicht durchgeführt.
Anzahl der untersuchten Betriebe auf Renibacterium salmoninarum
Fallbeschreibung
Vorbericht
Im Jahr 2022 kam es in einem Fischhaltungsbetrieb unmittelbar nach Zukauf von 10.000 Regenbogenforellen-Setzlingen (Jungfischen) zu Verlusten von 40 –50 Forellen pro Tag. Als die Verlustrate nach mehreren Tagen nicht nachließ, wurde der Fischgesundheitsdienst zu Rate gezogen.
Klinische und pathologisch-anatomische Untersuchung
Die klinische Untersuchung vor Ort ergab zahlreiche apathische, am Rand stehende Fische mit Glotzaugen und aufgetriebenen Bäuchen und einzelnen Verlusten. Die Verluste schienen am Tag des Besuches besser zu werden. Bei der pathologisch-anatomischen Untersuchung lagen neben einer Verdauungsstörung auch eine hochgradige Milzschwellung sowie eine deutlich diffus vergrößerte, blasse und weiche Niere vor. Ferner wurden feine Blutungen in der Muskulatur festgestellt, welche als Anzeichen einer akuten Sepsis zu werten sind (siehe Bild).
Labordiagnostik
Histologisch wurden in der Niere bakterielle Granulome nachgewiesen. Die molekularbiologische Untersuchung auf R. salmoninarum verlief mittels qPCR mit positivem Ergebnis. Differentialdiagnostisch wurde der Erreger der proliferativen Nierenerkrankung (PKD) ausgeschlossen.
Als weitere Befunde wurden in der parasitologischen Untersuchung ein geringer Befall mit Trichodina sp., einem unspezifischen einzelligen Hautparasiten aus der Gruppe der sogenannten Hauttrüber nachgewiesen. Weiter wurden Genomfragmente des Virus der Infektiösen Pankreasnekrose (IPN) mittels qPCR nachgewiesen. Die Erreger der anzeigepflichtigen Fischseuchen Virale hämorragische Septikämie (VHS) und Infektiöse hämatopoetische Nekrose (IHN) sowie das Salmonid Alphavirus (SAV) wurden ausgeschlossen.
Bewertung
Bei den Regenbogenforellen-Setzlingen lag eine akute Erkrankung der BKD vor. Neben den typischen pathomorphologischen und histologischen Befunden wurden mittels qPCR BKD-Genomfragemte nachgewiesen. Erstaunlich ist ein Ausbruch der Erkrankung mit Verlustgeschehen bei Jungfischen. Die Bedeutung von Stressfaktoren wie Transport oder auch veränderte Umweltbedingungen sind bei der BKD erheblich und können wie in diesem Fall zu einer akuten Sepsis aufgrund einer starken Erregervermehrung führen. Häufig äußert sich die Erkrankung aufgrund des chronischen Verlaufes eher subklinisch und bleibt in dieser Altersgruppe oft völlig unentdeckt. So ergaben Untersuchungen im Lieferbetrieb den Nachweis der BKD in der entsprechenden Fischgruppe, allerdings ohne Verlustgeschehen und nur mit geringen Symptomen. Höchstwahrscheinlich war der Transport in Verbindung mit kurzfristig suboptimalen Wasserparametern im Zielbetrieb Auslöser für den akuten Ausbruch der Erkrankung.
Weiterer Krankheitsverlauf im Betrieb
Das Verlustgeschehen hat eine Woche nach Besatz deutlich nachgelassen. Der restliche Fischbestand hat sich mit guten Haltungsbedingungen, geringer Besatzdichte und guter Sauerstoffversorgung des Wassers wieder erholt und auf den Einsatz von Antibiotika konnte verzichtet werden. Im Lieferbetrieb verlief die BKD bis zur Schlachtung mit nur geringen klinischen Symptomen sowie nur vereinzelt toten Fischen.
Ausblick
Der vorliegende Fall zeigt, dass die BKD eine Erkrankung ist, die unter Stress aufflammen und dann zu hohen Verlusten führen kann. Durch den in der Regel chronischen Verlauf bleibt sie aber oft unentdeckt und ist dadurch auch schwer zu kontrollieren. Eine sichere Eliminierung des Erregers gestaltet sich schwierig, da sich die Bakterien intrazellulär halten können. Für Aufzuchtbetriebe ist es empfehlenswert, Eier oder Jungfische aus BKD-freien Lieferbetrieben zu beziehen.
BKD bei Regenbogenforellen mit massiver Nierenschwellung
Setzlinge aus Fallbeschreibung mit Muskelblutungen und Nieren- und Milzschwellung
Histopathologie der BKD: Leber mit chronischem Granulom, Immunhistochemische Färbung, R. salmoninarum rot gefärbt
Infokasten
Renibacterium salmoninarum
Renibacterium salmoninarum (R. salmoninarum) ist ein Bakterium, welches die Erkrankung der bakteriellen Nierenkrankheit (engl. Bacterial kidney disease, BKD) hervorruft. Bereits 1930 wurde ein entsprechendes Krankheitsbild in Schottland beschrieben [1] und 1935 wurden Nierenveränderungen bei Salmoniden in Nordamerika mit einem gram-positiven Bakterium in Verbindung gebracht [2]. Die Identifizierung des Erregers gelang 1953, er wurde jedoch anfänglich den Corynebakterien zugeordnet [3]. Aufgrund von Unterschieden, insbesondere der Zellwandbestandteile, wurde später aber ein neues Genus Renibacterium geschaffen, dessen einziger Vertreter bis heute R. salmoninarum ist [4]. In Deutschland wurde es zum ersten Mal 1983 nachgewiesen [5].
