Nahe Verwandte des Rotlauferregers entdeckt

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Tobias Eisenberg (LHL); Kristin Mühldorfer (Leibniz-IZW); Jörg Rau (CVUAS)

 

Der Erreger Erysipelothrix rhusiopathiae ist der bekannteste Gattungsvertreter und löst bei Schweinen und anderen Tierarten den so genannten Rotlauf aus. Beim Menschen wird diese eher selten auftretende Zoonose als Erysipeloid bezeichnet. Nun wurde das Spektrum der Gattung um drei Spezies erweitert.

 

Die Fälle

Wir berichten über die Beschreibung von drei neuen Bakterienspezies aus der Gattung des Rotlauferregers Erysipelothrix. Die neuen Arten wurden in unseren sowie in weiteren Laboren unserer Kooperationspartner isoliert und aufgrund herausstechender Unterschiede zunächst nur als zur Gattung Erysipelothrix zugehörig eingestuft. Weitere umfangreiche Untersuchungen durch unser Netzwerk an Partnern bestätigten schließlich deren Eigenständigkeit als neue Spezies.

 

Infokasten

Die Gattung Erysipelothrix und der Rotlauferreger E. rhusiopathiae

Erysipelothrix (E.) rhusiopathiae kommt weltweit vor. Man findet diesen Erreger auch in Umweltproben, von wo sich viele Tierarten damit infizieren können. Bei Schweinen ist Rotlauf eine schon lange bekannte, wirtschaftlich bedeutsame und mit dem Tierwohl einhergehende Infektionskrankheit, die sich u. a. durch eine Rotverfärbung der Haut manifestiert, daher der Name. Allerdings kann Rotlauf bei Schweinen auch zu einer Herzentzündung führen. Der Rotlauferreger ist zudem ein bekannter Infektionserreger beim Menschen, wobei eine Übertragung vom Tier auf den Menschen die größte Bedeutung hat (Zoonose). Bekannt sind lokale Hautinfektionen (sog. Erysipeloid) oder sich ausbreitende Hautinfektionen und Herzklappenentzündungen (Endokarditis) als Folge einer Bakteriämie. Rotlaufinfektion beim Menschen lassen sich mit Antibiotika gut behandeln. Schweine können mit einer Impfung vor einer Infektion geschützt werden. Rotlauf-Bakterien kommen aber auch bei einer Vielzahl weiterer Tierarten vor, darunter verschiedene Arten des Geflügels, Fische, Meeressäuger u. v. a.

Neben E. rhusiopathiae beinhaltete die Gattung bislang noch vier weitere Spezies: E. tonsillarum wurde ebenfalls von gesunden Schweinen beschrieben, in der Zwischenzeit jedoch auch mit Herzerkrankungen bei Hunden assoziiert. Während E. inopinata bislang nur aus einer Nährbouillon isoliert wurde, konnte man E. larvae im Darminhalt des Nashornkäfers finden. Die bislang letztbeschriebene Spezies war E. piscisicarius, welche zunächst bei Fischen, inzwischen aber – wie E. rhusiopathiae – auch bei Schweinen und Geflügel zu Erkrankungen führte.

 

Abb. 1: Die neuen Spezies Erysipelothrix anatis (oben) und Erysipelothrix aquatica (Mitte) unterscheiden sich im Wachstum (hier auf einer Blutagarplatte) nicht, während Erysipelothrix urinaevulpis (unten) sehr viel langsamer wächst und zartere Kolonien ausbildet (Fotos: © LHL / Landesbetrieb Hessisches Landeslabor, Gießen).

Abb. 1–3: Die neuen Spezies Erysipelothrix anatis (oben) und Erysipelothrix aquatica (Mitte) unterscheiden sich im Wachstum (hier auf einer Blutagarplatte) nicht, während Erysipelothrix urinaevulpis (unten) sehr viel langsamer wächst und zartere Kolonien ausbildet (Fotos: © LHL / C, Gießen)

 

Die Isolate der neuen Spezies lassen sich im Labor gut auf Columbia-Schafblutagar anzüchten. Sie zeigen allesamt ein breites Temperaturspektrum, wachsen jedoch bei 30–37 °C am besten. Dabei lassen sich die Kulturen auch mikroaerophil (bei 10 % CO2) und anaerob kultivieren. Alle Stämme wurden in Deutschland isoliert.

 

Erysipelothrix anatis

Vier Isolate stammten aus dem Untersuchungsmaterial des RIPAC Labors in Potsdam. Sie waren zuvor aus unterschiedlichen landwirtschaftlichen Nutztieren isoliert worden. Bei je einer Ente, Gans und einem Schwein wuchsen diese Bakterien im oberen Respirationstrakt, bei einer weiteren Gans stammte das Isolat aus dem Gehirn. Somit scheint diese neue Spezies auch mit klinischen Erkrankungen bei den genannten Spezies aufzutreten. Nach dem zuerst gefundenen Isolat wurde diese Art als E. anatis benannt. Dies leitet sich von dem lateinischen Wort Ente („anas“) ab.

