Der Rotlauferreger Erysipelothrix rhusiopathiae – ein versierter Generalist

Ein Bericht aus unserem Laboralltag

Dr. Reinhard Sting, Dr. Birgit Blazey, Dr. Ingo Schwabe

 

Kaum ein anderes Bakterium weist ein derart weites Wirtsspektrum auf wie der Erreger des Rotlaufs, Erysipelothrix rhusiopathiae. Bekannt sind vor allem Infektionen bei Schweinen, in deren Verlauf die Rotverfärbung der Haut der Namensgeber ist. Wir berichten über zwei interessante Fälle von Rotlauf bei zwei ganz verschiedenen, bisher nicht beschriebenen Tierarten.

 

Die Fälle

Wir berichten über zwei ungewöhnliche Fälle von Infektionen mit dem Rotlauferreger Erysipelothrix (E.) rhusiopathiae bei einem Feldhasen und einem Skunk (Stinktier).

 

Infokasten

Der Rotlauferreger Erysipelothrix rhisiopathiae

Erysipelothrix (E.) rhusiopathiae kommt weltweit vor. Man findet diesen Erreger im Erdboden, Wasser und Abwasser, wo er unter günstigen Bedingungen (Feuchtigkeit, niedrige Temperaturen, alkalisches Milieu) mehrere Monate überlebensfähig bleibt. In tierischen Geweben wie gefrorenes oder gekühltem Fleisch, Schinken oder Blut kann der Erreger sogar mehrere Monate überleben. Kontaminierte Erde und Wasser, tierische Produkte sowie klinisch kranke aber auch symptomlose Tiere stellen wichtige Infektionsquellen dar.
Dr wichtigste Wirt von E. rhusiopathiae ist das Schwein, das den Erreger in großen Mengen über Urin, Kot und Sekrete ausscheidet. Darüber hinaus umfasst das Wirtspektrum zahlreiche weitere Tierarten von Fischen und Amphibien, Wild- und Hausvögeln, Säugetieren (Haus- und Wildtiere) und Meeressäugern mit fatalen Infektionen.
Zum Schutz vor Rotlaufinfektionen beim Schwein stehen zugelassene Impfstoffe zur Verfügung.
E. rhusiopathiae ist auch ein bekannter Infektionserreger beim Menschen, wobei eine Übertragung vom Tier auf den Menschen die größte Bedeutung hat (Zoonose). Bekannt sind lokale Hautinfektionen (sog. Erysipeloid), sich ausbreitende Hautinfektionen und Herzklappenentzündungen (Endokarditis) als Folge einer Bakteriämie.
Rotlaufinfektion beim Menschen lassen sich mit Antibiotika gut behandeln.

 

Links: Erysipelothrix rhusiopathiae (Rotlauferreger) auf einer Blutagarplatte

Rechts:
Erysipelothrix rhusiopathiae
(Rotlauferreger) in eisenhaltigem, hlbfestem Medium mit charakteristischem, Gläserbürsten-artigem Wachstum (die Schwarzverfärbung kommt durch die Bildung von Eisensulfid)

 

Feldhase

Der Kadaver des männlichen Feldhasen wurde im Hohenlohekreis gefunden. Der Tierkörper des Tieres war stark verwest (hochgradige Autolyse) und die Organe fehlten, so dass der Tierkörper nur bedingt für eine pathologisch-anatomische Untersuchung (Sektion) geeignet war. Es wurden deshalb von Brust- und Bauchfell Tupferproben für weiterführende bakteriologisch-kulturelle Untersuchungen sowie für molekularbiologische Untersuchungen mittels Real-Time PCR auf den Erreger der Hasenpest (Tularämie) (Francisella tularensis subsp. holarctica) entnommen.

Im Rahmen der bakteriologischen Untersuchungen der Tupferproben konnte ein starkes Wachstum von E. rhusiopathiae festgestellt werden, andere Keime wurden überwuchert.