Das Bakterium kann auf Spezialnährböden (z. B. SKDM - Selektiv Kidney Disease Medium nach Evelyn) angezüchtet werden, was allerdings sehr aufwändig ist und mindestens 3 Wochen in Anspruch nimmt. Heute wird es mittels molekularbiologischer Methoden (PCR oder qPCR) nachgewiesen [6, 7].
R. salmoninarum infiziert alle Salmoniden-Arten (zu denen auch die Regenbogenforelle gehört) sowie wenige andere Fischarten. Lachse und Saiblinge sind empfänglicher als Bach- oder Regenbogenforellen. Die Übertragung erfolgt entweder direkt über infizierte Fische, deren Kot und Schleim oder indirekt über infizierte Gegenstände sowie auch vertikal über infizierte Eier [6, 7].
Die BKD ist eine chronisch verlaufende systemische Erkrankung, die mit vermehrter Apathie, taumelnden Schwimmbewegungen sowie dem Auftreten von Geschwüren und ein- oder beidseitigen Glotzaugen einhergeht. Bei der Sektion fällt vor allem die massive Nierenschwellung auf, daher auch der Name der Erkrankung. Weitere Symptome sind insbesondere im weiteren Krankheitsverlauf Blutungen und Geschwüre der Haut, Bauchwasser und gräulich-weißliche Knötchen auf der Niere, der Leber oder der Milz. Die Verluste sind häufig nur moderat, weshalb die Erkrankung oft unentdeckt bleibt. Die Erkrankung tritt aufgrund des chronischen Verlaufes meist erst im Alter von 6–12 Monaten zu Tage. Der Einfluss von Stressoren wie Transport, Futtermangel, Sauerstoffmangel, Temperaturschwankungen oder schlechte Wasserqualität lassen die Symptome deutlicher werden und die Verlustrate deutlich ansteigen, die dann bis zu 40 % betragen kann [6, 7].
Eine Therapie ist durch Antibiotika-Gaben möglich, allerdings muss diese sehr lange durchgeführt werden und die Rezidiv-Gefahr ist hoch. Eine komplette Eliminierung des Erregers durch Antibiotika ist aufgrund des intrazellulären Vorkommens der Bakterien nicht möglich.
Die BKD ist weder melde- noch anzeigepflichtig. Es gibt im EU-Tiergesundheitsrecht jedoch für Mitgliedstaaten die Möglichkeit, sich nationale Maßnahmen zur Bekämpfung von bestimmten Krankheiten wie z. B. der BKD anerkennen zu lassen [8]. Dänemark, Finnland, Irland und Nordirland haben hiervon Gebrauch gemacht, und BKD-freie Betriebe (Dänemark und Finnland) bzw. das gesamte Hoheitsgebiet als BKD-frei (Irland und Nordirland) genehmigen lassen [9]. Dies ist insbesondere für Zuchtbetriebe und Fischei-Produzenten interessant, die somit sicher BKD-freie Fischeier liefern können.
Bildernachweis
Elisabeth Nardy, CVUA Stuttgart
Quellen
[1] Smith, I.W., 1964, The occurrence and pathology of Dee disease, Freshwater Salmon Fish. Res. 34, 1–12.
[2] Belding and Merrill, 1935, A preliminary report upon a hatchery disease oft he Salmonidae. Trans. Am. Fish. Soc 65: 76–84.
[3] Ordal and Earp, 1956, Cultivation and Transmission of the etiological agent of bacterial kidney disease. PSEBM 92: 85–88.
[4] Sanders JE, Fryer JL., 1980, Renibacterium salmoninarum gen. nov., sp. nov., the causative agent of bacterial kidney disease in salmonid fishes. Int. J. Syst. Bacteriol. 30 (2): 496–502.
[5] Pfeil-Putzien et al., 1985, Zur Verbreitung der Bacterial Kidney Disease (BKD) der Salmoniden in der Bundesrepublik Deutschland. Zbl.Vet.Med.B 32: 541–547.
[6] Aquaculture Pathophysiology, Vol I Finfish Diseases, Kinbenge Frederick S.B., Elsevier Academic Press, 2022, S. 329–344.
[7] Delghandi et al., Renibacterium salmoninarum-The Causative Agent of Bacterial Kidney Disease in Salmonid Fish, Pathogens. 2020 Oct 15; 9(10): 845.
[8] Verordnung (EU) 2016/429 vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrecht“) (ABl. L 84 vom 31.3.2016, S. 1)
[9] Durchführungsbeschluss (EU) 2021/260 der Kommission vom 11. Februar 2021 über die Genehmigung nationaler Maßnahmen zur Begrenzung der Auswirkungen bestimmter Wassertierseuchen gemäß Artikel 226 Absatz 3 der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung des Beschlusses 2010/221/EU der Kommission (Bekannt gegeben unter Aktenzeichen C (2021) 773) (ABl. L 59 vom 19.2.2021, S. 1)