 

Erysipelothrix aquatica

Die zweite neue Spezies wurde gleich in zwei Laboren entdeckt. Zwei Isolate sind im Zusammenhang mit der Untersuchung von medizinischen Blutegeln (Hirudo verbena) im Institut für angewandte Mikrobiologie der Justus-Liebig-Universität Gießen gefunden worden, ein weiteres Isolat stammt aus der Lunge einer verstorbenen Sumpfschildkröte (Pseudemys concinna concinna), welche im Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) untersucht worden war. Inzwischen gibt es auch weitere Isolate von Fröschen. Weil der gemeinsame Lebensraum dieser Tiere das feuchte Milieu ist, wurde diese Spezies – abgeleitet vom lateinischen Wort Wasser („aqua“) – als E. aquatica benannt.

 

Erysipelothrix urinaevulpis

Die Probe aus der die dritte neue Art stammt, war zugleich auch die kurioseste: Im Frankfurter Flughafen war eine Postsendung beschlagnahmt worden, die aus tierseuchenrechtlichen Gründen nicht einfuhrfähig war. In der Warensendung aus den USA steckte ein kleines Sprühfläschchen, welches den Angaben zufolge Urin vom Fuchs enthielt. Die auch als sogenannte „hunting bait“ (Jagdlockstoff) vertriebene Ware soll zur Bejagung von Füchsen dienen, indem dieser Duftstoff an Bäume gesprüht wird und so heimische Füchse anlocken soll. Solche Lockstoffe bergen allerdings eine reale Einschleppungsgefahr von Tierseuchenerregern und sind deshalb hier verboten. Bei der Untersuchung wurden auch tatsächlich andere Tierseuchenerreger gefunden, aber es wuchs auf unseren Agarplatten auch ein unbekannter Bakterienstamm. Nach einer breiten Palette von Untersuchungen aller Isolate, bei welchen auch die gesamte Erbsubstanz der Bakterien analysiert wurde, stand fest, dass es sich bei dem aus Fuchsurin stammenden Bakterium gleichfalls um eine neue Spezies handelte. Das Spezies-Epithet (Artname) setzt sich aus den lateinischen Wörtern für Harn („urina“) und Fuchs („vulpes“) zusammen, bedeutet also Fuchsurin.

 

Fazit

Diese Fälle zeigen, dass auch in der bakteriologischen Routinediagnostik immer wieder mit neuen Bakterienarten zu rechnen ist. Für ein Labor ist es allerdings neben den normalen Verpflichtungen und aufgrund der hohen methodischen Anforderungen kaum zu schaffen, neue Arten im Alleingang zu beschreiben. Wir haben sehr gute Erfahrungen gemacht, diese Aufgabe mit Kooperationspartnern gemeinsam auf den Weg zu bringen. So waren, wie bei vorherigen Kooperationen, die bewährten Partner des Chemischen und Veterinäruntersuchungsamts Stuttgart, des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung, des Robert-Koch-Instituts sowie Wissenschaftler der Justus-Liebig-Universität Gießen Mitautor*innen der Studie, die erstmals auch durch Kollegen des RIPAC Labors in Potsdam und der Friedrich-Wilhelms-Universität in Bonn unterstützt wurde.

Bisher nicht geklärt ist, ob die neuen Bakterienspezies neben den genannten Wirtstieren auch andere Tierklassen, beispielsweise. Fische, infizieren können oder als Zoonoseerreger einzustufen sind.

 

Hinweise für das Fachkollegium

Dank der wissenschaftlichen Arbeiten kann nun der Nachweis und die Bestätigung der neu beschriebenen Spezies in modern ausgestatteten diagnostischen Einrichtungen, wie den an der Studie beteiligten Laboren, nun in kurzer Zeit durchgeführt werden.

Die Isolate aus der Studie wurden gleich genutzt, um die bestehende Sammlung von Referenzspektren für die MALDI-TOF Massenspektrometrie zu ergänzen, einer unserer wichtigsten Techniken für die Identifizierung von Bakterien. Diese Vergleichsspektren sind für das Fachkollegium über die MALDI-User Plattform MALDI-UP per Tausch zugänglich.

 

Originalpublikation

Eisenberg, T., K. Mühldorfer, M. Erhard, A. Fawzy, S. Kehm, C. Ewers, T. Semmler, J. Blom, A. Lipski, J. Rau, P. Kämpfer, S. P. Glaeser (2022): Description of Erysipelothrix anatis sp.nov., Erysipelothrix aquatica sp. nov. and Erysipelothrix urinaevulpis sp. nov. as threenovel species of the genus, and emended description of Erysipelothrix. – Int J Syst EvolMicrobiol, 2022;72(7):005454 DOI 10.1099/ijsem.0.005454

 

Artikel erstmals erschienen am 01.09.2022