So konnte Francisella tularensis subsp. holarctica erst im CVUA Freiburg mittels Real-Time PCR in großer Menge nachgewiesen werden.

Durch Kontakt zu dem infizierten Hasen erkrankte eine Person nachweislich an Tularämie. Da deren Infektion frühzeitig erkannt wurde, konnte die Tularämie-Erkrankung erfolgreich behandelt werden.

 

Skunk (Stinktier)

Bei dem Skunk handelte es ich um ein weibliches, vier Jahre altes Tier. Die pathologisch-anatomische (Sektion) und die pathohistologische Untersuchung ergaben, dass das Tier an mehreren Erkrankungen litt.

Der eingesandte Skunk ist in Folge einer sekundären Infektion mit E. rhusiopathiae (Rotlaufbakterien) verstorben. Die Rotlaufinfektion hatte sich hautsächlich in einer Entzündung der Nasen- und Magenschleimhaut manifestiert. Auch Milz und Nebenniere waren im Rahmen der Rotlaufinfektion akut entzündlich verändert. Der Rotlauferreger hat sich weiter in die Lunge und im Laufe einer Bakteriämie in der Leber angesiedelt. Der Nachweis von E. rhusiopathiae gelang in der Lunge mit geringem sowie im Magen und der Leber mit starkem bis sehr starker Keimwachstum.

Bei dem Skunk lagen zahlreiche prädisponierende chronische Krankheitsprozesse vor, die einen schweren Verlauf der Rotlaufinfektion begünstigten. So litt das Tier aufgrund einer dilatativen Kardiomyopathie (Herzmuskelerkrankung mit Erweiterung der Herzkammern) an einer globalen Herzinsuffizienz mit der Folge chronischer Stauungserscheinungen im Körper- und im Lungenkreislauf. Ferner litt das Tier an einer chronischen Magen-Darm-Entzündung. In der Niere konnte eine Immunkomplex-Glomerulonephritis (Entzündung der Niere durch Ablagerungen von Immunkomplexen) nachgewiesen werden. Das Auftreten einer immunvermittelten Glomerulonephritis in Folge von akuten Rotlaufinfektionen ist beim Schwein beschrieben.

 

Fazit

Diese Fälle zeigen, dass der Rotlauferreger E. rhusiopathiae auch bei uns bei bisher noch nicht beschreiben Tierarten wie Feldhase und Stinktier vorkommen kann. Das zeigt, dass das Wirtsspektrum von E. rhusiopathiae auch noch weitere, bisher nicht beschriebene Tierarten umfasst. Zu beachten ist, dass sich der Menschen mit dem Rotlauferreger infizieren kann (sogenannte Zoonose). Beim Feldhasen hat dies besondere Bedeutung für die Wildbrethygiene. Bei Tieren, die in engem Kontakt mit Menschen gehalten werden, wie in unserem Fall der Skunk, besteht eine Infektionsgefahr für Kontaktpersonen. Die Entzündung der Nasenschleimhaut und der Nachweis des Rotlauferregers in hoher Keimzahl in der Lunge sprechen für eine Erregerausscheidung über den Atemtrakt (Sekrete). Bei keinem dieser Fälle wurde vorab der Verdacht einer Rotlauf-Infektion geäußert, so dass die Todesursachen nur durch die im Rahmen der pathologisch-anatomischen Untersuchungen durchgeführten bakteriologischen Untersuchungen aufgeklärt werden konnten. Das Aufdecken von Infektionskrankheiten bei Tieren, die auf den Menschen übertragen werden können, führt zu wertvollem Wissen über das Vorkommen und die Verbreitung von Infektionserregern. Dies ist Grundlage für wirkungsvolle Maßnahmen zum Schutz vor Infektionen sowie rasche und gezielte Behandlungen im Falle von Infektionen. Hierbei sind pathologisch-anatomische und pathohistologische sowie weiterführende diagnostische Untersuchungen unerlässlich.

 

Bildernachweis

CVUA Stuttgart

 

Artikel erstmals erschienen am 12.07.2022